Overtourism: Steuert das Land auf ein Limit zu?

Laut ASTAT hat sich der Tourismus in Südtirol seit dem Jahr 2000 massiv ausgeweitet: Ankünfte und Übernachtungen sind stark gestiegen, zuletzt wurden wieder neue Rekordwerte erreicht. In der Summe bedeutet das: sehr viele Gäste im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Ein Wert, der im EU-Vergleich zu den höchsten zählt.
Für Einheimische heißt das nicht, dass „immer überall alles voll“ ist. Aber in Spitzenzeiten und in stark frequentierten Regionen wird der Tourismus für viele in Form von Verkehr, vollen Orten, höherem Preisniveau und einem Gefühl, dass das Land an manchen Tagen „zu eng“ wird, zur Dauerbegleitung.
Eine Studie der Freien Universität Bozen zeigt: Die meisten Südtiroler spüren den Tourismus im Alltag deutlich. Viele bewerten ihn weiterhin positiv wegen Jobs und Wertschöpfung, gleichzeitig werden Verkehr, Wohnraum und Kosten als die größten Probleme genannt. Nur ein kleiner Teil wünscht sich laut der Studie noch mehr Tourismus. Ein großer Anteil sagt hingegen, es sollte weniger werden oder zumindest nicht weiter wachsen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Akzeptanz zwar noch da ist, aber die Toleranzgrenze näher rückt.
Wohnraum: Wenn Wohnungen zu Betten werden
Besonders heikel ist laut den Recherchen das Thema Wohnen. ASTAT hat den Bereich der Kurzzeitvermietung über Online-Plattformen untersucht und dabei eine starke Zunahme festgestellt. Der entscheidende Punkt für Einheimische: Ein großer Teil dieser Angebote sind ganze Wohnungen, die damit dem klassischen Wohnungsmarkt fehlen.
Das hat zwei Folgen:
- Weniger Angebot für Menschen, die hier leben.
- Höhere Preise, weil Wohnraum knapper wird und touristische Vermietung oft mehr abwirft als klassische Miete.
In der öffentlichen Debatte wird das regelmäßig als einer der Hauptgründe genannt, warum gerade junge Menschen und Familien Schwierigkeiten haben, im eigenen Land bezahlbar zu wohnen.
Verkehr: Das sichtbarste Problem
Der stärkste Reibungspunkt im Alltag bleibt der Verkehr. Der Umwelt-Dachverband und auch Medienberichte sprechen davon, dass Straßen und Orte besonders in Spitzenzeiten „überlastet“ sind. Einheimische erleben das als Zeitverlust, Stress und sinkende Lebensqualität, weil der Alltag erschwert wird.
Arbeitsmarkt: Viele Jobs, aber auch neue Probleme
Tourismus schafft Beschäftigung, das wird in Studien und von der Politik immer wieder betont. Gleichzeitig zeigt sich aber eine zweite Seite: Viele Jobs im Tourismus sind saisonal, belastend und im Verhältnis zu den hohen Lebenshaltungskosten oft nicht attraktiv genug. Das verstärkt den Personalmangel und führt dazu, dass Betriebe stärker auf auswärtige Arbeitskräfte angewiesen sind.
Gesellschaftlicher Druck: Akzeptanz wird zur Schlüsselfrage
Die Diskussion ist längst nicht mehr nur „pro oder contra Tourismus“. Es geht um die Frage: Wie viel ist gesund und wer zahlt die Folgen? Während Umwelt- und Heimatverbände seit Jahren vor einer Überlastung warnen, verteidigt die Tourismuswirtschaft den Sektor als Lebensader des Landes. Viele Forderungen aus der Mitte zielen deshalb nicht auf „Tourismus abschaffen“, sondern auf Steuern, Begrenzen und Fairness: weniger Belastung im Alltag, weniger Wildwuchs bei Betten und Ferienwohnungen, bessere Mobilitätslösungen und ein spürbarer Nutzen auch für jene, die nicht direkt im Tourismus arbeiten.
Was tut die Politik und was ist geplant?
1) Bettenobergrenze: Wachstum soll gebremst werden
Die Landespolitik hat eine Bettenobergrenze eingeführt, mit dem Ziel, die Zahl der Gästebetten zu decken und künftiges Wachstum stärker zu steuern. Kritik gibt es trotzdem, weil durch bereits genehmigte Projekte und Nachmeldungen in der Praxis noch zusätzliche Betten hinzukamen. Für Einheimische zählt am Ende weniger die juristische Konstruktion, sondern ob die Maßnahme spürbar Entlastung bringt.
2) Verkehrslenkung: Von Reservierungen bis zu „Slots“
In der Debatte werden zunehmend Reservierungs- und Slot-Systeme genannt, um Spitzen zu glätten, statt dass an bestimmten Tagen alles kollabiert. Auch die Idee von Maut- oder Steuerungsmodellen wird immer wieder diskutiert. Ziel ist weniger „Gäste aussperren“, sondern Spitzen zu managen.
3) Tourismusabgaben: Wer zahlt die Folgekosten?
Ein wachsender Teil der Diskussion dreht sich um Geld: Tourismus verursacht Mehrkosten (z. B. Müll, Kontrollen, ÖPNV, Infrastruktur). Gemeinden wie Bozen haben deshalb eine Anhebung der Ortstaxe beschlossen bzw. diskutiert, um diese Lasten abzufedern. Aus der Opposition kam zudem die Idee einer „Lebensraumabgabe“: Touristen zahlen mehr und Einheimische sollen profitieren, zum Beispiel über ÖPNV-Vorteile oder direkte Rückvergütung. Auch Initiativen wie „Touristen zahlen – Öffis für Einheimische günstiger“ tauchen in der Debatte auf.






