Sprachkenntnisse in der Schule: Früh fördern statt spät scheitern – was Südtirol ignoriert

Wer den Test nicht besteht, erhält verpflichtende Sprachförderung – lange bevor die Schulzeit beginnt. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) ließ in jüngster Zeit mehrfach keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Maßnahmen aufkommen: „Alle Kinder müssen diagnostiziert werden – und alle Kinder müssen die Sprache erlernen.“ Deutlicher kann man kaum sagen, dass Bildung ohne Sprache nicht möglich ist.
Sprache ist Schlüssel für weitere Bildungsprozesse
Zahlreiche Studien zur frühkindlichen Entwicklung zeigen, dass Sprache ein Schlüssel für alle weiteren Bildungsprozesse ist. Wer bei Schuleintritt nicht ausreichend über die Unterrichtssprache verfügt, hat es deutlich schwerer, dem Stoff zu folgen, Fragen zu stellen oder soziale Beziehungen aufzubauen. Gerade in den ersten Schuljahren bildet Sprache die Grundlage für Lesen, Schreiben, Mathematik – und damit für langfristige Bildungschancen. Frühzeitige Förderung ist daher nicht nur gerecht, sondern pädagogisch geboten.
Genau an diesem Punkt setzt die deutsche Reform an: Sie baut auf der Erkenntnis auf, dass gezielte Sprachförderung lange vor dem Schuleintritt beginnen muss – und macht daraus verbindliche Realität. Die neue deutsche Bildungsstrategie ist umfassend und konkret: Sprachdiagnostik im Alter von vier Jahren, verpflichtende Förderung bei Defiziten und verbindliche Standards in allen Bundesländern. Es ist der längst überfällige Schritt, um einer wachsenden Bildungsschere entgegenzuwirken, die oft schon im Kindergartenalter beginnt. Denn wenn Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult werden, sind schulische Probleme, Frustration und Überforderung fast unausweichlich. Deutschland reagiert nun endlich strukturiert und entschlossen auf diese Herausforderung.
Tirols pragmatischer Zugang
In Tirol geht man einen ähnlichen Weg, allerdings weniger konsequent und erst später ansetzend. Dort erfolgt die Sprachstandserhebung beim Schuleintritt mithilfe des österreichweit genutzten MIKA-D-Tests. Kinder, die dabei Defizite zeigen, werden zunächst in Sprachförderklassen oder -gruppen aufgenommen, bis sie ausreichend sprachliche Kompetenzen erworben haben, um dem Regelunterricht zu folgen. Tirols Bildungslandesrätin Cornelia Hagele erläutert auf Nachfrage von UT24: „Sprache ist der Schlüssel zur Bildung – und damit auch zu gelungener Integration. Die verpflichtende Sprachstanderhebung mittels MIKA-D ist ein bewährtes und sinnvolles Instrument. Nur mit einer soliden sprachlichen Basis kann Lernen nachhaltig gelingen – zum Vorteil der Kinder und des Klassenzusammenhalts.“ Der Ansatz ist pragmatisch und effektiv, doch erfolgt er später, als es aus pädagogischer Sicht ideal wäre.
Südtirols zögerliche Haltung
In Südtirol hingegen herrscht beim Thema sprachliche Vorbereitung auf die Schule nahezu völliger Stillstand, begleitet von einer auffälligen Zurückhaltung gegenüber verbindlichen Maßnahmen. Auf eine schriftliche Anfrage von UT24 zum Thema vorschulische Sprachförderung hat Bildungslandesrat Philipp Achammer nicht geantwortet. Ein Schweigen, das symptomatisch ist. Stattdessen scheint er bei seiner Haltung zu bleiben, die er bereits im April gegenüber dem Online-Magazin Salto.bz deutlich machte: „Ein vierjähriges Kind mit Migrationshintergrund in die Vorschule zu schicken, um sprachlich fit zu werden, ist weder sinnvoll noch denkbar. Das entspricht meines Erachtens in keiner Weise der sprachlichen Entwicklung des Kindes.“
Diese Aussage zeigt, wie stark sich Achammers Position von der aktuellen deutschen Bildungspolitik und von anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur frühkindlichen Sprachentwicklung unterscheidet.
Dabei ist die Forderung nach früher Sprachstanderhebung und gezielter Förderung in Südtirol keineswegs neu. Bereits seit Jahren werden in politischen, pädagogischen und gesellschaftlichen Kreisen Sprachfördermodelle im Vorschulalter diskutiert – auch in Zusammenhang mit der Einführung von vorschulischen Förderklassen. Umso erstaunlicher ist es, dass aus diesen Überlegungen bis heute keine konkreten Maßnahmen entstanden sind.
Während Deutschland und Tirol handeln und Verantwortung übernehmen, hält Achammer an einem Ansatz fest, der zunehmend als überholt gilt und mit Blick auf die Realität in den Schulen kaum tragfähig erscheint. Die Folgen dieser Passivität zeigen sich in Südtirol bereits heute: Lehrkräfte klagen über zunehmende Sprachprobleme in den ersten Klassen, Eltern sind besorgt über die Qualität des Unterrichts, und viele Kinder verlieren schon zu Beginn ihrer Bildungslaufbahn entscheidende Chancen.
Was Südtirol jetzt bräuchte
Südtirol bräuchte dringend verbindliche Sprachtests, klare Förderstrukturen und den politischen Willen, diese auch umzusetzen. Stattdessen gibt es unverbindliche Beratungsangebote, sporadische Unterstützung und eine Bildungspolitik, die Probleme lieber relativiert als aktiv anpackt.
Deutschkenntnisse dürfen keine Glückssache sein. Deutschlands Maßnahmen geben klar die Richtung vor. Tirol zeigt zumindest Engagement und liefert pragmatische Lösungen. Südtirol hingegen bleibt in einer Haltung verhaftet, die keinen Platz für zeitgemäße und notwendige Bildungsreformen lässt – mit einem Landesrat Achammer, der sich hartnäckig der Erkenntnis verweigert, dass Bildung ohne ausreichende Sprache kaum gelingen kann.






