Cortina – ein Blick in Südtirols Zukunft?

Die Aufzählung von Matteo Giorgio Rosa klingt wie ein Totengesang auf Cortina: Wiesen, die wuchern wie Gestrüpp. Eine Schwimmhalle, die seit Jahren wie ein Mahnmal geschlossen daliegt. Das Tourismusbüro – erbärmlich ausgestattet, mit kaum mehr als ein paar Zetteln, seit heuer nicht einmal mehr mit Fahrplänen. Kein Überblick über Angebote, keine nützlichen Hinweise zu Ärzten oder Dienstleistern. An den Bushaltestellen fehlen die Fahrpläne fast überall; Gäste stehen im Regen, während der Bus vielleicht zwei Stunden später kommt.
Und das Ortsbild? Verfallene Hotelruinen seit Jahrzehnten mitten im Zentrum. Dazu Großbaustellen mitten im August – genau dann, wenn Gäste da sind. Und als wäre das nicht genug, werden die Revisionen der Aufstiegsanlagen ebenfalls mitten im Hochsommer angesetzt. Eine weitere „Glanzleistung“.
Das Kulturprogramm? Langweilige Veranstaltungen, zugeschnitten fast ausschließlich auf Senioren. Junge Leute suchen Cortina längst nicht mehr auf – warum auch, wenn alles, was Lebendigkeit versprach, gestrichen wurde. Rosas Schlussfolgerung ist bitter, aber folgerichtig: „Cortina ist irreparabel ruiniert.“
Das bittere Vorbild für Südtirol
Wer glaubt, das sei ein Einzelfall, täuscht sich. Südtirols Hotspots sind längst auf dem gleichen Weg. In den Zwischensaisonen versinken sie in Finsternis: Lokale und Geschäfte verriegelt, Dörfer wie ausgestorben. Es ist das Resultat des Heimat-Ausverkaufs – Ferienwohnungen statt Wohnungen für Einheimische, Luxusimmobilien für Investoren statt leistbarer Lebensraum für Familien. Wer hier geboren ist, zieht weg. Was bleibt, sind Bettenburgen, Zweitwohnsitze und eine leere Hülle.
Politik und Wirtschaft reden gegenwärtig von Wohnraumprogrammen und Bodenpolitik. Doch die Wirkung? Frühestens in Jahren, eher in Jahrzehnten. Bis dahin droht, was Rosa für Cortina konstatiert: das Ende einer lebendigen Gemeinde.
Ein schwarzer Sommer im Handel
Der Handel in Südtirol steckt mitten in einem „schwarzen Sommer“. Kaufleute klagen über ausbleibende Kundschaft, über schwache Umsätze, über die Schuld der Umstände. Doch Hand aufs Herz: Wer jahrelang die Preise ins Absurde gesteigert hat, trägt selbst Mitschuld am Desaster.
Viele Geschäfte haben sich bequem darauf verlassen, dass Touristen ohnehin zahlen – koste es, was es wolle. Für Einheimische sind viele Läden längst unleistbar geworden, und auch Gäste lassen sich nicht mehr wie naive Weihnachtsgänse ausnehmen. Sie vergleichen, sie merken, dass dieselben Waren anderswo deutlich günstiger zu haben sind, und sie drehen Südtirol den Rücken zu.
Dass Kaufleute nun jammern, wirkt daher heuchlerisch. Wer sich selbst den Boden unter den Füßen wegreißt, darf sich nicht wundern, wenn er ins Leere stürzt. Die Wahrheit ist bitter: Nicht nur Großinvestoren, auch Teile des heimischen Handels haben am Ausverkauf der Heimat kräftig mitverdient – und sind dabei, sich damit ihre eigene Zukunft zu ruinieren.
Der Abstieg ist vorprogrammiert
Verkehr, Preise, Stillstand in den Nebensaisonen – all das hat in Südtirol längst Ausmaße erreicht, die an Cortina erinnern. Was Rosa beschreibt, ist kein ferner Albtraum, sondern ein Spiegel. Cortina ist nur ein paar Schritte voraus.
Die Wahrheit ist unbequem: Wenn Südtirol weiter nur auf Masse setzt, verliert es nicht nur seine Bewohner, sondern auch seine Gäste. Denn ein Ort ohne Seele, ohne Leben abseits der Hochsaison, ist nichts weiter als eine Kulisse.
Cortina zeigt, wie man eine Perle der Alpen zugrunde richtet. Südtirol täte gut daran, diese Warnung nicht zu überhören – sonst stehen wir in wenigen Jahren am selben Abgrund.






