K.O.-Tropfen: Wenn das Lokal zur Falle wird

Man kennt die Warnung: „Lass dein Glas nicht unbeaufsichtigt.“ Doch was einst wie ein gut gemeinter Party-Tipp klang, ist heute bittere Realität: Immer mehr Menschen werden Opfer von Verbrechen unter Einsatz sogenannter K.O.-Tropfen. Eine aktuelle Anfragebeantwortung des Innenministeriums legt offen, was viele längst befürchtet haben – und was die Politik bislang verdrängt hat: Die Zahl dieser Taten steigt rasant, die Prävention hinkt hinterher, die Justiz bleibt oft blind.
Ein Fall für die Statistik – und dann?
150 Anzeigen im Jahr 2024, davon 110 wegen Vergewaltigung. 109 weibliche Opfer, darunter 25 minderjährige Mädchen. Und das sind nur die offiziell gemeldeten Fälle – von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Besonders erschreckend: Wien ist mit Abstand am stärksten betroffen, gefolgt von Tirol und Oberösterreich. In Wien stieg die Zahl der Anzeigen innerhalb eines Jahres um 17 Fälle – ein klares Alarmsignal. Doch anstatt energisch zu handeln, verweisen Innenministerium und Justiz auf bestehende Projekte, beschwichtigen, zählen auf „Workshops“ – während Täter weiter ungestört zuschlagen können.
Tatorte sind überall – Täter selten gefasst
K.O.-Tropfen wirken lautlos. Geruchs- und geschmacklos. Meist sind sie nach wenigen Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar. Die Folgen sind katastrophal – medizinisch, rechtlich, seelisch. Opfer erinnern sich oft kaum, schämen sich, suchen die Schuld bei sich selbst oder schweigen. Wer zur Anzeige schreitet, scheitert häufig an lückenhaften Beweisen. Und: Das Justizministerium dokumentiert nicht einmal systematisch, ob bei Sexualdelikten K.O.-Substanzen eingesetzt wurden. Strafrechtlich relevant, aber praktisch folgenlos.
Ein Staat, der nicht schützt, macht sich mitschuldig
Dass 2024 kein einziger Euro für eine neue Aufklärungskampagne gegen K.O.-Tropfen ausgegeben wurde, ist ein Skandal. Die vielzitierte #notyourfault-Kampagne aus Linz ist gut gemeint – aber zu wenig, zu lokal, zu leise. Wo bleiben die Warnungen? Wo bleiben sichtbare Maßnahmen in Clubs, auf Festivals, in Bars, auf Festen und Partys? Wo bleibt die politische Entschlossenheit, Tätern das Handwerk zu legen?
Was es bräuchte: Schutz, Aufklärung, Strafverfolgung
Es darf nicht bei Appellen an die Eigenverantwortung der Opfer bleiben. Der Staat muss konsequent handeln:
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Flächendeckende Präventionsarbeit, auch mit digitalen Medien und in Schulen.
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Verpflichtende Schulungen für Club- und Barpersonal zur Erkennung und Intervention bei Verdachtsfällen.
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Verstärkte Kontrollen, inklusive gezielter Schwerpunktaktionen.
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Einheitliche Erfassung in der Justizstatistik, wenn K.O.-Mittel im Spiel sind.
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Und vor allem: eine klare Botschaft, dass solche Taten keine Kavaliersdelikte sind, sondern perfide Formen sexualisierter Gewalt.
Wenn die Politik bei diesem Thema wegschaut oder verharmlost, macht sie sich mitschuldig. Die aktuellen Zahlen sollten nicht nur betroffen machen, sondern ein Weckruf sein. Wir schulden den Opfern nicht nur Mitgefühl – sondern Sicherheit, Aufklärung und Gerechtigkeit.






