von lif 11.07.2025 15:47 Uhr

Einmal und nie wieder? Warum viele Südtiroler nicht (mehr) heiraten

Die Ehe verliert zunehmend an Bedeutung. Das zeigen nicht nur Statistiken, sondern auch persönliche Einstellungen vieler Südtiroler. Besonders jüngere Menschen sehen das klassische Jawort heute oft kritisch oder als unnötig an. Doch warum ist das so?

Bild von StockSnap auf Pixabay

Laut aktuellen Zahlen des Landesinstituts für Statistik (ASTAT) sind rund 41 Prozent der volljährigen Bevölkerung in Südtirol ledig (UT24 berichtete). Bei den unter 40-Jährigen liegt der Anteil sogar bei fast 79 Prozent. Die Entscheidung, nicht zu heiraten, ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern wird zunehmend zur Norm.

Liebe ohne Trauschein

Lisa (29) und Martin (31) sind seit acht Jahren ein Paar. Sie leben zusammen, haben ein gemeinsames Kind, doch heiraten möchten sie nicht. „Wir lieben uns und haben eine stabile Partnerschaft. Da brauchen wir keine offizielle Bestätigung oder ein Papier“, erklärt Lisa. Auch Martin sieht keinen Mehrwert in der Eheschließung: „Wir erleben bei vielen Freunden, wie schnell Ehen wieder zerbrechen können. Das schreckt ab und zudem ist es teuer.“

Unsichere Zeiten führen zur Zurückhaltung

Eine Umfrage von L’Espresso zeigt deutlich: Mehr als 50 Prozent aller jungen Menschen möchten heute keine kirchliche Ehe eingehen. Gründe hierfür sind sowohl finanzielle Aspekte als auch der Rückgang religiöser Überzeugungen. Der Soziologe Massimiliano Valerii erklärt diesen Trend im Deutschlandfunk: „Der allgemeine Trend der Individualisierung macht sich verstärkt bemerkbar. Immer mehr wollen ihre Beziehungen außerhalb des traditionellen Rahmens leben.“

Neben dem Wunsch nach persönlicher Freiheit spielen auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle. „Hohe Wohnkosten und unsichere Arbeitsverhältnisse lassen viele Paare davor zurückschrecken, langfristige Entscheidungen wie eine Ehe einzugehen“, ergänzt Valerii.

Weniger religiöse Bindung

Auch der Rückgang der religiösen Bindungen spielt eine Rolle. In Südtirol werden heute drei Viertel aller Ehen standesamtlich geschlossen und dieser Trend nimmt weiter zu. Die Kirche verliert an Einfluss und gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach individueller Freiheit.

Julia (32), die seit fünf Jahren in einer festen Partnerschaft lebt, bringt es so auf den Punkt: „Für uns zählt unsere Beziehung, nicht das, was eine Institution daraus macht. Wir leben heute einfach anders als die Generation unserer Eltern.“

Ehe ist kein Muss mehr

Doch nicht für alle Südtiroler hat die Ehe an Bedeutung verloren. Noch immer heiraten jedes Jahr über 2.000 Paare im Land. Diejenigen, die sich für diesen Schritt entscheiden, tun dies heute aber bewusster denn je. Ehe ist keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern oft Ausdruck eines ganz gezielten, gemeinsamen Lebensplans.

Heute sind die Paare weniger dem gesellschaftlichem Druck ausgesetzt als früher und die Entscheidung für oder gegen die Ehe liegt primär an persönlichen Werten. Die wichtigste Basis für Beziehungen sind für die meisten  Vertrauen, gemeinsame Ziele und gegenseitige Unterstützung. Ein Trauschein wird dabei zunehmend zweitrangig.

Weniger Ehe – mehr Vielfalt

Parallel zum Rückgang der klassischen Ehe entwickeln sich neue Formen des Zusammenlebens: unverheiratete Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, eingetragene Partnerschaften oder bewusst kinderlose Beziehungen. Südtirol wird vielfältiger, was das Privatleben angeht.

„Die Ehe ist nur eine von vielen möglichen Optionen“, sagt der Meraner Paartherapeut Christian Ebner. „Immer mehr Paare entscheiden sich für andere Wege, die ihnen mehr Freiheiten lassen. Das verändert unsere Gesellschaft langfristig.“

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