von Alexander Wurzer 27.09.2025 09:00 Uhr

Deutsch in Gefahr: Alarmierende Zustände an deutschen Bildungsstrukturen

Die deutsche Sprache in Südtirols Schulen und Kindergärten steht unter massivem Druck. Das zeigt eine aktuelle Landtagsanfrage von Jürgen Wirth Anderlan, deren Antwort die Landesregierung nun offengelegt hat. Bildungslandesrat Philipp Achammer musste dabei Zahlen vorlegen, die ein deutliches Bild zeichnen: In mehreren deutschsprachigen Einrichtungen liegt der Anteil an Kindern ohne italienische Staatsbürgerschaft bereits bei über zwei Dritteln.

APA (dpa)

Diese Statistik ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn jene italienischen Kinder, die kein oder kaum Deutsch sprechen, aber dennoch in deutsche Kindergärten oder Schulen eingeschrieben werden, scheinen in dieser Erhebung nicht auf. Sie fallen durch das Raster – und damit ist der tatsächliche Anteil jener Kinder, die der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen können, deutlich höher, als die offiziellen Zahlen vermuten lassen.

Dramatische Lage in Kindergärten

Besonders deutlich zeigt sich die Entwicklung in den deutschsprachigen Kindergärten. In Meran erreicht der Kindergarten Fröbel mit 71,4 Prozent den höchsten Wert im Land. Auch der deutsche Kindergarten in Waidbruck ist mit 68,2 Prozent betroffen. In Bozen weist der Kindergarten Weggensteinstraße einen Anteil von 47,7 Prozent auf, in Meran der Kindergarten Cavourstraße exakt 50 Prozent, während im Kindergarten Dolomiten in Bozen 45 Prozent der Kinder keine italienische Staatsbürgerschaft besitzen.

In diesen Einrichtungen ist Deutsch längst nicht mehr die gemeinsame Alltagssprache. Viele Kinder kommen ohne jegliche Deutschkenntnisse in den Kindergarten. Pädagogen müssen zuerst sprachliche Grundlagen vermitteln, bevor überhaupt an geregelten Unterricht oder gezielte Förderung zu denken ist. Die Folge ist ein deutlicher Qualitätsverlust. Deutsch wird zur Fremdsprache im eigenen Haus, und jene Kinder, die eigentlich in einem deutschen Umfeld lernen sollten, verlieren das sprachliche Fundament, das sie bräuchten.

Auch an Schulen verschärft sich die Situation

Das Problem setzt sich in den Grundschulen nahtlos fort. In Waidbruck sind 52,6 Prozent der Schüler ohne italienische Staatsbürgerschaft, in Franzensfeste 47,6 Prozent. In Meran, an der Grundschule Schweitzer, liegt der Anteil bei 46,2 Prozent, in Karneid-Blumau bei 46,7 Prozent. Selbst in Bozen, an der Grundschule E. F. Chini, wird die 35-Prozent-Marke deutlich überschritten.

An vielen Standorten sind deutsche Schüler in der Minderheit. Lehrer berichten, dass regulärer Unterricht kaum mehr möglich ist. Statt systematischem Lernen dominieren Sprachförderung, Wiederholungen und Übersetzungen. Oft geht es nur mehr darum, überhaupt verstanden zu werden.

Die Statistik täuscht – das Problem ist noch größer

Die offizielle Erhebung berücksichtigt ausschließlich Kinder ohne italienische Staatsbürgerschaft. Sie zeigt also nur jene, die formell als Ausländer gelten. Nicht erfasst sind Kinder mit italienischem Pass, deren Familiensprache nicht Deutsch ist und die keine ausreichenden Sprachkenntnisse besitzen.

Diese Lücke ist entscheidend. In vielen Klassen sind gerade diese Kinder die größte sprachliche Herausforderung. Sie erhöhen die Belastung für Lehrer und Mitschüler, ohne in der Statistik aufzuscheinen. Die tatsächliche Zahl jener, die dem Unterricht kaum folgen können, ist also erheblich größer als die veröffentlichten Werte nahelegen.

Lehrer, Eltern und Direktoren schlagen Alarm

Aus Schulen und Kindergärten kommen seit Jahren deutliche Warnungen. Lehrer berichten von ständig wachsender Überforderung, Eltern sorgen sich um die Lernqualität ihrer Kinder, Direktoren sehen sich mit Strukturen am Limit konfrontiert. Dennoch bleibt die politische Reaktion verhalten. Statt Lösungen gibt es Beschwichtigungen, statt klarer Schritte bloße Appelle.

Während die Lage an der Basis immer angespannter wird, scheint die Landespolitik im Verwaltungsmodus zu verharren. Integrationsprojekte und Pilotmaßnahmen mögen gut gemeint sein, doch sie können das strukturelle Problem nicht lösen: Ohne solide Deutschkenntnisse aller Kinder verliert die deutsche Schule ihre Grundlage.

Ein Weckruf, der nicht überhört werden darf

Die Antwort auf Wirth Anderlans Anfrage ist mehr als eine Statistik – sie ist ein Alarmsignal. In immer mehr deutschen Kindergärten und Schulen kippt das sprachliche Gleichgewicht. Deutsch ist vielerorts nicht mehr selbstverständlich, sondern unter Druck. Und weil die Statistik jene Kinder, die italienisch sprechen, aber kein Deutsch können, nicht erfasst, ist die tatsächliche Situation noch weit dramatischer.

Wenn die Politik jetzt nicht handelt, droht die deutsche Sprache in Südtirols Bildungseinrichtungen Schritt für Schritt zu verschwinden – leise, aber unaufhaltsam. Es geht um mehr als Zahlen. Es geht um das Überleben der deutschen Schule und damit um einen zentralen Pfeiler der Südtiroler Autonomie. Wer jetzt wegschaut, wird später nicht mehr sagen können, er habe es nicht gewusst.

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