von gk 14.12.2025 17:30 Uhr

„Ich mache dir das Blut rot, weiß und grün“

Am 27. Juli 1961 legte der verhaftete und wieder frei gelassene Hermann Kofler aus Tramin sein erlittenes Martyrium für die Südtiroler Volkspartei in einem Protokoll schriftlich nieder.

Südtiroler Freiheitskämpfer in Ketten (Bild: Effekt Verlag)

Er war verhaftet worden, man konnte ihm jedoch nichts nachweisen und musste ihn wieder freilassen. Kofler gab zu Protokoll:

„Ich, unterfertigter Hermann Kofler, gebe zur Untersuchungshaft beziehungsweise zu den Verhören in der Carabinierikasernen in Eppan folgende Erklärung ab. Am 19. Juli wurde ich gegen Mitternacht von zu Hause abgeholt und nach Eppan gebracht. Oberleutnant Vilardo nahm mich als erster mit den Worten in Empfang: ‚Adesso viene uno proprio con me‘ (Jetzt kommt der richtige für mich). Nach ein paar richtigen Ohrfeigen mit der flachen Hand stieß er mich noch mit dem Kopf an die Wand und sagte: ‚Wieviel Geld hast du erhalten?‘ Auf meine verneinenden Antworten bekam ich ungefähr eine Viertelstunde lang Ohrfeigen. Nun wurde ich in den zweiten Stock geführt, wo ich die Beine zusammenhalten mußte, die Hände hochstrecken, worauf mir ein Brigadier den Rückkragen in die Höhe stülpte und verschloß. Nachdem Papier in die Schreibmaschine eingespannt worden war, sagte der Verhörende, Dr. Widmoser sei in Meran bereits sichergestellt, er habe einiges bekannt, es sei darum bereits alles bekannt und ich möge darum gestehen. Auf meine verneinenden Antworten bekam ich jedesmal Ohrfeigen. Diese Art und Weise von Verhör ging ungefähr zwei bis drei Stunden ohne Unterbrechung weiter.

Nachdem man mir vorher den Gebrauch der deutschen Sprache verboten hatte, wurde ich meinem Freund Luis Gutmann, ebenfalls aus Tramin, gegenübergestellt. Nun fragte man mich, ob ich in Weißenstein gewesen sei. Ich bejahte die Frage. Ob ich mit Gutmann Luis, Kofler Oswald und Steinegger Luis dort gewesen sei, war nun die nächste Frage. Ich erwiderte „Nein, mit meiner Frau, und zwar im vorigen Jahr“.

Nun bekam ich wieder Ohrfeigen mit der Bemerkung: „Ti faccio venir il sangue da una parte rosso, in mezzo bianco e dall’altra verde“ („Ich mach’ dir das Blut von einer Seite rot, von der Mitte weiß und von der anderen Seite grün kommen“). (Anm.: Das sind die Farben der italienischen Tricolore.)

Gutmann Luis sagte zuerst auf deutsch, dann auf italienisch, er möge alles sagen, was ich weiß, denn sie wüßten bereits alles. Ferner sagte er, er habe dem Hauptmann schon gesagt, daß ich unschuldig sei. Nun wurde ich wieder in eine Wachstube gebracht, am Donnerstag wiederum verhört, am Freitag wurde ich dann nochmals unter Anwendung derselben Mißhandlungen ungefähr eineinhalb Stunden verhört. Am gleichen Tag wurde ich gefesselt mit anderen Häftlingen nach Bozen gebracht. Während ich übrigens in das Gefängnis in die Dantestraße eingeliefert wurde, brachte man mich und Zwerger Albin nach Gries, wo wir durch den Staatsanwalt Dr. Castellano verhört wurden. Ich bestätigte dabei die bereits gemachten Angaben des ersten Protokolls und wurde dann in das Gerichtsgefängnis eingeliefert.

Durch das Zusammentreffen mit den anderen Inhaftierten in Eppan, in Gries und Bozen konnte ich ganz besonders durch Zwerger Albin, mit dem ich mehr zusammen war, aber auch von Gutmann Luis und Steinegger Luis, folgende Einzelheiten der erlittenen Behandlung erfahren

Zwerger Albin wurde nackt mit dem Rücken zur Tischfläche auf einen Tisch gelegt. Hände und Beine wurden an die Tischfüße festgebunden. Nun wurde er mit Fäusten geschlagen, die Haare an den Geschlechtsteilen wurden ihm einzeln ausgerissen, mit brennenden Zigaretten wurde er an verschiedenen Teilen des Körpers verbrannt. Die Mißhandlung ging einige Stunden weiter, und als er bereits nahe am Bewußtlossein war, wurde ihm noch irgendeine scharfe Säure vor die Nase gehalten. Inzwischen wurde ihm Thaler Viktor vorgeführt, der sagte, er möge eingestehen, es sei ohnehin schon alles bekannt. Nachdem Zwerger weiterhin leugnete, wurde er mit kurzen Unterbrechungen weitergefoltert, bis er endlich nicht mehr die Widerstandskraft besaß, weiter durchzuhalten und eingestand.

Steinegger Alois beklagte sich besonders über die in die Nieren erhaltenen Schläge und berichtete, daß man ihn dreimal gänzlich bewußtlos fortgetragen hatte.

Kerschbaumer Josef hingegen sagte, daß er auf die gleiche Weise ohne Unterbrechung 18 bis 19 Stunden mißhandelt worden sei, bis er ein Geständnis ablegte.

Alle Inhaftierten machten sich gegenseitig keinen Vorwurf wegen der gemachten namentlichen Aussagen, weil sie ja alle samt und sonders dieselben Mißhandlungen über sich ergehen lassen mußten, bevor sie ein Geständnis ablegten.“

gez.Hermann Kofler

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter-Tod-Erniedrigung. Südtirol 1961-1969. Edition Südtiroler Zeitgeschichte: Deutschland: Druckerei Brunner. 2009. ISBN: 978-3-941682-00-9.

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