Günther Rauch

19.04.2019

Der italienische Politzirkus und die versäumten Wahlreformen in Südtirol

Die Grünen spielen sich in ihrer beinahe schon autoritären Züge annehmenden Handlungsmaxime wieder einmal als politische Moralapostel, ja geradezu als moderne Inquisitoren auf. Diesmal haben sie sich den Europaparlamentarier Herbert Dorfmann ausgesucht.

Über den früheren Direktor des Südtiroler Bauernbundes und Kandidaten der Südtiroler Volkspartei mit primitiven Anspielungen und Wortklaubereien, wie „Schamlosigkeit“ und „Blödheit“  herzuziehen, spricht nicht gerade von großer politischer Redlichkeit einer politischen Formation. Vor allem nicht, wenn man sich, wie die Grünen, noch vor wenigen Monaten beinahe schon unterwürfig als Juniorpartner der SVP angebiedert hat. Den einzigen Südtiroler Europaparlamentarier unterschwellig in das Fahrwasser der ohnehin auseinanderbröckelnden Berlusconi-Partei zu stellen, ist schon ein großer Hammer.

Man muss beileibe nicht die Ansichten von Herbert Dorfmann und seiner Partei teilen. Dennoch dürfte jedem heimatbewussten Südtiroler der Wertekonservativismus eines Dorfmann wohl näher liegen als der aufgeputzte ideologische Kosmopolitismus, der auf der „Green Italia-List“ kandidierenden und aus dem radikalkommunistischen Politzirkus stammenden „Hammelspringern“ rund um Pippo Civati.

Über den „Teufelspakt“ der SVP mit Parteien, die der EVP angehören – also auch der Partei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel -, kann man denken was man will. Die meisten Südtiroler halten solche Bündnisse mit italienischen Parteien sowieso für sehr bedenklich.

Der Fehltritt bei der Wahl der ortsfremden PDlerin Maria Elena Boschi in die italienische Kammer stößt heute noch vielen Unterlandlern auf.

Die Grünen allerdings wären gut beraten zunächst vor ihrer eigenen Tür zu kehren. Denn über deren Verbindungen gäbe es vieles zu sagen. Das gilt übrigens auch für das Team des früheren „Fünf-Sterne-Bewegung“- Abgeordneten Köllensperger. Da glänzt inhaltlich auch nicht alles.

Denn wer zu Recht „Forza Italia“ des abgerackerten Bunga-Bunga-Mannes kritisiert, sollte gelegentlich sich selbst hinterfragen. Zum Beispiel, wo waren die grünen Heilsbringer, als der EU-Präsident Antonio Tajani die Repressalien der spanischen Polizei in Katalonien verteidigte und mit den italienischen Polizeiaktionen gegen die Südtiroler Aktivisten der 60iger Jahr verglich? Wo waren sie, als einer ihrer linkslinken Adepten in einem italienischen  Blatt und in der RAI das italienische Konzentrationslager in Blumau banalisierte und relativierte.  Die Klappe war nicht laut, als kürzlich ein Regierungsberater die Südtiroler nach dem alten Fascio- und Nazijargon als „genetisch beeinträchtigt“  bezeichnete. Nun spielen sich ausgerechnet die grünen Pädagogen als Gralshüter des Antiberlusconismus auf, wo sie doch seit jeher in Bozen den italienischen Neonationalisten und Souveränisten die Teppiche ausgebreitet haben. Es lässt sich wohl kaum leugnen, dass die wie auch immer gefärbte radikale Linke punktuell in Erscheinung tritt, wenn es darum geht in Südtirol etwas schlecht zu reden. Die gravierenden Fehler der „Nuova Sinistra“ und deren Nachfolgepartei „Alternativen Liste fürs andere Südtirol“ mit der Kampagne gegen die „ethnischen Käfige“ und gegen die Sprachgruppenzugehörigkeit bei der Volkszählung hatte damals den Rechtstrend der Italiener in Bozen beschleunigt. Aber das scheinen viele, spätestens seit dem „Marsch durch die Institutionen“, vergessen zu haben. Das steht auch nicht in ihren Propagandabüchern und wird auch von ihren, wenn auch wenigen, aber umtriebigen Gefolgsleuten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten vertuscht.

Als kürzlich der umstrittene EU-Präsident Antonio Tajani – in Linie mit seinem Patron Berlusconi und der Mussolini Enkelin – den verbrecherischen Charaker des italienischen Faschismus leugnete, schrieb einer der führenden Protagonisten der radikalen Bozner Linken der 80er Jahre und spätere Präsident des Genossenschaftsbundes „Lega Coop“: „Das was Tajani über den Faschismus gesagt hat, denkt haargenau die Mehrheit der Italiener, hauptsächlich in Bozen.“

Eine späte Erkenntnis, aber nie zu spät.

Nur die Grünen haben wenig dazugelernt. Sie können ihre alten Schablonen und Gewohnheiten nicht ablegen und so wiederholen sie punktuell immer dieselbe Litanei von der gemischten Schule, der Abschaffung des Proporzes und von der Reformierung anderer Grundsäulen der Südtiroler Autonomie. Bezeichnend war in dieser Hinsicht der „Südtirol Konvent“, der als Alibi für einen italienischen Autonomie-Revisionismus herhalten sollte. Es ist ein Verdienst des damaligen Landtagsabgeordneten Christian Tschurtschentahler, des Schützenchefs Elmar Thaler und des Freiheitlichen Florian von Ach, wenn der eigentliche Plan der Urheber des Konvents ins Auge ging. Dies trotz der beim Konvent sehr deutlich zum Ausdruck gekommenen, unheiligen Allianz zwischen den Grünen und der italienischen Rechten. Kein Wunder, wenn die Schnittmengen zwischen den vor allem aus der städtischen Mittelklasse stammenden italienischen Rechten und italophilen Linken immer wieder zu Tage kommen.

Das Gesagte soll die SVP und die deutschen Oppositionsparteien nicht von ihrer Verantwortung befreien, denn sie stehen längst nicht mehr nur für ihren eigenen Erfolg, sondern für die künftige Entwicklung Südtirols. Das gilt bei den anstehenden Europawahlen hauptsächlich für die SVP, denn sie stellt schließlich die einzige deutsche Liste, außer man stimmt für eine italienische oder man geht nicht wählen.

Bei den Europawahlen scheint der Salvini-Effekt wieder Erfolg zu haben. Der ehemalige Regierungschef Mario Monti hilft ihm sogar: „Die Kritik der Populisten an Europa beinhaltet einen Funken Wahrheit…das Thema Migration wurde nicht in ausreichendem Maße behandelt“.

Die Fünf-Sterne-Bewegung verliert Konsens und der soziademokratische PD kann im Vergleich zu den Parlamentswahlen etwas aufholen. Hingegen die Chancen für die grünen und insgesamt die linken Splitterparteien  in EU-Parlament zu kommen scheinen nach den aktuellen Wahlumfragewerten in Italien sehr gering.

Für Südtirol sollten die Europawahlen auch Anlass sein überhaupt über eine neue Wahlreform nachzudenken. Es ist nämlich eine Tatsache, dass das Wahlgesetz zu den Europawahlen nicht den Erfordernissen eines autonomen Landes entspricht. Man hat es versäumt für Südtirol eine Schutzklausel durchzusetzen, um den Südtiroler bei den Europawahlen eine Vertretung in Brüssel und Straßburg zu garantieren. Diese und viele andere Lücken des Südtiroler Autonomiemodells müssten neben den „Konvent-Beschlüssen“ angegangen werden. Denn nichts ist dringender, nichts notwendiger, als dass wir über unsere Landesvertreter ohne römische Einmischungen und ohne wahltechnische Verbindungen mit italienischen Parteien, selbst entscheiden können. Dann brauchen die Südtiroler weder einen Silvio Berlusconi noch eine Emma Bonino. Denn für Südtirol haben beide nichts übrig.

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