Römische Marionetten

Der verpatzte Coup
Vor einigen Monaten wurde eine Maßnahme angekündigt, die weitreichend hätte sein können: Bis zu 6.000 Airbnb-Wohnungen sollten ihre Lizenz verlieren und so dem regulären Mietmarkt zugeführt werden. Ein klarer Schritt gegen Wohnungsnot, gegen steigende Mieten, gegen Ferienwohnungsprofiteure. Ein Schritt, der normal denkenden Bürgern Vorteile gebracht hätte – Wohnraum, der für Einheimische verfügbar ist.
Doch was geschah? Wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt wurde diese Idee fallengelassen, kurz bevor sie wirksam geworden wäre. Der Grund: Rom droht mit dem Verfassungsgericht. Mit juristischen Tricks und Parlamentarierdrohungen. Man erklärte schlicht, das Land habe gar nicht die Zuständigkeit, in diesem Bereich Gesetze zu erlassen – eine klassische „Kompetenzüberschreitung“, wie sie das Verfassungsgericht schon so oft herangezogen hat, wenn Südtirol den Versuch wagt, eigenständig zu handeln.
Was hätte sein können
Was hätte geschehen können, wenn die ursprüngliche Version des Gesetzes durchgekommen wäre? Tausende Wohnungen, die derzeit in den Klauen der Ferienvermietung und der touristischen Ausbeutung gefangen sind, hätten den Weg zurück in den regulären Mietmarkt gefunden. Damit wäre endlich echter Druck vom Wohnungsmarkt genommen worden – die Mieten hätten sich entspannt, normale Menschen hätten wieder eine Chance auf ein Dach über dem Kopf gehabt, nicht nur jene mit dem dicksten Geldbeutel. Es wäre ein klares Signal gewesen, dass Südtirol nicht länger ein reiner Preis- und Profitspielplatz ist, sondern dass Rücksicht auf die Bevölkerung und ihre elementaren Bedürfnisse genommen wird. Politik hätte damit einmal bewiesen, dass sie tatsächlich für die Bürger gemacht ist, nicht für warme Worte und symbolträchtige Festakte. Und es wäre ein Beispiel dafür gewesen, wie Autonomie wirklich wirken kann: lokal, konkret, sozial.
SVP: Hörig und opportunistisch
Wer hätte gedacht, dass die SVP jemals so tief sinken würde? Diese Partei, die jahrzehntelang betonte, sie sei der unbequeme Verteidiger der Autonomie, des Minderheitenschutzes und der lokalen Interessen gegenüber Rom, präsentiert sich heute als willfähriger Erfüllungsgehilfe der Zentralregierung.
Die SVP holt sogar staatliche Regierungsparteien ins Boot, jammert vor Rom, argumentiert über Zuständigkeiten, über Kompetenzen, während Menschen auf der Strecke bleiben. Während junge Familien, Pendler und Menschen mit mittlerem Einkommen täglich in Südtirol leben und arbeiten, aber keine Eigentumswohnungen finden oder horrende Mieten zahlen müssen, erleben sie eine Politik, die statt Lösungen nur Theater bietet.
Dass diese Volkspartei, die einmal ein Bollwerk gegen Zentralismus war, heute das Zentralistische hofiert, ist ein Armutszeugnis. Dass sie, um einer höchst umstrittenen Autonomiereform willen – so heißt es – bereit ist, grundlegende Verbesserungen zurückzunehmen, bedeutet nichts anderes, als die Interessen der Bevölkerung hintanzustellen, um in Rom besser dazustehen.
Rom: Der starke Mann in Bozen
Interessant, wer hier die Fäden zieht. Nicht Südtirols Landtag, nicht die lokalen Bedürfnisse, sondern Rom – drohend, intervenierend, gesetzgeberisch prüfend. Zuständigkeitsverletzungen, Wettbewerbsrecht, unternehmerische Freiheit: All jene juristischen Schlagworte, die Rom, aus hundert Gründen, heranzieht, wenn etwas lokal Positives droht.
Die Autonomie – einst Instrument, das Leben in Südtirol zu verbessern – mutiert mehr und mehr zum Feigenblatt. Ein Banner, das schwingt, wenn Festakte oder Wahlkampf es erfordern, während hinter den Kulissen Entscheidungen fallen, die die Autonomie entleeren. Zuständigkeiten werden juristisch begrenzt, Handlungsspielräume abgemessen und gebremst.
Die Autonomiereform: Wessen Reform?
Beispielsweise wird behauptet, die neue Reform des Autonomiestatutes sei notwendig, bedeutsam – gar dringend. Doch für wen? Für große Worte in Rom, für Prestige in Parlamenten, für politische Karrierewege. Für den Normalbürger? Fehlanzeige.
Denn während eifrig an einer Reform des Autonomiestatutes gebastelt wird, von der der Normalbürger keine positiven Effekte spüren wird, bleiben die wirklich drängenden Probleme wie Wohnungsnot und explodierende Mietpreise ungelöst. Oder noch schlimmer: wird entschärft, damit es Rom nicht stört. Damit keine Klage kommt. Damit man vom Verfassungsgericht nicht angezählt wird.
Die SVP, Partner sonniger Selfies mit Staatspräsidenten, Partner von Regierungsparteien in Rom – aber Partner der Bürger? Davon kann kaum noch die Rede sein.
Eine Ohrfeige für Entscheidungsfähigkeit
Was ist eine Demokratie, wenn die Mehrheit im Landtag vor einem weit entfernten Zentrum einknickt, sobald die eigene Macht bedroht scheint? Was ist Autonomie wert, wenn sie der Römischen Justiz oder dem Staatminister unterworfen wird – notfalls mit dem Richterhammer?
Diese Entscheidung, diesen Rückzieher, kann man als eine Watschen bezeichnen – eine Ohrfeige ins Gesicht derjenigen, die glauben, in Bozen entscheide man für Südtirol, für Südtiroler. Wer leistbares Wohnen erwartet hat, wer auf eine entschiedene Politik gehofft hat, sieht: Es war viel Rauch, doch wenig Feuer.
Südtirols Politik muss sich fragen lassen: Furcht vor Rom – oder Opportunismus? Verantwortungsgefühl – oder politisches Kalkül?
Die Antwort wird nicht in Rom gegeben werden. Sie wird hier gegeben – durch uns, durch die Betroffenen. Und sie wird sein: Wir wollen keine Autonomiereform, die uns nichts bringt. Wir wollen Entscheidungen. Wir wollen Wohnungen. Wir wollen, dass endlich jemand den Mut hat, Rom die Stirn zu bieten – nicht zu kuschen.






