Minderheitenschutz oder Reformdruck? Südtirols Schulsystem im Fokus

UT24 hat mit den Fraktionen im Südtiroler Landtag gesprochen – über die Notwendigkeit, dieses bewährte Modell zu verteidigen oder ob Reformen tatsächlich ein gangbarer Weg wären. Heute mit Jürgen Wirth Anderlan von der Liste JWA.
Das Südtiroler Schulsystem gilt als tragende Säule des Minderheitenschutzes. Warum sollte man aus Ihrer Sicht an diesem bewährten Modell festhalten – oder es reformieren?
Das Südtiroler Schulsystem ist ein Etikettenschwindel. Deutsche Schulen sollten deutschen Südtirolern, ladinische Schulen ladinischen Südtirolern vorbehalten sein. In völlig überfremdeten Schulklassen kann es keinen Minderheitenschutz geben. Zudem sollten die Schulen grundsätzlich reformiert werden. Wir brauchen ganzheitliche Bildungsmodelle, in denen Kinder sich frei entfalten und ihren Fähigkeiten, Interessen und ihrer Geschwindigkeit gemäß lernen können, ohne künstlichen Druck. Das belegen zahlreiche Studien. Auch freie Lernorte und Elternunterricht als Pioniere des neuen Lernens gehören entsprechend gefördert.
Befürworter gemischtsprachiger Schulen argumentieren mit einem besseren Zusammenleben der Volksgruppen. Kritiker entgegnen, dass dies langfristig zur schleichenden Assimilation der deutschen Minderheit führen könnte. Teilen Sie diese Bedenken?
Definitiv. Wir können uns solche interethnischen Experimente nicht leisten, da sie unweigerlich zum Aussterben unserer Volksgruppen führen. Ein Blick ins Aostatal zeigt, wohin dieser Weg führen würde.
In anderen europäischen Regionen, in denen Minderheiten keine muttersprachliche Schule haben, kommt es oft zu sprachlicher Angleichung an die Mehrheitssprache. Wie kann verhindert werden, dass eine mögliche Einführung gemischtsprachiger Schulen langfristig zur Schwächung der deutschen Sprache in Südtirol führt?
Nur durch die Verhinderung der Einführung und in dem – gerade patriotische Parteien und Gruppen – sich nicht für die Integration von Fremden starkmachen, sondern für den Erhalt des Eigenen. Auch durch eigenständige Schulen für Einheimische.
Die Pisa-Studien zeigen, dass Südtirols deutschsprachige Schüler in ihrer Muttersprache überdurchschnittlich gut abschneiden. Sehen Sie eine Gefahr, dass eine Reform des Schulsystems hier negative Auswirkungen hätte?
Absolut. Die Bildungsautonomie unseres Landes fußt auf der Existenz unserer Volksgruppen. Wenn es unsere Volksgruppen nicht mehr gibt, gibt es keinen Grund mehr, die Bildungsautonomie aufrecht zu erhalten. Damit würde auch das Bildungsniveau sinken.
Ein entscheidender Punkt ist die Unterrichtsqualität: Kann eine Schule mit zwei Unterrichtssprachen wirklich sicherstellen, dass beide Sprachen gleichwertig erlernt werden? Oder besteht die Gefahr, dass eine Sprache – insbesondere das Deutsche – im schulischen Alltag in den Hintergrund rückt?
Nein. Sprachen sind wichtig. Doch die Grundlage muss immer die eigene Muttersprache bilden. Gerade für uns deutsche Südtiroler ist das Erlernen der deutschen Hochsprache essentiell. Sie bildet die Basis für das Erlernen weiterer Sprachen.
Der Schutz der deutschen Sprache ist auch eine Frage der Identität. Würde eine stärkere Durchmischung nicht langfristig dazu führen, dass sich die kulturelle Eigenständigkeit der Südtiroler abschwächt?
Definitiv. In der Sprache lebt das kulturelle Gedächtnis und das ethnische Bewusstsein eines Volkes. Wir denken, handeln und fühlen in unserer Sprache. Der Verlust der Muttersprache ist somit auch ein Verlust der eigenen Kultur und des eigenen Volkstums.
Sprachliche Trennung im Schulwesen bedeutet nicht soziale Trennung – schließlich gibt es viele Möglichkeiten der Begegnung außerhalb der Schule. Glauben Sie, dass der Druck zur Reform wirklich von den betroffenen Familien kommt, oder wird dieses Thema eher politisch forciert?
Es wird politisch forciert. Vertreter einer bunten, multiethnischen Gesellschaft wollen den Kindern ihre Ideologien aufzwingen. Damit zerstören sie jedoch die ethnokulturelle Grundlage unseres Landes.
Was sagen Sie Eltern, die für den Erhalt der muttersprachlichen Schule eintreten und Angst haben, dass ihre Kinder in einem gemischtsprachigen System Nachteile hätten?
Dass ich ihre Ängste teile und alles dafür tun werde, um die gemischtsprachige Schule zu verhindern und dafür zu sorgen, dass deutsche Schulen auch wieder deutsche Schulen sind.
Sollte es bei einer so grundlegenden Frage eine Volksabstimmung geben, oder sehen Sie diese Debatte als rein politische Angelegenheit?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich befürworten wir Volksabstimmungen. Uns sollte jedoch bewusst sein, dass wir deutschen Südtiroler mittlerweile nur mehr etwa über die Hälfte der Bevölkerung Südtirols stellen. Wenn dann noch Einheimische dazukommen, die die Idee einer gemischten Schule unterstützen, könnte die Abstimmung schnell nach hinten losgehen.






