Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 63)

Dabei betrachtet er das Denkmal nicht nur als architektonisches Objekt, sondern auch als umkämpftes politisches Symbol. Pardatscher arbeitet die komplexe Verflechtung von Architektur, Ideologie und Identität in einem mehrsprachigen, historisch belasteten Raum wie Südtirol präzise heraus. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.
Sensibler Blick für heikle Thematik
Pardatscher nähert sich dem Siegesdenkmal in Bozen mit einem wissenschaftlich fundierten und zugleich sensiblen Blick. Bereits die Einleitung betont die Notwendigkeit, Denkmäler nicht nur als historische Artefakte, sondern als aktive Teilnehmer im gesellschaftlichen Diskurs zu verstehen. Er verortet das Denkmal in einem Spannungsfeld zwischen nationalstaatlicher Selbstdarstellung, faschistischer Ideologie und lokaler Identitätspolitik.
Guter Aufbau erleichtert die Lesbarkeit
Der Autor gliedert sein Werk in drei große Abschnitte: In detaillierter Archivarbeit rekonstruiert Pardatscher die politischen, architektonischen und organisatorischen Hintergründe des Denkmals. Besonders aufschlussreich sind die Kapitel zur Spendensammlung, zur Rolle der Denkmal-Kommission sowie zum Einfluss des Architekten Marcello Piacentini. Deutlich wird, dass das Denkmal von Beginn an als Ausdruck des italienischen Sieges über Österreich-Ungarn (und somit über die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung Südtirols) konzipiert war.
Ikonologische Untersuchung
Die ikonologische Analyse zeigt, wie die Bauelemente – etwa der Triumphbogen, die römischen Rutenbündel (Fasci) sowie Skulpturen und Inschriften – die faschistische Ideologie verkörpern. Pardatscher stellt die künstlerischen Details in einen politischen Kontext, ohne in ideologische Polemik zu verfallen.
Von der Einweihung bis in die Gegenwart
Der längste und wohl eindrucksvollste Teil des Buches widmet sich der Geschichte des Umgangs mit dem Denkmal. Die Bandbreite reicht von der Einweihung im Jahr 1928, über die Instrumentalisierung durch Faschisten und Nationalsozialisten, und Anschläge in den 1970er-Jahren  bis zur symbolischen „Entschärfung“ durch das langsame Entsymbolisierung in den Jahren 1998 bis 2001. Besonders gut gelungen ist die Darstellung der kontroversen Rolle der Südtiroler Volkspartei und der Veränderung ihrer politischen Haltung gegenüber dem Denkmal.
Pardatschers Werk zeichnet sich durch hohe Quellenkenntnis, methodische Klarheit und stilistische Präzision aus. Es verbindet lokalgeschichtliche Tiefe mit europäischer Perspektive. In seiner Schlusspassage fordert der Autor nicht die Entfernung, sondern die historisch bewusste Kontextualisierung des Denkmals – ein Plädoyer für einen reifen Umgang mit schwieriger Geschichte.
Fazit
Das Siegesdenkmal in Bozen ist ein Standardwerk zur politischen Erinnerungskultur in Südtirol. Es eignet sich sowohl für (Zeit-)Historiker als auch für politisch und kulturell interessierte Leser. Pardatscher zeigt eindrücklich, dass Denkmäler keine stummen Steine sind, sondern laute Zeugen der Vergangenheit – und ihrer Gegenwart.
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Thomas Pardatscher: Das Siegesdenkmal in Bozen. Entstehung, Symbolik, Rezeption, Bozen 2002.






