Italiener fluten den Südtiroler Wohnungsmarkt

Täglich erscheinen neue Gesuche – direkt, dringlich, entschlossen. Gesucht wird in Bozen, Meran, Bruneck, Brixen, aber auch in kleineren Gemeinden. Viele bringen bereits Arbeitsverträge mit, oft aus dem öffentlichen Sektor, und sind bereit, tief in die Tasche zu greifen.
Zuzugszahlen erreichen Rekordniveau
Dass dieser Eindruck nicht täuscht, belegen auch aktuelle Zahlen. Laut Angaben der Süd-Tiroler Freiheit haben im Jahr 2024 exakt 4.361 Personen ihren Wohnsitz aus anderen italienischen Regionen nach Südtirol verlegt – so viele wie noch nie zuvor. In den vergangenen zehn Jahren waren es insgesamt 28.404 Menschen. Der Trend zeigt klar nach oben – eine Entwicklung, die längst spürbare Auswirkungen hat.
Einheimische haben das Nachsehen
Mit der steigenden Nachfrage steigt auch der Druck auf den Mietmarkt. Südtiroler Familien, Berufseinsteiger, junge Paare und Alleinerziehende haben kaum noch Chancen, leistbaren Wohnraum zu finden – selbst in abseits gelegenen Tälern. Wer keine Wohnung geerbt hat oder auf geförderten Wohnbau hoffen kann, steht in direkter Konkurrenz zu einer stetig wachsenden Zahl zuziehender Italiener. Der Wohnungsmarkt ist faktisch überhitzt – in vielen Gemeinden bereits kollabiert.
Kulturelles Gleichgewicht in der Schieflage
Der Mangel an Wohnraum ist aber nicht nur ein soziales Problem. Die zunehmende Zuwanderung wirkt sich auch auf das kulturelle und sprachliche Gleichgewicht im Land aus. Mit jeder Person, die sich aus dem restlichen Italien in Südtirol niederlässt, verändert sich die Zusammensetzung der Bevölkerung – langfristig auch der ethnische Proporz. Was einst als Schutzmechanismus für die deutsche und ladinische Sprachgruppe galt, droht in dieser Dynamik zu erodieren.
Autonomiereform verschärft die Lage
Zusätzliche Brisanz erhält die Situation durch die geplante Autonomiereform. Ein zentraler Punkt darin ist die Verkürzung der Ansässigkeitsklausel: Bisher musste man vier Jahre in Südtirol wohnhaft sein, um wählen zu dürfen. Künftig sollen zwei Jahre genügen. Das bedeutet: Wer heute zuzieht, darf schon übermorgen mitentscheiden – politisch, institutionell, strukturell.
Südtirol droht die Kontrolle zu verlieren
Was auf den ersten Blick wie ein verwaltungstechnisches Detail erscheinen mag, hat das Potenzial, die Grundlagen des gesellschaftlichen Gleichgewichts in Südtirol zu verschieben. Während der Zustrom wächst, wird der Schutz für Einheimische gelockert. Der Markt entscheidet längst nicht mehr zugunsten derer, die hier aufgewachsen sind, sondern zugunsten derer, die am aggressivsten suchen – und zahlen. Die Frage stellt sich nicht mehr, ob der Wohnungsmarkt unter Druck steht. Er ist es längst. Die entscheidende Frage ist: Wie lange kann sich Südtirol noch leisten, seine kulturelle Identität und soziale Stabilität zu bewahren, wenn der Zuzug weiter in diesem Tempo anhält?






