Jahresrückblick: Nuhr spricht aus, was in Deutschland systematisch verdrängt wird

Nuhr beginnt diese Passage mit einem Satz, der den Rahmen setzt und zugleich benennt, worum es ihm eigentlich geht:
Damit setzt er den Rahmen: Islamismus als Hintergrund – und Gaza-Demos als Bühne im öffentlichen Raum. Dann wird er konkret. Er beschreibt Situationen, die jeder versteht, der in diesem Jahr deutsche Innenstädte und Hochschulen erlebt hat:
Das ist der harte Kern der Passage: Nuhr behauptet nicht nur eine Schieflage im Diskurs, er behauptet ein gesellschaftliches Versagen im Alltag — nämlich dort, wo jüdisches Leben unmittelbar betroffen ist. Das ist die Provokation, die Kabarett darf. Und die als Diagnose einen Nerv trifft: Dass sich das „Moralische“ in Teilen des Aktivismus nicht gegen Gewalt richtet, sondern diese mindestens billigend in Kauf nimmt, sobald das Zielobjekt „Juden/Israel“ lautet.
An dieser Stelle biegt Nuhr in das zweite Thema ein, mit dem er die Logik des Aktivismus karikiert: Er nimmt Greta Thunberg als Symbolfigur einer gut sichtbaren, medial wirksamen Empörungspolitik — und bindet daran die Frage, mit wem man sich einlässt, wenn man „die Sache“ zum Maßstab erklärt und alles andere ausblendet:
Dann folgt eine Passage, in der Nuhr die ideologischen Spannungen innerhalb solcher Bündnisse herausstellt — mit Blick auf Werte, die in westlichen Bewegungen oft als selbstverständlich gelten, aber in islamistischen Milieus gerade nicht:
Nuhr arbeitet hier mit dem, was Kabarett besonders gut kann: die Widersprüche offenlegen, die im öffentlichen Deutungsrahmen oft zugedeckt werden. Und dann dreht er die Perspektive auf die Reaktion westlicher Aktivisten und Medien — und darauf, wie schnell Empörung entsteht, wenn Israel handelt, während andere Realitäten in der Wahrnehmung nicht stattfinden:
Nuhr schiebt danach seine Deutung nach, warum der Konflikt kommunikativ so gut funktioniert — und warum für bestimmte Akteure der Krieg als Bühne nützlich bleibt. Er formuliert das als Polemik, aber mit einer klaren Logik: Der Krieg könnte enden, wird aber nicht beendet, weil er als Propaganda weiterwirkt:
Und er setzt nach mit dem Bild, das in dieser Passage zentral ist: der moralische Bankrott, wenn Waffen, Infrastruktur und Zivilräume zu Instrumenten gemacht werden — und wenn westliche Solidarität an diesem Punkt nicht abbricht, sondern sich umso lauter inszeniert:
Es ging nie um Pro-Palästina
Hier wird Nuhrs Fokus deutlich: Er argumentiert gegen eine westliche Debattenkultur, die für bestimmte Akteure Entschuldigungen produziert — und für andere Akteure Maßstäbe verschärft. Deshalb folgt bei ihm unmittelbar der Satz, der am meisten nachwirkt:
Diese Übertreibung („nie/immer“) ist Kabarett, ja. Aber die Richtung ist eindeutig: Nuhr behauptet, dass ein relevanter Teil der öffentlichen Erregung nicht aus universellem Mitgefühl kommt, sondern aus selektiver Erregbarkeit — und dass genau diese Selektivität in Deutschland zur Normalisierung von Judenfeindlichkeit beiträgt. Er macht das anschließend explizit, indem er das „Weltleid“ aufzählt, das keine vergleichbare Mobilisierung auslöst:
Das ist der argumentative Schlusspunkt der Passage: Selektivität als Beweisstück. Wer konsequent moralisch argumentiert, wäre konsequent empört — unabhängig davon, wer Täter ist. Nuhr behauptet das Gegenteil: Empörung wird dort groß, wo sie einen bestimmten Gegner trifft; dort, wo der Täter nicht „passt“, bleibt es still oder wird relativiert.
Damit steht am Ende nicht die Frage, ob man jede Nuhr-Formulierung unterschreibt, sondern eine viel einfachere: Warum ist es in Deutschland möglich, dass Juden im öffentlichen Raum angefeindet, bedroht und teils körperlich angegangen werden — und dass das in der moralischen Empörungslogik mancher Milieus als „Aktivismus“ durchrutscht? Wer darauf keine Antwort hat, sollte nicht zuerst den Kabarettisten bekämpfen, sondern den Zustand, den er beschreibt.






