von Alexander Wurzer 08.02.2025 09:30 Uhr

Südtirols Lehrermisere: Ein Land, das seine Akademiker vergrault

Vor zwanzig Jahren beging die Lehrperson den größten Fehler ihres Lebens: Sie kehrte als Akademiker nach Südtirol zurück. Heute zieht sie die Reißleine: „Adieu Südtirol, ihr werdet uns in der Dolomiten bei den Südstern-Treffen (Südtiroler im Ausland) wiedersehen.“

Viel zu viele Südtiroler wandern inzwischen aus und sagen Südtirol "Goodbye" (Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)

So verabschiedet sich eine Lehrperson, die jahrelang als Bittsteller durch die Südtiroler Schullandschaft irrte, in einem erschütternden Facebook-Post in der Gruppe „Südtiroler Lehrpersonen / Insegnanti in Alto Adige“. Und sie ist nicht die Einzige.

Bittsteller statt Fachkraft: Die erbärmliche Realität der Lehrer

„Jeden Sommer auf eine Stelle hoffen (von Vinschgau, bis ins Pustertal… überall bin ich schon wegen einer Jahressuplenz hingependelt), auf eine Stammrolle hoffen, auf ein gerechtes Gehalt hoffen.“ So beschreibt die Lehrperson ihren Berufsalltag, einen Alltag voller Ungewissheit und existenzieller Unsicherheit. Was eigentlich ein angesehener Beruf sein sollte, ist in Südtirol längst zur Lotterie verkommen. Lehrer sind keine respektierten Säulen der Gesellschaft mehr, sondern Bittsteller. Sie bitten um einen fairen Stundenplan, um Klassen, die nicht aus allen Nähten platzen, um weniger unbezahlte Zusatzarbeit. Und jetzt bitten sie auch noch darum, dass ihre Kaufkraft nicht vollkommen dahinschmilzt.

Politik mit dem Kopf im Sand: Das Establishment lässt seine Akademiker im Stich

Seit Jahren wird diskutiert, verhandelt, beschwichtigt. Doch an den Realitäten ändert sich nichts. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf! Die Löhne der Lehrer in Südtirol sind lächerlich im Vergleich zu denen in Österreich oder Deutschland. Und während unsere Nachbarländer auf die Abwanderung ihrer Fachkräfte reagieren, steckt die Landesregierung den Kopf in den Sand und hofft, dass sich die Probleme von selbst lösen.

Doch sie lösen sich nicht. Sie verschärfen sich. Eine Studie des Südtiroler Unternehmerverbands zeigt: Zwischen 2011 und 2023 haben rund 14.000 Südtiroler ihr Heimatland verlassen, viele von ihnen gut ausgebildete Fachkräfte. Ein Exodus, der mit jedem Jahr dramatischer wird.

Himmelhohe Preise, Hungerlohn-Gehälter – und keine Lösung in Sicht

Parallel zu den beschämend niedrigen Gehältern schießen die Lebenshaltungskosten durch die Decke. Wer in Südtirol leben will, braucht entweder reiche Eltern oder die Geduld eines Heiligen. Mietpreise, die mit der Schweiz konkurrieren, Immobilienpreise, die sich nur Investoren aus dem Ausland leisten können. Und was macht die Politik? Sie erkennt das Problem – und tut nichts.

Südtirol als Land der Billigarbeiter?

Der resignierte Lehrer fasst das Dilemma brutal ehrlich zusammen: „Soll unsere Heimat von Billigarbeitern aus dem Süden übernommen werden und unsere Immobilien von zahlungskräftigen Touristen.“

Was hier im Bildungsbereich geschieht, ist kein Einzelfall. Südtirol erlebt eine sektorübergreifende Krise, die auch das Gesundheitswesen und andere essenzielle Bereiche betrifft. Immer mehr gut ausgebildete Südtiroler sehen sich gezwungen, das Land zu verlassen, weil ihnen hier keine berufliche Zukunft geboten wird. Ihre Stellen bleiben oft unbesetzt oder werden mit geringer qualifizierten Arbeitskräften gefüllt. Dadurch verschlechtert sich nicht nur die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, sondern auch die Arbeitsbedingungen für jene, die bleiben. Der Fachkräftemangel ist nicht mehr eine drohende Gefahr – er ist längst Realität.

Zusätzlich verschärft sich die Lage am Wohnungsmarkt. Viele Touristen erwerben Zweitwohnungen in Südtirol oder Einheimische vermieten ihre Immobilien über Airbnb und ähnliche Plattformen, anstatt sie der lokalen Bevölkerung zugänglich zu machen. Die Folge: Die Miet- und Immobilienpreise steigen weiter, sodass viele Südtiroler weder kaufen noch angemessen wohnen können. Während manche Immobilien über weite Teile des Jahres leer stehen, werden immer mehr Einheimische verdrängt und zum Wegzug gezwungen. Der Immobilienmarkt gerät zunehmend in die Hände von Spekulanten und ausländischen Investoren, die keinerlei Bezug zum Land haben. Südtirol läuft Gefahr, seine Identität zu verlieren und sich in ein Land zu verwandeln, das vorrangig für Tourismus und Billigarbeit existiert, aber seiner eigenen Bevölkerung kaum noch eine Perspektive bietet.

Ein Weckruf, der nicht überhört werden darf!

Es muss sich jetzt etwas ändern! Die Gehaltserhöhung für Lehrer darf sich nicht nur auf einen Inflationsausgleich beschränken – sie muss weit darüber hinausgehen! Es braucht eine Strategie gegen den Fachkräftemangel, eine Offensive für leistbares Wohnen und endlich eine Politik, die handelt, anstatt auszusitzen.

Wenn sich nichts ändert, wird Südtirol in wenigen Jahren ein Land voller schlecht bezahlter Arbeiter, leerer Schulen und ausverkaufter Heimat sein. Ein Land, das sich selbst aufgibt.

Der Lehrer hat seinen Entschluss bereits gefasst. Wie viele werden ihm noch folgen?

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