Dreizehnlinden – Ein Stück Tirol im Herzen Brasiliens

Die Tiroler Kultur ist das Herzstück der Stadt. Doch wie schafft es Dreizehnlinden, diese Traditionen in einer globalisierten Welt am Leben zu erhalten? Antworten liefert auf Nachfrage von UT24 Professor Everton Altmayer, Vorsitzender des Kulturzentrums Dona Leopoldina.
Ein lebendiges Erbe – Die Bedeutung der Musik
„Treze TÃlias ist das ‚brasilianische Tirol‘ wegen unserer starken Kultur. Seit der Gründung der ersten Siedlung im Jahr 1933 haben die Einwanderer diese auf fröhliche Weise bewahrt“, erklärt Professor Altmayer. Ein zentraler Bestandteil dieser Kultur ist die Musik. „Die Musikkapelle, die noch auf dem ersten Schiff gegründet wurde, spielt immer noch schöne Melodien auf unseren Veranstaltungen.“
Die Musik prägt nicht nur Feste und Feiern, sie ist ein Symbol für die Verbindung der Stadt zu ihren Wurzeln. „Der erste Auftritt der Musikkapelle fand in Rio de Janeiro statt, als die Einwanderer ankamen“, erzählt Altmayer. In den vergangenen 90 Jahren reisten die Musiker durch ganz Brasilien und traten bei wichtigen nationalen Veranstaltungen auf. Die Kapelle, ebenso wie die zahlreichen Tanz- und Chorgruppen der Stadt, spielt eine Schlüsselrolle im Erhalt der Traditionen.
„In Dreizehnlinden wohnen etwa 9.000 Menschen verschiedener Volkszugehörigkeiten, und wir haben hier zwei Musikkapellen, zwei Musikgruppen, vier Schuhplattlergruppen, eine deutsche Volkstanzgruppe, eine italienische Volkstanzgruppe und fünf Chorgruppen“, so Altmayer weiter. Diese Vielfalt zeigt, dass die Kultur längst nicht mehr nur den Nachkommen der Tiroler Siedler vorbehalten ist. „Bei uns lebt man wirklich die Kultur und es ist gut so.“
Die Kunst des Holzschnitzens
Neben der Musik ist Dreizehnlinden auch für seine Holzschnitzkunst bekannt, ein weiteres Erbe der Tiroler Einwanderer. In zahlreichen Werkstätten der Stadt entstehen handgeschnitzte Skulpturen, Möbel und religiöse Figuren, die sowohl in Brasilien als auch international geschätzt werden.
„Jeder Besucher nimmt etwas mit: Dreizehnlindner Andenken oder einfach schöne Erinnerungen“, sagt Altmayer über die Verbindung zwischen Tourismus und Kunsthandwerk. Die Holzschnitzerei, die seit Generationen von den Nachfahren der Tiroler Siedler praktiziert wird, ist zu einem wesentlichen Bestandteil der lokalen Identität geworden.
Sprache und Identität – Der Tiroler Dialekt
Während die Musik und das Handwerk in Dreizehnlinden weiterhin stark von den Tiroler Traditionen geprägt sind, steht die Sprache vor größeren Herausforderungen. Der Tiroler Dialekt, der einst auf den Straßen der Stadt allgegenwärtig war, wird heute nur noch selten gesprochen. „Ehrlich gesagt, nicht viele“, antwortet Altmayer auf die Frage, ob es noch viele junge Menschen gibt, die den Dialekt beherrschen. „Natürlich hören die Enkelkinder, wie ihre Großeltern sprechen, und deshalb ist ein ‚Griaß di‘ etwas ganz Normales für viele Nachkommen.“
Jedoch lernen viele Jugendliche Hochdeutsch, um in Europa zu arbeiten. „Viele Dreizehnlindner haben die österreichische, italienische oder deutsche Staatsbürgerschaft und möchten eine Berufserfahrung in Europa machen“, erklärt Altmayer. „Im Kulturzentrum haben wir ein interessantes Projekt, eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wildschönau in Nordtirol. Die jungen Kursteilnehmer, die den ganzen Deutschkurs besucht haben, können zwei Wochen bei einer Familie in der Wildschönau wohnen, um die Deutschkenntnisse zu verbessern, die Sprache zu praktizieren und ein schönes Erlebnis in Tirol zu haben.“
Tourismus und die Wahrnehmung von Dreizehnlinden
Dreizehnlinden zieht Jahr für Jahr Tausende von Touristen an, die das „Brasilianische Tirol“ erleben möchten. Besucher aus Österreich und Südtirol sind keine Seltenheit. Die Stadt fasziniert durch ihre alpenländische Architektur und die vielen Ateliers, die handgefertigte Holzskulpturen anbieten. „Man sieht, sie finden unsere Stadt schön und unsere Bewohner fröhlich“, sagt Altmayer über die Reaktionen der Touristen.
Doch er betont auch, dass Dreizehnlinden nicht nur eine touristische Attraktion ist. „Manchmal kommen Journalisten aus Europa, die glauben, diese ‚Tiroler Kultur‘ ist wie ein Disneyland für Touristen. Sie denken absolut falsch. Treze TÃlias ist einfach so und wir sind stolz auf unsere Stadt.“
Herausforderungen der Zukunft
Mit dem wirtschaftlichen Wachstum und dem Zuzug von Familien aus anderen Teilen Brasiliens steht Dreizehnlinden vor der Herausforderung, seine kulturelle Identität zu bewahren. „Es gibt ja natürlich Leute, die unsere Kultur nicht verstehen, aber dagegen sind sie absolut nicht“, sagt Altmayer. Viele der Zugezogenen integrieren sich, insbesondere durch ihre Kinder, die in den Tanzgruppen mitmachen oder Deutschkurse im Kulturzentrum besuchen.
Für Professor Altmayer ist die Pflege der Kultur entscheidend für die Zukunft der Stadt. „Ich finde es wichtig, die Dreizehnlindner Kultur – also diese Mischung des brasilianischen Tirols – weiter zu pflegen. Sie existiert nicht nur für die Touristen. Sie ist unser Kulturgut und gehört zu uns.“
Ein zentraler Bestandteil der lokalen Wirtschaft ist die Molkerei Tirol, eine der größten Molkereien Brasiliens. Sie hat der Stadt Wohlstand gebracht und zieht viele neue Familien an. Trotz dieser wirtschaftlichen Entwicklungen bleibt die Tiroler Kultur das Herzstück von Dreizehnlinden.
Ein Symbol kultureller Beständigkeit
Dreizehnlinden ist mehr als nur ein touristisches Ziel oder eine Siedlung mit europäischen Wurzeln. Es ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Tradition und Moderne in einer globalisierten Welt nebeneinander bestehen können. Dank der Arbeit von Professor Altmayer und anderen engagierten Bürgern bleibt die Kultur dieser einzigartigen Stadt ein lebendiger Teil der Gegenwart und der Zukunft.
In einer Welt, in der viele Gemeinschaften ihre kulturellen Wurzeln verlieren, zeigt Dreizehnlinden, wie tief verwurzelte Traditionen in einer neuen Heimat gedeihen können – nicht als Relikt der Vergangenheit, sondern als aktiver Teil des Lebens, der von Generation zu Generation weitergetragen wird.






