von Alexander Wurzer 03.07.2025 07:30 Uhr

Der Berg gehört den Reichen – und den Gästen!

Die Preise für Südtirols Bergbahnen steigen auch im Sommer in schwindelerregende Höhen – und mit ihnen der Unmut. Eine einfache Berg- und Talfahrt auf die Seceda kostet aktuell 52 Euro pro Person, bei der Col Raiser-Bahn sind es 32 Euro.

Die Geislergruppe unweit von der Bergstation der Col Raiser Bergbahn fotografiert. Wer die Bergbahn für die Berg- und Talfahrt beanspruchen will, muss 32 Euro zahlen. (Foto: UT24/aw)

Für eine Durchschnittsfamilie wird ein solcher Ausflug schnell zu einer finanziellen Belastung – ein Tag in den Bergen ist für viele kaum noch leistbar, zumindest nicht regelmäßig. Was früher selbstverständlicher Teil der Sommeraktivitäten war, wird heute zum Luxusangebot.

Dabei sind die Bergbahnen nicht einfach Privatvergnügen. Sie sind Teil einer öffentlichen Infrastruktur, die mit Steuergeldern mitfinanziert wurde – und zwar in großem Stil. Allein in den letzten Jahren sind zig Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln in Seilbahnbauten, Modernisierungen und Betriebszuschüsse geflossen. Doch wer glaubt, damit sei auch ein öffentlicher Zugang gesichert, der irrt. Gezahlt wird aus der öffentlichen Hand – kassiert wird im privaten Interesse.

Öffentlich finanziert, aber nicht für alle

Es ist ein offenes Geheimnis: Ohne massive Förderungen durch das Land wären viele Seilbahnprojekte gar nicht realisierbar. Der Steuerzahler zahlt mit – aber nutzen darf er die Bahn dann nur zum vollen Preis. Dieses Modell ist nicht nur ungerecht, es ist absurd.

Seit 2024 gibt es tatsächlich eine erste Ermäßigung: Rund 60 Bahnen gewähren Südtirol-Pass-Nutzern bis zu 30 Prozent Rabatt. Doch diese Maßnahme greift kaum. Denn erstens betrifft sie längst nicht alle touristisch relevanten Anlagen. Und zweitens ist der Zugang an den Besitz des Südtirol Passes gebunden – ein Instrument, das viele Südtiroler schlicht nicht besitzen. Wer nicht pendelt oder kaum den öffentlichen Nahverkehr nutzt, ist von diesem Angebot ausgeschlossen. Für viele ist nicht einmal klar, dass es diese Ermäßigung überhaupt gibt. Die Kommunikation ist dürftig, die Hürde hoch – und der Nutzen entsprechend gering.

Ein Rabatt, der nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugutekommt, ist kein sozialer Ausgleich. Er ist ein Feigenblatt. Eine Alibi-Maßnahme, die an der Realität vorbeigeht. Denn solange weite Teile der Bevölkerung ausgeschlossen bleiben, bleibt der Zugang zum Berg ein Privileg für jene, die es sich leisten können – und für jene, die ins System passen.

Touristen fahren gratis – Einheimische zahlen

Besonders grotesk wird die Lage, wenn man sich ansieht, was beispielsweise im Ahrntal geschieht: Dort dürfen alle Gäste der Mitgliedsbetriebe der Tourismusvereine Ahrntal und Sand in Taufers im Mai und Juni der Jahre 2025, 2026 und 2027 alle Aufstiegsanlagen der Skiworld Ahrntal kostenlos nutzen – Berg- und Talfahrten inklusive. Der Schlüssel dazu: der Südtirol GuestPass. Touristen steigen gratis ein, während der Südtiroler selbst den vollen Preis zahlt – oder bestenfalls einen 30-Prozent-Rabatt bekommt, sofern er über den richtigen Fahrausweis verfügt.

Was hier passiert, ist eine Ohrfeige für die einheimische Bevölkerung. Wer hier lebt, Steuern zahlt und die Infrastruktur mitfinanziert, wird schlechter behandelt als der durchreisende Urlaubsgast. Der Zugang zur Natur wird zum Bonus für Besucher – und zur Kostenfrage für die eigene Bevölkerung.

Die vielgepriesene Tourismuskarte – der GuestPass – entpuppt sich damit nicht als Brücke, sondern als Barriere: Sie schafft Sonderrechte für Urlauber und lässt Südtiroler außen vor. Ein System, das die öffentliche Infrastruktur an die Privatinteressen der Tourismuswirtschaft verkauft, ist nicht nur unausgewogen – es ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die hier leben.

UT24 hat im September letzten Jahres einen ausführlichen Vergleich veröffentlicht, wie tief Südtiroler Familien in die Taschen greifen müssen, während Touristen wie die Könige hofiert werden. Hier der Vergleich zum Nachlesen.

Ein öffentlicher Raum wird privatisiert

Was hier passiert, ist nichts anderes als die schleichende Privatisierung des Zugangs zur Natur. Wer es sich leisten kann – oder wer ein Gast ist – darf rauf. Wer nicht, bleibt unten. Dabei sollte der Berg ein Raum für alle sein – nicht ein exklusives Freizeitangebot für zahlungskräftige Gäste.

Die Politik hat es bisher versäumt, klare Bedingungen an Fördergelder zu knüpfen. Es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand Millionenbeträge zuschießt, ohne eine Gegenleistung für die Allgemeinheit einzufordern. Wer öffentliche Gelder erhält, muss öffentliche Zugänglichkeit garantieren – nicht nur für Touristen, sondern vor allem für Einheimische.

Was sich jetzt ändern muss

Es braucht endlich eine klare und konsequente Neuausrichtung: Alle Aufstiegsanlagen, die mit öffentlichen Mitteln errichtet, modernisiert oder betrieben wurden, müssen in ein faires, transparentes und für Einheimische zugängliches Tarifsystem eingebunden werden. Und zwar nicht über den Umweg eines Südtirol Passes, den viele gar nicht besitzen – sondern einfach gegen Vorlage eines Ausweises. Wer hier lebt, muss auch hier rauf dürfen – und zwar zu einem Preis, der leistbar ist. Die Zeit der blinden Geldverteilung ohne Bedingungen muss vorbei sein.

Denn es geht längst nicht mehr nur um ein paar Euro Ermäßigung. Es geht um eine Grundsatzfrage: Wem gehört der Berg? Der Betreiberfirma – oder der Bevölkerung, die ihn mitfinanziert? Der alpine Raum darf kein exklusives Refugium für Touristen werden. Er muss offen bleiben – für alle. Auch für jene, die hier leben.

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