Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 5)

Rolf Steininger, der lange Jahre Professor des Verfassers der vorliegenden Rezension war, widmet sich in der Publikation detailliert der politischen Entwicklungen, die zum Pariser Vertrag führten und beleuchtet sowohl die österreichischen als auch die italienischen Perspektiven.
Diplomatisches Ringen um Zukunft Südtirols
Die genaue Aufarbeitung der Verhandlungen, die im Spätsommer 1946 in der französischen Hauptstadt Paris über die Bühne gingen, sowie die Analyse der politischen Manöver in Wien und London bieten für den Leser wertvolle Einblicke in das diplomatische Ringen um die Zukunft Südtirols. Hervorzuheben sind auch die umfangreiche Dokumentation und die minutiöse Auflistung der Ereignisse, die das Buch zu einem guten wie gleichermaßen unverzichtbaren Nachschlagewerk für Historiker und politische Interessierte machen.
Dessen ungeachtet teilt der Rezensent keineswegs vollständig Steiningers zentrale These, dass das Gruber-De Gasperi-Abkommen eine „Magna Charta“ für Südtirol gewesen sei. Der renommierte Zeithistoriker beschreibt den Vertrag als grundlegenden Schritt in Richtung Autonomie, doch die Realität, dass Südtirol erst durch die Streitbeilegung 1992, also beinahe ein halbes Jahrhundert später, den vorläufigen Abschluss des Kampfes „begehen“ konnte, wirft Fragen auf. Diese lange Periode des Ringens um die Durchsetzung der Autonomie steht in einem scharfen Kontrast zur südlichen Provinz Trient, das seine Autonomie gewissermaßen „geschenkt“ bekam und deren Feierlichkeiten verhältnismäßig spärlich ausfallen.
Trotz dieser Kritikpunkte ist Steiningers Buch ein Werk, das durch eine beeindruckende Tiefe besticht. Die Darstellung der politischen und diplomatischen Zusammenhänge und das umfangreiche und ansehnliche Quellenmaterial machen es zu einem wichtigen Beitrag zur Forschung über die Südtirolfrage, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sofort gelöst wurde.
von Andreas Raffeiner
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Rolf Steininger: Los von Rom? Die Südtirolfrage 1945/1946 und das Gruber-De Gasperi-Abkommen (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, Bd. 2), Innsbruck 1987.






