Als Klausen 1921 im Wasser versank: Chronik einer Jahrtausendflut

Blick ins 18. Jahrhundert
Bereits Ende August 1757 kam es zu einer Katastrophe. Der Eisack bäumte sich in der Gegend von Brixen, Klausen und Bozen auf, die Zuflüsse wurden innerhalb kürzester Zeit zu tosend-stürmischen Wildbächen. Viele Felder und Kulturgründe wurden überflutet und in späterer Folge fortgerissen. Außerdem mussten die unter Schock stehenden und verängstigten Einwohner mit ansehen, wie ihre Häuser, aber auch Brücken und andere Verbindungen fortgeschwemmt oder stark beschädigt wurden.
Die Straßen und Wege wurden zu einem großen Teil zerstört. Beim Schloss Anger riss der umtriebige Hauptfluss des Eisacktals fruchtbares Land fort. Doch im Jahr 1921 sollte eine noch viel größere Katastrophe folgen.
Chronologie der Ereignisse rund um die Jahrtausendflut
Vom bisher verheerendsten und größten Unwetterereignis wurde Klausen am 9. August 1921 abends, also vor 103 Jahren, heimgesucht. Nach einem schrecklichen Sturm wurde der ansonsten ruhig und beschaulich dahinfließende Tinnebach zu einer imposanten, außergewöhnlichen und gewaltigen Schlammlawine. Sie begrub binnen kürzester Zeit alles unter sich und stürzte zu Tal.
Darüber hinaus vermurte sie an der Einmündung in Klausen das Flussbett des Eisacks. In der Folge verstrichen gerade einmal 30 Minuten, ehe der Hauptfluss einen Rückstau bildete. Im geschichtsträchtigen Stadtzentrum von Klausen stieg er auf unheilschwangere und bedrohliche zehn Meter an.
Wie auf einem See mussten sich die Bewohner von Klausen fortbewegen. – Bild: Stadtarchiv Klausen
Katastrophe fordert drei Todesopfer
Der Wasserpegel war sehr hoch. Noch heute kann man den Stand an mehreren Häusern der Stadt – unter anderem an der Grundschule, der Pfarrkirche, dem Widum oder dem historischen Ansitz Griesbruck – nachlesen. Drei Menschen mussten in den Fluten ihr Leben lassen.
Im damaligen Stadtspital ertrank eine Frau, und auf der Frag kam ein Mann, der ins Obergeschoss seines Domizils fliehen wollte, zu Tode. Eine dritte Person starb ebenfalls. Eine weitere Frau, die in einem Haus am Tinnebach lebte, wurde hingegen in allerletzter Sekunde gerettet. Sich an einer Tür festhaltend, versank sie bis zur Brust im braunen Schlamm. Erst in den frühen Morgenstunden des Folgetages konnte sie aus ihrer misslichen Lage befreit werden.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Zwei Tage und zwei Nächte war das ansonsten so reizvoll gelegene Städtchen von der Außenwelt komplett abgeschnitten. Die Verkehrswege konnten erst im Laufe der Zeit unter größten Mühen und Kraftanstrengungen vorübergehend wieder befreit werden. Die Schäden, welche die schreckliche Unwetterkatastrophe verursacht hatte, waren außerordentlich groß.
Nachdem das Wasser abgeflossen war, zeigte sich das ganze Ausmaß der Zerstörung. – Bild: Stadtarchiv Klausen
Schwierige Aufräumarbeiten
Die mühseligen Aufräumarbeiten erwiesen sich als schwer und zogen sich über mehr als zwei Jahre hin. Das ausgedehnte und breite Flussbett des Eisacks musste neu angelegt werden. Ferner musste der Tinnebach, von dem das ganze Malheur ausgegangen war, freigelegt werden. Auf diese Weise wurden sowohl 200.000 Kubikmeter Material bewegt als auch 6.000 Kubikmeter Schutzbauten errichtet.
Die Menschen versammelten sich vor der Kirche. – Bild: Stadtarchiv Klausen
Kaiser Karl und Klausen
Zur schicksalhaften Figur wurde Klausens Bürgermeister Valentin Gallmetzer. Für die Schadensbehebung stellte der letzte österreichische Kaiser Karl I. – obwohl er nicht mehr an der Macht war und Südtirol infolge des unglücklichen Kriegsendes von Italien annektiert worden war – Geld zur Verfügung.
Der Gemeindechef nahm dieses dankend an und informierte pflichtgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen den in Bozen sitzenden italienischen Zivilkommissär. Dieser war jedoch alles andere als erfreut und erteilte dem ebenso verdutzten wie konsternierten Bürgermeister einen Verweis strengster Natur.
In den Augen des Zivilkommissärs war der Spendenzweck nämlich als politisch und keineswegs als humanitär einzustufen. Gallmetzer, der von den Faschisten im Jahre 1926 abgesetzt wurde und an dessen Stelle dann ein Podestà folgte, hätte als italienischer Staatsbeamter diese finanziellen Unterstützungen niemals annehmen dürfen.
Blick in die Gegenwart
In den sozialen Medien erinnerte der Landesfeuerwehrverband an die Unwetterkatastrophe und schrieb, dass die Hochwasser der vergangenen Jahre uns die Gewalt und das Gefahrenpotenzial anschwellender Flüsse mehrfach eindrucksvoll vor Augen geführt hätten.
So seien Hochwasser Naturereignisse, die es immer gegeben habe und immer geben werde. In Klausen, dem mittelalterlichen Städtchen, weiß man um ihr Gefahrenpotenzial ganz besonders Bescheid und hofft, dass sich die Ereignisse von vor mehr als 100 Jahren nicht noch einmal wiederholen.
von Andreas Raffeiner






