Falzes, Vandoies, Braies – Tolomeis Täuschung mit den ladinischen Ortsnamen

Kürzlich wurde im Pustertal erneut auf mehreren Wegweisern für Wanderer der italienische Ortsname für Pfalzen ausgestrichen und „Duce“ daneben hingeschrieben. Wohl als Hinweis darauf, dass der Name „Falzes“ faschistischen Ursprungs sei. Der Name stammt aber aus dem Ladinischen. Wie bewertest du das als Fachmann?
Tolomei hat die ladinischen Namen einfach für walsch erklärt. Er hat gar nicht zwischen ladinisch und italienisch unterschieden. Er stellte sie ganz einfach als italienisch dar. Natürlich sind die ladinischen Namen legitim – aber eben nicht als italienische bzw. im Italienischen, wenn von einer Ortschaft gesprochen wird, in der die Mehrheitsbevölkerung deutsch ist. Wenn dies der Fall war, verwendete man im Italienischen immer den deutschen Namen, nicht den ladinischen. Natürlich können die Ladiner in ladinischen Texten ihre Namen nutzen, weil sie historisch gewachsen sind. Man würde dort also natürlich Falzes verwenden, doch haben sie im amtlichen Italienisch nichts verloren, schon gar nicht als vermeintlich italienische Namen.
Kannst du uns das an einem Beispiel verdeutlichen?
Nehmen wir das Beispiel Kärnten: Die slowenischen Ortsnamen sind dort amtlich, weil es eine slowenische Minderheit gibt. Aber in Klagenfurt, wo die Mehrheit deutsch ist und die Amtssprache Deutsch, wird niemand den slowenischen Ortsnamen Celovec in deutschen oder anderssprachigen (außer slowenischen) Texten verwenden. Und es wäre auch nicht richtig, wenn ein Kroate, dessen Sprache der Slowenischen ähnlich ist, in kroatischen Texten einfach den slowenischen Namen verwendet – und damit vorgaukelt, dass er kroatisch sei – nur weil er seiner Sprache ähnlicher ist als das Deutsche. Das wäre einfach nicht korrekt. Das ist zwar nicht ganz vergleichbar mit der Situation in Südtirol, zeigt aber das Prinzip.
Welche Orte waren von dieser Umdeutung ladinischer Ortsnamen durch Tolomei besonders betroffen?
Vor allem Orte im Pustertal, wie etwa Vandoies für Vintl, Sorafurca für Geiselsberg, Braies für Prags. Aber auch Renon für Ritten (das stammt aus dem Grödnerischen) oder Laion für Lajen. Letzteres findet man allerdings schon früher auch in italienischen Texten, das kann man also gelten lassen. Oft hat Tolomei die ladinischen Namen auch leicht verändert: Sciliër (ladinisch für Schlern) wurde zu Sciliar (mit Betonung auf dem a gesprochen). Heute wird es darüber hinaus auch noch vielfach falsch ausgesprochen, also mit Betonung auf dem i.
Kritiker entgegnen dennoch, diese Namen seien doch gar nicht von Tolomei erfunden und faschistisch, wenn sie im Ladinischen bereits existierten.
Sie bleiben trotzdem pseudoitalienisch, sind also nur scheinbar italienisch. Sie sind und bleiben ladinisch, also haben sie im amtlichen Italienisch nichts verloren. Man tut den Ladinern damit ja auch keinen Gefallen: Tolomei wollte sie ja nicht schützen, sondern für seine Italianisierung instrumentalisieren. Ihm ging es nie ums Ladinische, sondern um eine vorgetäuschte Italianität. Darum sind sie, obwohl ladinisch, letztlich pseudoÂitalienisch – das ist der entscheidende Unterschied.
Man kann also sagen, Tolomei hat sowohl deutsche als auch ladinische Ortsnamen missbraucht und verunstaltet?
Ja, richtig. Die einen hat er missbraucht, die anderen verunstaltet, indem er sie italianisierte beziehungsweise sogar italienische Namen erfunden hat. Das alles, um eine historisch gewachsene Italianität dieser Gebiete vorzutäuschen.
Gibt es noch etwas, was dir in diesem Zusammenhang wichtig ist zu erwähnen?
Ich finde es bemerkenswert, wie im Namen der „political correctness“ heute zunehmend der Spieß umgedreht wird: Was historisch falsch ist, wird plötzlich als richtig dargestellt – wie etwa die faschistischen Ortsnamen oder das Paradebeispiel Alto Adige. Und gleichzeitig soll das, was traditionell richtig und sprachlich gewachsen ist, als falsch gelten – etwa der Begriff „walsch“. Dabei war „walsch“ in unserer Region seit jeher gebräuchlich. Es gab einfach kein anderes Wort dafür und es war nie abwertend gemeint. Der Ausdruck beschreibt schlicht einen Sachverhalt und ist historisch wie sprachlich fundiert. Was sollte daran negativ sein? Im gesamten deutschen Sprachraum wurde der romanische Nachbar als „walsch“ bezeichnet – bei uns bezog sich das eben auf die Italiener und teils auch auf die Ladiner. Für diese verwendete man die Bezeichnung „krautwalsch“, was eine ebenso neutrale Beschreibung darstellt. „Kraut“ steht dabei symbolisch für das Deutsche, wie es etwa auch im englischen „krauts“ für Deutsche anklingt. „Krautwalsch“ war also ebenso eine Beschreibung für einen Sachverhalt ohne jede Abwertung. Und trotzdem wird heute so getan, als müsse man sich für diese Begriffe rechtfertigen, während gleichzeitig Begriffe wie „Alto Adige“ oder „Alto Atesini“ als vermeintlich korrekt präsentiert werden – obwohl ihre Entstehung eindeutig politisch motiviert und ideologisch belastet ist. Das ärgert mich, weil es ganz einfach nicht richtig ist. Und genau deshalb sollte man diesen Umdeutungen auch weiterhin entschieden entgegentreten und immer wieder auf die tatsächlichen historischen Zusammenhänge hinweisen.
Vielen Dank, Cristian, für das Interview und deine Expertise!






