von red 15.12.2025 15:30 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 71)

Erich Eggs Werk Das Handwerk der Uhr- und der Büchsenmacher in Tirol bietet die bislang umfassendste Darstellung zweier für die Tiroler Wirtschafts- und Kulturgeschichte zentraler Handwerke.

Erich Egg, Das Handwerk der Uhr- und der Büchsenmacher in Tirol (Tiroler Wirtschaftsstudien, Bd. 36), Innsbruck 1982.

Das hier zu besprechende Buch Band verbindet technik-, sozial- und wirtschaftshistorische Perspektiven und beschreibt den Entwicklungsbogen vom 16. bis ins späte 19. Jahrhundert. Im ersten Abschnitt steht die Uhrmacherkunst von den frühen Turmuhrmachern über die Blüte der Innsbrucker Klein- und Kunstuhrmacher im 16. und 18. Jahrhundert bis hin zum Niedergang der Kleinuhrmacher im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert im Zentrum des Interesses.

Der zweite Teil widmet sich der Historie der Büchsenmacher – beginnend mit den frühen Handbüchsen aus Eisen, Messing und Bronze, gefolgt von der Professionalisierung der Büchsenmacher im 16. und 17. Jahrhundert, ihrer Hochphase im 18. Jahrhundert, dem noch einmal einsetzenden Aufschwung nach 1815 sowie dem endgültigen Rückgang der handwerklichen Büchsenmacherei im späten 19. Jahrhundert. Abgerundet wird das Werk durch Marken- und Wappentafeln, ein Fotoverzeichnis und ein Personenregister. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

Inhaltsstarke Studie über das Tiroler Handwerk

Erich Egg legt mit diesem Werk eine in ihrer Dichte und Materialfülle mehr als beeindruckende Studie vor, die in der Forschung zur Tiroler Handwerkshistorie bis heute einen kaum ersetzten Referenzpunkt bildet. Das Buch zeigt seine Stärke vor allem darin, zwei Handwerke, die zwar technisch und funktional verschiedenartig, geschichtlich jedoch eng miteinander verbunden sind, in einem gemeinsamen Rahmen zu behandeln. Die Entscheidung, Uhrmacher und Büchsenmacher keinesfalls isoliert, sondern innerhalb derselben wirtschaftlichen und kulturellen Dynamik des Alpenraums zu betrachten, gestattet eine facettenreiche und mannigfaltige Darstellung der Feinmechanik in Tirol.

Die Uhrmacherei

Der erste Hauptteil über die Uhrmacherei entfaltet sich als historischer Bogen, der mit den älteren Turmuhrmachern einsetzt und auf diese Weise jene handwerkliche Grundlage festhält, auf der sich das Kunsthandwerk der Klein- und Kunstuhrmacher im 16. Jahrhundert entwickeln konnte. Deutlich wird, wie Innsbruck zu einem regional beachtenswerten Zentrum der Uhrmacherei heranwuchs; die Darstellung des 17. Jahrhunderts fungiert hierbei als Übergangsphase, in der handwerkliche Traditionen bewahrt, aber zugleich neue technische und ästhetische Impulse aufgenommen wurden.

Besonders ausführlich behandelt Egg die zweite Blüte der Uhrmacherkunst im 18. Jahrhundert, die von einer bemerkenswerten Kombination aus kunsthandwerklichem Anspruch, technischem Innovationsgeist und individueller Meisterschaft geprägt ist. Die barocken Großuhrmacher werden in diesem Zusammenhang als repräsentative Gestalten einer Epoche sichtbar, die die Tiroler Uhrmacherei weit über die Region hinaus bekannt machte. Der Abschnitt über das „Ende der Kleinuhrmacher im 19. Jahrhundert“ ist zugleich ein Beitrag zur europäischen Industriegeschichte: Egg zeigt, wie der Übergang zur maschinellen Serienfertigung die Grundlagen des traditionellen Handwerks erschütterte und die Uhrmacher zunehmend in die Rolle von Reparatur- und Handelsbetrieben drängte.

Das Büchsenmacherhandwerk

Der zweite Hauptteil über das Büchsenmacherhandwerk besitzt eine ebenfalls eine Chronologie und demonstriert parallel dazu die spezifische Dynamik dieses Gewerbes. Ausgehend von den frühen Handbüchsen aus Eisen, Messing und Bronze zeichnet Egg nach, wie sich das Handwerk anfangs aus dem Schlosserberuf heraus entwickelte und im 16. Jahrhundert zunehmend professionalisiert wurde. Die Ausbreitung und Spezialisierung im 17. Jahrhundert erscheint als logische Folge sozialer und militärischer Entwicklungen, die den Bedarf an qualitativ hochwertigen Feuerwaffen steigerten.

Die „große Zeit der Büchsenmacher im 18. Jahrhundert“ nimmt im Buch einen wesentlichen Platz ein und zeigt klar auf, dass Tirol in diesem Zeitalter zu einem bekannten Produktionsraum hochwertiger Waffen – insbesondere der bekannten Tiroler Stutzen – aufstieg. Der „letzte Aufschwung“ nach 1815 wird mit politisch-militärischen Veränderungen und einer vorübergehenden Stabilisierung der Nachfrage verbunden, bevor die handwerkliche Büchsenmacherei endgültig unter dem Druck industrieller Fabrikation zusammenbrach. Die abschließenden Jahrzehnte werden mit beachtenswerter Detailfülle beschrieben; Egg zeigt keinesfalls nur technische Entwicklungen, sondern auch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen der Handwerker sowie den Wandel von handwerklicher Einzelherstellung zu industriellen Strukturen.

Zahlreiche Abbildungen, Marken- und Wappentafeln

Dem Werk kommt besondere Wichtigkeit zu, weil es mit einer großen Zahl an Bildern, Marken- und Wappentafeln sowie einer durchdachten und systematischen Dokumentation von Werkstätten und Einzelmeistern ausgestattet ist. Diese Materialien machen das Buch für die museale und technikgeschichtliche Forschung ebenso wertvoll wie für Archiv- und Regionalstudien. Methodisch arbeitet Egg größtenteils quellenorientiert und empirisch; interpretative, sozialhistorisch vertiefte oder kulturtheoretische Ansätze stehen weniger im Vordergrund, was dem Werk gelegentlich eine stärker beschreibende als untersuchende Struktur verleiht. Dessen ungeachtet gelingt ihm eine klar strukturierte Verortung der Handwerke innerhalb der ökonomischen Transformationen und politischen Zäsuren der Frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts.

Fazit und Schlusswürdigung

Alles allem legt der Autor eine quellengesättigte, sauber gegliederte und visuell reich ausgestattete Analyse vor, die durch ihre chronologische Klarheit und regionale Akribie überzeugt. Das Buch bildet einen angesehenen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zur Technik- und Wirtschaftsgeschichte Tirols, und auch aus heutiger Sicht bleibt es eine unverzichtbare Referenz für die Bekanntmachung der Uhrmacher- und Büchsenmachertraditionen im Alpenraum.

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Erich Egg, Das Handwerk der Uhr- und der Büchsenmacher in Tirol (Tiroler Wirtschaftsstudien, Bd. 36), Innsbruck 1982.

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