von red 16.06.2025 17:00 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 58)

Der elfte Band der renommierten Reihe der Tiroler Burgenbücher widmet sich dem Nordtiroler Unterland, einer an historisch wichtigen Burgen, Schlössern und Ansitzen reichen Region. In monumentaler Aufmachung und mit einem beeindruckenden Autorenkollektiv werden 28 ausgewählte Objekte, die in ausführlichen, reich bebilderten Monografien vorgestellt. Die Verknüpfung architekturhistorischer, archäologischer und kulturgeschichtlicher Perspektiven macht den Band zu einem umfassenden Nachschlagewerk und Forschungsinstrument. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

Julia Hörmann Thurn-und-Taxis (Hrsg.), Nordtiroler Unterland (Tiroler Burgenbuch, Bd. 11), Bozen 2019.

Einführung in die Burgenlandschaft des Unterlands

Im einleitenden Überblick „Burgenlandschaft Unterland“ bietet die Herausgeberin Julia Hörmann-Thurn und Taxis eine historische Kontextualisierung der Region. Sie analysiert die politischen, wirtschaftlichen und topografischen Rahmenbedingungen, die den Burgenbau zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit prägten. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle des Adels, der Landesfürsten und der kirchlichen Machtzentren. Die verkehrsgünstige Region an Inn, Ziller und den angrenzenden Gebirgstälern zeichnet sich durch eine Vielfalt von Burgtypen aus – von der Höhenburg bis zu zum befestigten Ansitz.

Monografien mit Tiefgang: Freundsberg bis Engelsberg

Die Burgenporträts folgen einer einheitlichen Darstellungsstruktur: Baugeschichte, Besitzverhältnisse, architektonische Besonderheiten und Rekonstruktionsversuche werden auf der Basis neuester Forschungsergebnisse und vielfach erstmals ausgewerteter Quellen dargestellt. Hervorzuheben sind Tratzberg (Juwel der Renaissancebaukunst, umfassend dokumentiert in Bauphasen, Ausstattung und Erhaltungszustand), Rottenburg (Beispiel für die schrittweise Umwandlung mittelalterlicher Wehrbauten in repräsentative Residenzen), Mariastein (die spirituelle Dimension der Burg wird ebenso thematisiert wie ihre wechselvolle Nutzungsgeschichte als Wallfahrtsort) und Rattenberg (als städtische Burgsiedlung bietet sie einen Sonderfall im Tiroler Kontext – interdisziplinär von mehreren Autoren beleuchtet).

Spätmittelalter bis Barock – Vielfalt der Funktionen

Der Band zeigt eindrucksvoll die Umnutzung vieler Objekte: Aus ehemals militärischen Anlagen werden Residenzen, Verwaltungszentren, Wallfahrtsorte oder auch Industrieruinen. Gerade diese Transformationsgeschichten machen den Reiz der Darstellung aus und zeigen, wie sehr sich die Funktionen der Burgen mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen wandelten. Einige eher unbekannte Objekte wie Leukenstein, Erpfenstein oder Sperten rücken mit diesem Band erstmals ins Licht der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit.

Register, Abbildungen und wissenschaftlicher Anspruch

Ein sorgfältig geführtes Personen- und Ortsregister und ein umfangreiches Literaturverzeichnis runden den Band ab. Die Bildauswahl – bestehend aus aktuellen Fotografien, Luftbildern, historischen Darstellungen und Rekonstruktionszeichnungen dient nicht nur der Illustration, sondern ist methodisch eingebunden.

Fazit

Das Burgenbuch Nordtiroler Unterland ist ein herausragendes Werk der Burgenforschung – fundiert, detailreich und ästhetisch ansprechend gestaltet. Es verbindet Wissenschaftlichkeit mit Lesbarkeit und richtet sich sowohl an Fachhistoriker als auch für kulturhistorisch interessierte Laien. Der Band trägt wesentlich dazu bei, das bauhistorische Erbe des Tiroler Unterlands begreifbar und verstehbar zu machen. Es ist als Nachschlagewerk, Sammlerstück und Beitrag zur Denkmalpflege und (Bau-, Kultur- und Kunst-)geschichte Tirols uneingeschränkt zu empfehlen.

Von Andreas Raffeiner

Julia Hörmann Thurn-und-Taxis (Hrsg.), Nordtiroler Unterland (Tiroler Burgenbuch, Bd. 11), Bozen 2019.

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