Bozen: Faschistische Relikte unter Denkmalschutz – Ein Skandal in Stein gemeißelt?

Die Geschichte Europas ist gepflastert mit den architektonischen Relikten dunkler Zeiten. Während in Deutschland ein sensibler Umgang mit der Architektur des Nationalsozialismus gepflegt wird, scheint Italien zwischen Abriss und Erhalt faschistischer Bauten zu schwanken. Besonders in Bozen, wo das ehemalige INA-Gebäude unter Schutz gestellt wurde, stößt diese Haltung auf Unverständnis.
Doch nicht überall in Italien scheint das Festhalten an den Bauten des Faschismus so stark ausgeprägt zu sein. Städte wie Pescara und Rom haben bewusst den Weg des Abrisses oder der städtebaulichen Milderung gewählt, um sich von der ideologischen Last vergangener Zeiten zu befreien. Ein Blick auf diese Beispiele verdeutlicht, dass es auch anders geht – und dass Abriss nicht nur Platz für Neues schafft, sondern auch ein starkes Statement gegen die Ideologien vergangener Regime setzen kann.
Pescara: Abriss der „Centrale del Latte“ – Ein Zeichen für Erneuerung
Im Jahr 2010 entschied die Stadt Pescara, die „Centrale del Latte“ (Milchzentrale) abzureißen, bevor der Gemeinderat die Möglichkeit hatte, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Dieser Schritt zeigt, dass der Wille zur Erneuerung über dem Erhalt belasteter Bauten stehen kann.
Rom: Umgestaltung des Stadtbildes – Mussolinis Eingriff in die Ewige Stadt
Für die Schaffung der Via della Conciliazione, die vom Tiber direkt zum Petersdom führt, ließ das faschistische Regime unter Benito Mussolini das historische Stadtviertel Borgo abreißen. Historische Gebäude und enge Gassen wichen einer breiten Prachtstraße, die die Macht und den Einfluss des Regimes demonstrieren sollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jedoch städtebauliche Anpassungen vorgenommen, um die monumentale Wirkung der Straße zu mildern.
Bozen: Festhalten an Relikten – Verharren in der Vergangenheit?
Im Gegensatz dazu scheint Bozen einen anderen Kurs einzuschlagen. Das ehemalige Haus der faschistischen Partei, die Casa Littoria, präsentiert weiterhin den Duce im römischen Gruß. Die hinzugefügte Inschrift von Hannah Arendt „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ wirkt in diesem Kontext wie ein Feigenblatt, das die ungebrochene Präsenz faschistischer Symbole kaschieren soll.
Auch das Siegesdenkmal in Bozen bleibt umstritten. Zwar wurde 2014 ein LED-Ring mit einem Zitat von Hannah Arendt angebracht, doch die ursprüngliche Symbolik des Denkmals bleibt weiterhin präsent. Das Denkmal, einst ein Symbol für den Sieg Italiens über Österreich-Ungarn und die Faschisierung Südtirols, steht nach wie vor im Stadtbild – ein Mahnmal oder doch ein Überbleibsel eines dunklen Kapitels?
Besonders schockierend wirkt in diesem Kontext die kürzlich beschlossene Unterdenkmalschutzstellung des ehemaligen INA-Gebäudes. Die Entscheidung, die von der regierenden SVP vorangetrieben wurde, stieß nicht nur bei Historikern auf Unverständnis, sondern auch in der breiten Bevölkerung. Kritiker werfen der Politik vor, damit die Geschichtsbewältigung zu verwässern und statt eines Bruchs mit der Vergangenheit eher eine Normalisierung faschistischer Architektur zu betreiben.
Deutschland: Abriss nationalsozialistischer Bauten – Konsequenz als Mahnung
In Deutschland wurden zahlreiche Bauwerke aus der NS-Zeit abgerissen, um sich von der belasteten Vergangenheit zu distanzieren. Ein markantes Beispiel ist das Haus des Fremdenverkehrs in Berlin, ein unvollendetes Bauwerk der geplanten „Welthauptstadt Germania“. Das Gebäude, das als repräsentativer Eingang für internationale Besucher dienen sollte, wurde nie vollendet und nach dem Krieg 1962 abgerissen. Der Abriss dieses Bauwerks steht symbolisch für den bewussten Umgang mit der eigenen Geschichte und den klaren Bruch mit der Ideologie des Nationalsozialismus.
Zeit für ein Umdenken
Es stellt sich die Frage: Warum hält Bozen an Relikten fest, die andere Städte bewusst entfernen oder kritisch hinterfragen? Es ist an der Zeit, den Umgang mit diesen Symbolen zu überdenken und klare Zeichen gegen die Verherrlichung totalitärer Regime zu setzen.






