Hände weg von unseren Hüttennamen!

Deutsche Hüttennamen als Teil unseres Kulturerbes
In Südtirol stehen sie für Tradition, Geschichte und Identität: Schutzhütten wie die Regensburger Hütte, die Kasseler Hütte, die Chemnitzer Hütte oder die Stettiner Hütte. Seit Jahrzehnten tragen sie diese Namen – benannt nach den deutschen Sektionen des Alpenvereins, die sie einst errichtet und gepflegt haben. Diese Namen sind kein Zufall und auch kein „Import“, wie neuerdings unterstellt wird. Sie sind Teil unseres alpinen Kulturerbes – verbunden mit der Erschließung der Südtiroler Bergwelt durch engagierte Alpinisten aus dem gesamten deutschsprachigen Mitteleuropa.
Doch ausgerechnet der Alpenverein Südtirol (AVS) will nun an diesen Namen sägen. Aus angeblichen „Verwechslungsgefahren“ und mangelnder Regionalität sollen die traditionellen Bezeichnungen verschwinden. Ein Skandal – und ein beispielloser Akt der Geschichtsverdrängung, der völlig falsche Prioritäten setzt.
AVS will „neue“ Namen – und ignoriert die Geschichte
Laut AVS-Vizepräsidentin Ingrid Beikircher seien Namen wie „Düsseldorfer Hütte“ oder „Kasseler Hütte“ nicht mehr zeitgemäß. Sie forderte, die Bezeichnungen durch geografisch-lokal passende Namen zu ersetzen. Etwa soll die Kasseler Hütte zur „Hochgallhütte“ werden – weil sie in der Nähe des Hochgalls liegt. Klingt nachvollziehbar – ist aber in Wahrheit ein Frontalangriff auf die Geschichte Südtirols.
Denn diese Namen stammen aus einer Zeit, in der Südtirol Teil des historischen Tirols war. Damals errichteten Alpenvereinssektionen aus Deutschland und Österreich Schutzhütten in im Land – und benannten sie nach ihren Heimatstädten. So wurde aus Regensburg die Regensburger Hütte, aus Chemnitz die Chemnitzer Hütte, aus Kassel die Kasseler Hütte. Sie sind Zeugnis internationaler alpinistischer Zusammenarbeit – und Ausdruck einer gemeinsamen Tiroler Berggeschichte, die Südtirol geprägt hat.
Der wahre Skandal: Enteignung im Faschismus
Wer heute über „fremde Namen“ klagt, vergisst – oder verschweigt – einen ganz anderen Skandal: die Enteignung dieser Hütten durch das faschistische Italien. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurden alle Hütten, die deutschen Sektionen gehörten, enteignet und dem italienischen Club Alpino Italiano (CAI) übertragen – oft mit neuer, italienisch-nationalistischer Namensgebung.
So wurde etwa aus der Dreizinnenhütte der Rifugio Antonio Locatelli, benannt nach einem Flieger des Mussolini-Regimes. Aus der Kasseler Hütte wurde „Rifugio Roma“, aus der Regensburger Hütte „Rifugio Firenze“, aus der Chemnitzer Hütte „Rifugio Giovanni Porro“. Diese Italianisierung war Teil eines größeren Plans, Südtirol zu entdeutschen und zu „italianisieren“ – ein Projekt, das alle kulturellen Wurzeln der deutschsprachigen Bevölkerung auslöschen wollte.
Das ist der eigentliche Skandal. Und genau diese Namen – die unter einem faschistischen Regime durchgesetzt wurden – sind es, die bis heute bestehen.
Landtagsbeschluss 2013: Rückkehr zu den historischen Namen
Der Südtiroler Landtag hat die Problematik längst erkannt: Bereits 2013 (!) wurde ein Beschluss gefasst, wonach die italienischen, unter Faschismus entstandenen Hüttennamen offiziell getilgt und nur noch die ursprünglichen, deutschsprachigen Namen verwendet werden sollen – zumindest für jene Hütten, die sich im Besitz des Landes Südtirol befinden.
Passiert ist seither nichts. Kein Aufschrei, kein Druck, keine Abschaffung der faschistischen Hüttennamen. Stattdessen will nun der AVS – unfassbarerweise – an den historisch korrekten deutschen Bezeichnungen sägen. Ein doppelter Identitätsverlust für das Land.
Historische Namen sind keine Verwechslung – sie sind Geschichte
Der angebliche Grund für die Umbenennungsdebatte: Es bestehe Verwechslungsgefahr. Ein deutscher Tourist könne sich wundern, warum es in Südtirol eine „Kasseler Hütte“ gibt. Doch genau das bietet ja die Chance zur Erklärung: Diese Hütte wurde einst von der Sektion Kassel des Alpenvereins errichtet – als Ausdruck alpiner Solidarität.
Solche Geschichten gehören nicht gelöscht, sondern erzählt. Ein historischer Name ist keine Belastung, sondern ein Mehrwert – für Bildung, Kultur und Identität. Die Gäste in Südtirol verstehen das oft besser als die Funktionäre im AVS.
Kein Platz für Geschichtsvergessenheit im Gebirge
Die Diskussion um die künftige Benennung von Südtirols Schutzhütten berührt mehr als nur Kartografie oder Wegweiser – sie betrifft ein Stück gewachsener Geschichte. Namen wie Regensburger, Kasseler oder Chemnitzer Hütte sind kein Relikt, sondern lebendige Zeugnisse alpiner Pionierarbeit und internationaler Verbundenheit über Generationen hinweg.
Sie sind Ausdruck einer Zeit, in der Südtirol ein offener Teil des Alpenraums war – verbunden mit den Menschen und Sektionen, die maßgeblich zur Erschließung der Dolomiten beigetragen haben. Diese Namen erzählen Geschichten. Sie verdienen es, bewahrt zu werden.
Gerade in Anbetracht der historischen Enteignungen und Italianisierungen im Faschismus wäre es ein verheerendes Signal, nun aus freien Stücken die verbliebenen deutschen Namen zu tilgen – und die wahren Fremdkörper, nämlich die damals aufgezwungenen italienischen Bezeichnungen, unangetastet zu lassen.
Der bereits 2013 gefasste Beschluss des Südtiroler Landtages, die faschistischen Umbenennungen zu korrigieren, wartet noch immer auf seine Umsetzung. Es wäre an der Zeit, diesen Weg mit Konsequenz zu gehen – nicht in entgegengesetzte Richtung.
Wer Geschichte schützen will, muss sie anerkennen, nicht löschen. Südtirols Hüttennamen sind ein Teil dieser Geschichte – sie zu bewahren, heißt Identität zu achten.
Übrigens: In Tirol und ganz Österreich ist es bis heute völlig üblich, dass Hütten den Namen ihrer errichtenden Alpenvereinssektion tragen – oft also einer Stadt, weit entfernt vom Standort. Die Bielefelder Hütte im Ötztal, die Dresdner Hütte im Stubaital oder die Coburger Hütte bei Ehrwald gelten dort als selbstverständlich. Niemand empfindet sie als unpassend oder unverständlich – warum also ausgerechnet in Südtirol?






