von ts 21.05.2015 02:40 Uhr

Gegen Nazis: Das Heidelberger Spargelessen

„Isst Hitler Spargel mit Messer, Gabel oder Pfoten?“ fragten sich Verbindungsstudenten vor 80 Jahren lauthals und zeigten so öffentlich ihre Ablehnung gegen das NS-Regime. Der couragierte Auftritt des Corps Saxo-Borussia ging als „Heidelberger Spargelessen“ in die Geschichte ein.
Fotocollage: Spargel (flickr.com/Andrea Martinello/cc) und NS-Propaganda gegen Corpsstudenten

Gleichschaltung und Widerstand
Nach der Machtergreifung im Januar 1933 übernahm das NS-Regime im Rahmen der „Gleichschaltung“ die Kontrolle über viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens der Deutschen.
So war es auch das Ziel des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB), alle Studenten an den Hochschulen zu vertreten. Während einzelne Studentenverbindungen sich diesem Alleinvertretungsanspruch beugten und in den NSDStB übergingen, lehnten andere Verbindungen den Nationalsozialismus ab und leisteten couragiert Widerstand.

Hitlerwitze und Spottmelodien
So hatten die Mitglieder des Corps Saxo-Borussia, einer schlagenden Verbindung an der Universität Heidelberg, nicht viel für die Hitler-Partei übrig und zeigten ihre Ablehnung öffentlich.
Vor genau 80 Jahren, am 21. Mai 1935, störten Mitglieder des Corps lauthals die sogenannte „Friedensrede“ Hitlers, die gerade im Radio des historischen Studentenlokals „Zum Seppl“ übertragen wurde.
Anfangs übertönten sie Hitlers Worte mit schallendem Johlen, danach erzählten sie sich gegenseitig in bewusst lautem Ton Hitlerwitze und bliesen auf leeren Flaschen Melodien, während sie Spottlieder auf die Nazis sangen.
Am Tag darauf musste sich das Corps Saxo-Borussia beim NSDStB und beim Rektor der Universität Heidelberg entschuldigen.

Hitler kann Spargel quer essen
Doch schon wenige Tage später diskutierten die Corpsstudenten bei einem Spargelessen in einem Lokal lautstark, ob Hitler „Spargel mit Messer, Gabel oder Pfoten“ essen würde. Da sie sich nicht festlegen konnten, einigten sie sich wenigstens in aller Öffentlichkeit darauf, der Führer besäße „ein so großes Mundwerk, dass er den Spargel quer essen“ könne.

Verbot und Haft
Die gleichgeschaltete Presse stellte das „Heidelberger Spargelessen“ als skandalöses, reaktionäres Auftreten „einer kleine Clique von Korporationsstudenten“ dar.
Kurz darauf wurde das Corps Saxo-Borussia verboten, die beteiligten Studenten von der Universität ausgeschlossen und der Senior (Vorsitzende) des Corps inhaftiert. In den darauffolgenden Monaten wurden nach und nach immer mehr Verbindungen verboten oder lösten sich unter behördlichem Druck selbst auf.
Erst nach Ende des Krieges konnten die alten Studentenverbindungen wiedergegründet werden.

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