Die Welt wird konservativer – und Südtirol? Ein Gespräch mit Altlandeshauptmann Luis Durnwalder

Altlandeshauptmann Luis Durnwalder kennt die politischen Strömungen aus jahrzehntelanger Erfahrung und verfolgt die Entwicklungen weiterhin genau. Wie sieht er die derzeitige politische Lage in Südtirol und darüber hinaus? Im Gespräch mit UT24 gibt er seine Einschätzung ab – und verrät, ob er persönlich den Doppelpass beantragen würde.
Die Welt scheint sich in letzter Zeit in vielen Bereichen wieder konservativer auszurichten. Ersichtlich ist das vor allem in der Politik. Jüngste Beispiele: Trump in den USA, die FPÖ in Österreich, die AfD wurde letzte Woche am Sonntag zur zweitstärksten Kraft in Deutschland gewählt. Sehen Sie das als positive Entwicklung?
Ja, ich denke, ein gewisses Maß an konservativen Werten kann durchaus positiv sein. Es ist wichtig, dass Politik nicht nur dem Zeitgeist folgt, sondern auch auf Bewährtes zurückgreift. Konservatismus bedeutet für mich jedoch nicht Stillstand, sondern vielmehr das Gute zu bewahren und gleichzeitig offen für neue Entwicklungen zu bleiben. Viele Menschen sehnen sich in turbulenten Zeiten nach Stabilität und klaren Werten, und das spiegelt sich auch im politischen Trend wider. Natürlich darf der Konservatismus nicht ins Extreme abrutschen. Ein gesundes Gleichgewicht ist entscheidend, um sowohl Sicherheit als auch Fortschritt zu gewährleisten.
Viele Menschen verbinden mit konservativer Politik Werte wie Heimatverbundenheit, Tradition und Identität. Gleichzeitig gibt es Kritiker, die befürchten, dass zu viel Konservatismus Fortschritt hemmen könnte. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin der Meinung, dass Tradition und Fortschritt keine Gegensätze sein müssen. Heimatverbundenheit und Identität sind wichtige Pfeiler einer stabilen Gesellschaft. Sie bieten Halt und Orientierung. Gleichzeitig darf das aber nicht bedeuten, dass wir uns verschließen. Es braucht einen gesunden Mix aus Bewahrung und Weiterentwicklung. Nur so können wir Traditionen mit neuem Leben füllen und sie an die heutige Zeit anpassen.
Für Südtirol ist das besonders wichtig, da wir in einer einzigartigen kulturellen und sprachlichen Situation leben. Unsere Identität ist eng mit unseren Traditionen verwoben, aber wir sind auch Teil Europas und müssen offen bleiben für neue Ideen und Einflüsse. Es ist ein Balanceakt, den die Politik meistern muss, um sowohl die Eigenständigkeit unseres Landes zu bewahren als auch den Anschluss an moderne Entwicklungen nicht zu verlieren.
Österreich stand kurz vor einer konservativen Regierungskoalition. Viele Südtiroler haben sich Hoffnung auf die doppelte Staatsbürgerschaft gemacht. Würden Sie persönlich den Doppelpass beantragen?
Ich habe es schon einmal gesagt: Ja, ich wäre der Erste, der den Doppelpass beantragen würde. Es ist nicht nur ein Symbol, sondern auch ein klares Bekenntnis zu unserer Identität. Es wäre zudem ein starkes Signal, dass unsere Geschichte und unsere kulturellen Bindungen über die heutigen Staatsgrenzen hinausgehen. Es geht nicht darum, Italien abzulehnen, sondern darum, unsere besondere Stellung zu betonen und unsere Verbundenheit mit Österreich zu zeigen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir jahrhundertelang Teil Österreichs waren. Unsere Kultur, unsere Geschichte und unsere Traditionen sind tief mit dem österreichischen Raum verwurzelt. Wir haben über viele Generationen hinweg die Schicksale Österreichs mitgetragen, Opfer gebracht und viele unserer Vorfahren sind für Österreich gefallen. Es wäre daher auch eine Form der Anerkennung unserer historischen Verbundenheit. Wie ich immer sage: Wir haben den Krieg nicht allein verloren. Diese doppelte Staatsbürgerschaft wäre ein Zeichen des Respekts gegenüber unserer Geschichte und ein klares Bekenntnis zu unseren Wurzeln.
Darüber hinaus bietet die doppelte Staatsbürgerschaft auch praktische Vorteile. Gerade in einer globalisierten Welt, in der Mobilität und internationale Netzwerke immer wichtiger werden, könnte ein österreichischer Pass vielen Südtirolern neue Möglichkeiten eröffnen. Sei es im Studium, im Beruf oder im alltäglichen Leben – es geht darum, Brücken zu bauen und uns als südtirolerische Gemeinschaft noch besser zu vernetzen. Letztlich ist der Doppelpass für mich mehr als ein bürokratisches Dokument. Er ist ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung unserer einzigartigen Identität.
In Südtirol beklagen viele Bürger letzthin Stillstand. Sie waren bekannt dafür, ein Macher zu sein und auch pragmatische Lösungen in schwierigen Situationen zu finden. Was würden Sie der heutigen Politik raten, um Südtirol gut in die Zukunft zu führen?
Es braucht Mut zur Entscheidung. Man kann nicht immer alles aussitzen und hoffen, dass sich Probleme von selbst lösen. Politik muss pragmatisch und gleichzeitig visionär sein. Wichtig ist es, langfristige Ziele zu setzen, aber auch kurzfristige Lösungen zu bieten, wenn sie notwendig sind. Der „Hausverstand“ darf dabei nicht verloren gehen. Entscheidungen sollten immer am Wohl der Bevölkerung ausgerichtet sein, ohne sich von Parteipolitik oder kurzfristigen Trends zu stark beeinflussen zu lassen.
Ich denke, es ist entscheidend, dass die Politik sowohl die wirtschaftliche als auch die kulturelle und soziale Dimension berücksichtigt. Die Menschen müssen sich in ihrer Heimat wohlfühlen, sowohl materiell als auch emotional. Das Ehrenamt spielt dabei eine große Rolle, denn es stärkt den Zusammenhalt und sorgt dafür, dass unsere Traditionen weiterleben. Gleichzeitig müssen wir offen für neue Ideen sein und auch einmal unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn sie langfristig zum Wohl unseres Landes beitragen.






