von aw 12.03.2025 09:30 Uhr

Minderheitenschutz oder Reformdruck? Südtirols Schulsystem im Fokus

Das Schulsystem Südtirols mit seinen getrennten deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Schulen ist ein bewährtes Modell zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Identität der Volksgruppen. Doch immer wieder gibt es Stimmen, die eine Reform fordern – hin zu gemischtsprachigen Schulen. Kritiker warnen jedoch vor den Folgen: Wird damit langfristig der Minderheitenschutz ausgehöhlt? Und steht gar die deutsche Sprache als gleichwertige Bildungssprache auf dem Spiel?

Landtagsabgeordneter Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) - Foto: Süd-Tiroler Freiheit

UT24 hat mit den Fraktionen im Südtiroler Landtag gesprochen – über die Notwendigkeit, dieses bewährte Modell zu verteidigen oder ob Reformen tatsächlich ein gangbarer Weg wären. Heute mit Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit.

Das Südtiroler Schulsystem gilt als tragende Säule des Minderheitenschutzes. Warum sollte man aus Ihrer Sicht an diesem bewährten Modell festhalten – oder es reformieren?

Das muttersprachliche Schulmodell ist ein Grundpfeiler unserer Autonomie und schützt die deutsche und ladinische Volksgruppe vor der schleichenden Assimilation. Es garantiert, dass unsere Kinder ihre Muttersprache auf höchstem Niveau erlernen und sich eine starke Identität bewahren. Maßnahmen, die dieses bewährte Modell aufweichen, wären ein gefährlicher Schritt in Richtung sprachlicher Assimilierung.

Befürworter gemischtsprachiger Schulen argumentieren mit einem besseren Zusammenleben der Volksgruppen. Kritiker entgegnen, dass dies langfristig zur schleichenden Assimilation der deutschen Minderheit führen könnte. Teilen Sie diese Bedenken?

Ja, absolut! Die Erfahrung zeigt, dass gemischtsprachige Schulsysteme immer dazu führen, dass die kleinere Sprachgruppe nach und nach ihre Identität verliert. In Süd-Tirol wäre das eine Katastrophe für die deutsche und ladinische Sprachgruppe. Wir brauchen keine staatlich verordnete „Durchmischung“, sondern ein Bildungssystem, das jede Volksgruppe in ihrer Sprache stärkt und schützt.

In anderen europäischen Regionen, in denen Minderheiten keine muttersprachliche Schule haben, kommt es oft zu sprachlicher Angleichung an die Mehrheitssprache. Wie kann verhindert werden, dass eine mögliche Einführung gemischtsprachiger Schulen langfristig zur Schwächung der deutschen Sprache in Südtirol führt?

Ganz klar: Indem wir an unserem bewährten Modell festhalten! Wo Minderheiten keine muttersprachlichen Schulen haben, verlieren sie langfristig ihre Sprache – das sehen wir in Frankreich, Spanien oder Italien selbst. Süd-Tirol hat durch jahrzehntelangen Kampf das Recht auf muttersprachlichen Unterricht erkämpft. Diesen Schutz leichtfertig aufs Spiel zu setzen, wäre unverantwortlich.

Die Pisa-Studien zeigen, dass Südtirols deutschsprachige Schüler in ihrer Muttersprache überdurchschnittlich gut abschneiden. Sehen Sie eine Gefahr, dass eine Reform des Schulsystems hier negative Auswirkungen hätte?

Definitiv! Gerade weil unser System so erfolgreich ist, dürfen wir es nicht zerstören! Wer den muttersprachlichen Unterricht aufweicht, riskiert sinkende Bildungsstandards und eine schleichende Verschlechterung der deutschen Sprachkompetenz. Die Pisa-Studien beweisen, dass unser System derzeit noch funktioniert, eine große Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang jedoch auch die Zuwanderung dar, da vermehrt nicht-deutschsprachige Schüler die Klassen besuchen, wodurch die Qualität des Unterrichtes leidet.

Ein entscheidender Punkt ist die Unterrichtsqualität: Kann eine Schule mit zwei Unterrichtssprachen wirklich sicherstellen, dass beide Sprachen gleichwertig erlernt werden? Oder besteht die Gefahr, dass eine Sprache – insbesondere das Deutsche – im schulischen Alltag in den Hintergrund rückt?

Die Erfahrung zeigt, dass in gemischtsprachigen Schulen immer eine Sprache dominiert – und das ist in Italien nun mal das Italienische. Das sehen wir an zweisprachigen Schulen in anderen Regionen: Die Minderheitensprache wird nach und nach verdrängt. Warnendes Beispiel ist für uns auch die vermeintlich „mehrsprachige“ Universität in Bozen, die de facto in vielen Bereichen nur mehr einsprachig Italienisch ist. Wenn wir in Süd-Tirol unsere Identität bewahren wollen, muss der Unterricht in der Muttersprache garantiert bleiben.

Der Schutz der deutschen Sprache ist auch eine Frage der Identität. Würde eine stärkere Durchmischung nicht langfristig dazu führen, dass sich die kulturelle Eigenständigkeit der Südtiroler abschwächt?

Genau das ist die große Gefahr! Unsere Sprache ist unser stärkstes Identitätsmerkmal und die Grundlage unserer Autonomie. Wenn sie verwässert wird, verlieren wir ein Stück unserer Eigenständigkeit. Süd-Tirol hat über Generationen hinweg seine Kultur bewahrt und hart um das Recht auf eine muttersprachliche Schule kämpfen müssen – das dürfen wir jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Sprachliche Trennung im Schulwesen bedeutet nicht soziale Trennung – schließlich gibt es viele Möglichkeiten der Begegnung außerhalb der Schule. Glauben Sie, dass der Druck zur Reform wirklich von den betroffenen Familien kommt, oder wird dieses Thema eher politisch forciert?

Viele Familien wollen diese Reform gar nicht! Das ist ein ideologisch motiviertes Projekt, das von gewissen politischen Kreisen vorangetrieben wird. Die Menschen in Süd-Tirol wissen sehr genau, dass unser Schulmodell gut funktioniert – und sie wollen, dass es so bleibt. Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich außerhalb der Schule zu begegnen, ohne dass die Sprache darunter leidet.

Was sagen Sie Eltern, die für den Erhalt der muttersprachlichen Schule eintreten und Angst haben, dass ihre Kinder in einem gemischtsprachigen System Nachteile hätten?

Ihre Sorgen sind absolut berechtigt! Ein gemischtsprachiges Schulsystem würde dazu führen, dass ihre Kinder das Deutsche nicht mehr auf muttersprachlichem Niveau lernen. Das bedeutet schlechtere Chancen im Berufsleben und eine schleichende Assimilation. Der muttersprachliche Unterricht ist ein Schutz für unsere Kinder – und diesen Schutz müssen wir verteidigen.

Sollte es bei einer so grundlegenden Frage eine Volksabstimmung geben, oder sehen Sie diese Debatte als rein politische Angelegenheit?

Für mich ist die Debatte ein augenscheinlicher Versuch der Schwächung der Süd-Tiroler. Den Eltern wird förmlich eingeredet, dass die Kinder durch den muttersprachlichen Unterricht benachteiligt würden. Genau das Gegenteil ist der Fall! Aus gutem Grund dürfen Minderheitenrechte nicht allfälligen Befragungen unterworfen werden, denn wenn dieses Prinzip einreißt, könnte morgen auch ein Staatsvolk darüber entscheiden, ob eine Minderheit Autonomierechte bekommen soll. Das wäre das Ende jedes Minderheitenschutzes.

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