Rupert Gietl

28.04.2015

Sigmund Baron Kripp. Der grüne Tiroler

Sigmund Baron Kripp vereint in seiner Person ökologische und basisdemokratische Ideale mit Tiroler Bodenständigkeit und Heimatliebe. Nach 12 Jahren ist er aus der Partei Grüne/Verdi/Verc und deren Führungsgremium ausgetreten. Im UT24 Interview verrät er seine Gründe und nimmt zur heutigen Lage unseres Landes Stellung.

Sigmund Baron Kripp. Bild: Archiv Kripp

Sigmund Baron Kripp ist in Meran geboren und aufgewachsen. Er lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern auf der Stachlburg in Partschins, die sich seit 1549 im Besitz seiner Familie befindet. Zu seinen Vorfahren zählt u.a. auch der am 25. Mai 1809 am Bergisel gefallene Oberleutnant Johann Graf Stachlburg.

Sigmund Baron Kripp

Nach seinem Studium in Deutschland, betätigte er sich u.a. in der Slowakei, in Ungarn und in Rumänien im Bereich Obst- und Weinbau. Seit 1990 führt der den heimatlichen landwirtschaftlichen Betrieb.

Schon 1995 ist Sigmund Baron Kripp erstmals für die Bürgerliste in den Gemeinderat von Partschins eingezogen, dem er bis heute angehört. Seit 2003 war er Mitglied der Grünen/Verdi/Verc, deren Parteivorstand er bis zu einem Rückzug vor wenigen Tagen angehörte.

Im UT24 Interview nimmt Sigmund Baron Kripp zum aktuellen Anlass und allgemeinen politischen Fragen Stellung.

 

Herr Baron von Kripp, sie haben am vergangenen Samstag Ihren Austritt aus der Partei Grüne/Verdi/Verc verkündet. Sie – als Bio-Landwirt – verlassen damit Ihre natürliche politische Heimat. Warum dieser Schritt?

 Es haben sich verschiedene Unstimmigkeiten mit der Parteiführung angestaut. So die Ausrichtung der Partei auf urbane Zentren versus ländlichem Raum, eine zunehmende Unfähigkeit zum parteiinternen Dialog, eine aus meiner Sicht unausgewogene Genderpolitik.

 

Die Grünen haben in Ihren Gründungsjahren Themen wie Umweltschutz und den Atomausstieg erst gesellschaftsfähig gemacht und damit wichtige Pionierarbeit geleistet, doch mittlerweile schreibt sich beinahe jeder politische Konkurrent diese Ziele ebenfalls auf seine Fahnen. Müssen sich die Grünen neu erfinden?

 Nein, die Kernthemen der Grünen sind immer dieselben geblieben!

Das ist im weitesten Sinne immer noch der Umweltschutz. Aber in Südtirol kommen dazu noch Themen wie Beteiligungsdemokratie und der weite Bereich der  sprachlichen Kompetenzen.

Die Frage für mich ist, wie weit wir diese Kernthemen verlassen haben?

 

Sie kritisieren die Konzentration der Grünen auf den urbanen Raum. Auf dem Land – und besonders unter den Landwirten – werden grüne Ziele immer noch häufig als Schreckgespenst gesehen. Wo kann man Ihrer Meinung nach ansetzen, um hier ein Umdenken zu erreichen?

 Ich glaube, viele Landwirte sind schon viel weiter als ihre ständischen Organisationen und die Politiker, die sie anscheinend vertreten sollen!

Nur sind die Biobauern jahrelang allein gestanden und von dem konventionellen Establishment verspottet worden. Hier wäre ein wichtiges Feld, das durch Grüne Experten zu beackern wäre!

Aber Landwirtschaft spielt sich nun mal nicht in den Städten ab, sondern auf dem Land!

Da muss man dann auch hinausgehen oder auf Menschen zurück greifen, die dort grün denken und die notwendige Ausbildung haben, um grüne Landwirtschaft vertreten zu können.

 

Ein weiterer Ihrer Kritikpunkte: Lässt sich die Freiheit der Wahl mit der Forderung nach einer Zwangsstimme für beide Geschlechter vereinbaren? Wie könnte man das Problem der Geschlechtergerechtigkeit sonst noch lösen?

 Ja, das ist möglich! Allerdings muss die Möglichkeit der Einzelstimme gegeben sein. Erst wenn ich ZWEI Vorzugsstimmen geben will, greift die Geschlechterparität. Bei den Vorwahlen zur LTW 2013 war es dagegen zwingend notwendig, IMMER zwei Stimmen zu geben.

 

Seit dem 9. Jänner 2014 steht Arno Kompatscher unserem Land als Landeshauptmann vor. Ihr ganz persönlicher Eindruck?

 Ich war anfangs mehr von ihm überzeugt als jetzt. Er ist ein guter Techniker und mich beeindruckt seine absolut perfekte Zweisprachigkeit; aber für die langfristige Ausrichtung der Südtirol-Politik fehlt ihm offenbar ein Leitbild.

 

Herr Baron von Kripp – ganz generell: was ist gut, was ist ausbaufähig, was muss sich in Südtirol ändern?

 Puh, das könnte eine lange Antwort geben!

Gut ist die Versorgung der Menschen mit technischen Diensten, die Nahversorgung in den Dörfern, noch immer die Umwelt. Ausbaufähig ist die Besinnung auf den Erhalt unserer Landschaft, auf die Reduktion des Autoverkehrs, der Ausbau der Nahverkehrssysteme in den Tagesrandstunden, die Demokratische Kultur im Land.

Ändern muss sich die politische Landschaft, also das Monopol der SVP muss weg.

 

Ganz aktuell: In Europa und auch in Tirol spielen sich, vielfach unbeachtet einer breiten Öffentlichkeit, menschliche Tragödien ab. Menschen aus Afrika suchen bei uns Herberge auf ihre Weiterreise nach Deutschland bzw. mittelfristig Zuflucht. Wie gehen wir dieses Problem – auch vor dem Hintergund, letztendlich doch eine nachhaltige Lösung bieten zu müssen – an?

Die Erstaufnahme liegt auch in unserer Verantwortung. Flüchtlinge müssen menschenwürdig behandelt werden. Integration ist nicht nur eine Bringschuld: auch das Zielland hat Pflichten! Langfristig und ursächlich muss unser Engagement in den Herkunftsländern verstärkt werden. In welchem politischen Rahmen auch immer.

 

Wie stellen Sie sich Integration vor?

Integration ist auch eine Pflicht der Zielländer. Flüchtlinge müssen nach Erstaufnahme auf unser Land verteilt und in den Gemeinden aufgenommen werden, es darf zu keiner Ghettobildung kommen. Kindergärten, Schulen und  Vereine sind hier gefragt.

 

Was die Zukunft unseres Landes betrifft, gibt es ja verschiedene Lösungsansätze: Da steht die dynamische Weiterentwicklung der Auonomie bis hin zu Vollautonomie im Raum, diese beutet aber gleichzeitig Bindung an Italien. Dann der vielbeschworene Freistaat – allerdings würde man dadurch die Brennergrenze erneut festschreiben. Und dann die Rückkehr zu Österreich – von vielen als nostalgisch bezeichnet. Welchen Lösungsansatz haben Sie zum Durchtrennen dieses gordischen Knotens?

Die Autonomie muss solange weiter entwickelt werden, wie wir bei Italien sind. Das hindert aber niemand daran, über eine Sezession nachzudenken!

Die Brennergrenze existiert auch heute noch: oder haben wir in Österreich und Italien dasselbe Steuersystem? Die Rückkehr zu Österreich sehe ich als unrealistisch, weil sich Österreich diese Problematik nicht antun will.

Daher sollte ein sprachgruppenübergreifender Konvent den Weg einer friedlichen Sezession ausarbeiten. Staaten sind von Menschen für Menschen gemacht.

Also können sie auch von Menschen für Menschen verändert werden, da gibt’s kein Sakrileg!

 

Die Grünen sind bei Themen wie Naturschutz und nachhaltiger Wirtschaft gar nicht so weit von Teilen der deutschsprachigen Opposition entfernt, zum Teil hat man sich parallel zueinander gegen Großprojekte wie den Flughafen oder Umweltzerstörung im hochalpinen Raum eingesetzt. Das Thema der Selbstbestimmung scheint aber ein ideologischer Graben zu sein, der für Teile Ihrer ehemaligen Partei einfach nicht zu übrwinden ist. Warum ist das – Ihrer Meinung nach – so?

 Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht ausgetreten.

Die Grünen sind hier in großem Widerspruch zu ihren (und ihrer grünen Kollegen in Europa) direktdemokratischen Prinzipien! Über alles darf abgestimmt werden, nur über die Sezession nicht – die ist ein Tabu!

Ich denke, das beruht auf einem falsch verstandenen Vertretungsanspruch gegenüber italienischen MitbürgerInnen in Südtirol und auch auf einer gewissen Perspektivlosigkeit, die sich durch zuviel Beschäftigung mit sich selbst ergeben hat.

Die Landeshauptleute von Südtirol und dem Bundesland Tirol beschwören nach wie vor die Europaregion Tirol. Bislang wohl eher einen zahnlosen Tiger, der von der breiten Bevölkerung gar nicht wahrgenommen wird … Nun wird im September Ugo Rossi, der Landeshauptmann des Trentino den Vorsitz über der EVTZ übernehmen, der nicht gerade als Motor für die Gesamttiroler Zusammenarbeit bekannt ist. Wie schaffen wir es, das Trentino dafür zu begeistern?

Im Trentino leben genügend Menschen, die sich auch mit der Sezession beschäftigen.

Die Weiterentwicklung dieses Projektes für ihre Provinz müssen aber vornehmlich sie selbst betreiben. Wir können begeistern, wenn wir die Sezession von ihrem Schreckensszenario, das immer an die Wand gemalt wird, zu befreien verstehen.

 

Herr Baron von Kripp, die letzte Frage: Wo findet ein “grüner Tiroler” wie Sie seine neue politische Heimat?

 Momentan auf meiner Stachlburg in Partschins!

 

Interview: Rupert Gietl

 

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