von mag 21.10.2025 10:54 Uhr

Aufstand im Kloster: Wenn Bauern die Mächtigen herausfordern

Vor 500 Jahren bebte Tirol. Tausende verzweifelte Bauern erhoben sich gegen ihre Unterdrücker, stürmten Adelsburgen und plünderten Klöster. Mittendrin: das Augustiner Chorherrenstift Neustift bei Brixen. Die Ausstellung „Empörung! Kloster Neustift im Bauernaufstand 1525″, die noch bis Ende Oktober läuft, erzählt diese explosive Geschichte – und schlägt dabei überraschende Brücken in die Gegenwart. UT24 hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

Eine Reise in die dramatischen Tage des Bauernaufstands 1525 – Die Ausstellung in Neustift lässt Geschichte lebendig werden (Bild: UT24/mag).

Als das Volk die Geduld verlor

9. Mai 1525: Die Kirchenglocken läuten Sturm. Auf der Millander Au bei Brixen versammeln sich rund 5.000 wütende Bauern und Bürger. Ihr Ziel: den Fischer Peter Pässler aus Antholz zu retten, dem Bischof Sebastian Sprenz wegen „Absage“ – einer Art privater Kriegserklärung – nach dem Leben trachtet. Dem Fischer war das erbliche Fangrecht entzogen worden, woraufhin er sich gegen die Ungerechtigkeit des Bischofs zur Wehr setzte.

Die Menge befreit den zum Tode Verurteilten im letzten Moment vor der Hinrichtung. Was folgt, ist eine Welle der Empörung: Zunächst plündern die Aufständischen in Brixen die Häuser der Adeligen und Geistlichen. Wenige Tage später, Mitte Mai, fällt das wohlhabende Kloster Neustift. Mehrere Tage lang wird es geplündert, Wein und Vorräte geraubt, kirchliche Schätze beschlagnahmt. Neustift wird zum Symbol: Hier zeigen einfache Leute, dass sie sich nicht länger ausbeuten lassen wollen.

Michael Gaismair – vom Schreiber zum Revolutionär

In der Engelsburg von Neustift erzählt die Ausstellung anhand von Schautafeln, Installationen und Originaldokumenten die packende Geschichte eines Mannes, der zum Gesicht dieser Rebellion wurde: Michael Gaismair. Geboren als Sohn einer Bergbauernfamilie in Sterzing, machte er zunächst Karriere in der Verwaltung – als Schreiber des Landeshauptmanns, später als Sekretär des Fürstbischofs von Brixen.

Ausgerechnet bei dieser Arbeit erhielt Gaismair Einblick in den Rechtsstreit zwischen Bischof Sprenz und Peter Pässler. Die Ungerechtigkeit, die er dort dokumentieren musste, öffnete ihm die Augen. Als die Bauern revoltierten, wechselte er die Seiten. Auf einem Feld in Milland wurde er von den Aufständischen zu ihrem Anführer gewählt. Bei der Schmiede in Neustift trug er den versammelten Aufständischen einen Forderungskatalog vor – Forderungen, die revolutionär waren: die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Verhältnisse, mehr Mitbestimmung, die Begrenzung der weltlichen Macht der Kirche.

  • Die Ausstellung ist Teil des Euregio-Museumsjahres 2025, bei dem 31 Museen in Tirol, Südtirol und dem Trentino den 500. Jahestag des Bauernaufstands zum Anlass nehmen, über soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Veränderung nachzudenken (Bild: UT24/mag).
  • Die Ausstellung ist Teil des Euregio-Museumsjahres 2025, bei dem 31 Museen in Tirol, Südtirol und dem Trentino den 500. Jahestag des Bauernaufstands zum Anlass nehmen, über soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Veränderung nachzudenken (Bild: UT24/mag).
  • Die Ausstellung ist Teil des Euregio-Museumsjahres 2025, bei dem 31 Museen in Tirol, Südtirol und dem Trentino den 500. Jahestag des Bauernaufstands zum Anlass nehmen, über soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Veränderung nachzudenken (Bild: UT24/mag).
  • Die Ausstellung ist Teil des Euregio-Museumsjahres 2025, bei dem 31 Museen in Tirol, Südtirol und dem Trentino den 500. Jahestag des Bauernaufstands zum Anlass nehmen, über soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Veränderung nachzudenken (Bild: UT24/mag).

Ein Traum von Gerechtigkeit – 500 Jahre zu früh?

Was Gaismair forderte, klingt heute selbstverständlich. Damals war es Hochverrat. Seine spätere „Tiroler Landesordnung“ von 1526 war nichts weniger als der Entwurf einer demokratischen Republik – Jahrhunderte bevor solche Ideen in Europa Wirklichkeit wurden.

Erzherzog Ferdinand I. war ein geschickter Taktierer. Zunächst berief er einen Landtag nach Innsbruck ein und machte Zugeständnisse, spielte aber auf Zeit. Als aus Deutschland immer mehr Nachrichten eintrafen, dass dortige Bauernaufstände blutig niedergeschlagen wurden, änderte er seine Strategie. Gaismair, der sich zunächst nicht nach Innsbruck wagte, wurde im Herbst 1525 unter einem Vorwand in die Stadt gelockt – und dort sofort inhaftiert. Nach seiner Flucht ging Ferdinand brutal gegen die Bauern vor. Die Versprechen von Straffreiheit wurden gebrochen, hunderte Menschen hingerichtet oder eingesperrt.

Gaismair gelang die Flucht in die Schweiz, später wurde er Condottiere der Republik Venedig. Doch seine Vision einer gerechteren Gesellschaft kostete ihn letztlich das Leben. 1532 wurde er in Padua im Auftrag der Habsburger ermordet. Peter Pässler ereilte ein ähnliches Schicksal: 1527 wurde der Fischer, auf dessen Kopf Ferdinand 200 Gulden ausgesetzt hatte, im Friaul von einem ehemaligen Weggefährten verraten und getötet.

Noch bis Ende Oktober zu sehen

Die Ausstellung „Empörung! Kloster Neustift im Bauernaufstand 1525″ läuft noch bis zum 31. Oktober 2025. Sie findet hauptsächlich in der Engelsburg statt, die ohne Eintritt zugänglich ist. Die ergänzende Sektion im Stiftsmuseum ist im regulären Museumsticket inkludiert. Öffnungszeiten: täglich außer sonntags von 10 bis 17 Uhr.

Unser Fazit: Diese Ausstellung ist mehr als ein historischer Rückblick. Sie ist eine Einladung zum Nachdenken über Gerechtigkeit, Macht und Widerstand – Themen, die heute genauso aktuell sind wie vor 500 Jahren. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die verstehen wollen, woher unsere demokratischen Werte kommen – und wie hart dafür gekämpft werden musste.

  • Eine Installation von Elisa Grezzani und Lorenz Masé zeigt im beeindruckenden Format von 250 x 600 cm imaginäre Szenen des Bauernaufstandes (Bild: UT24/mag).
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