Korsika und Südtirol: Zwei Regionen, ein Ziel – Unabhängigkeit

Im Laufe ihrer bewegten Geschichte stand Korsika unter der Herrschaft verschiedener Mächte. Römer, Mauren, Genuesen und Franzosen regierten die Insel zu unterschiedlichen Zeiten und beeinflussten mit ihren Bräuchen das Leben der Korsen. Immer wieder kam es zu Aufständen, in denen die Korsen erfolgreich gegen die Fremdherrschaft kämpften und die Besatzer vertrieben. Dies dauerte bis zum Jahr 1768, als die Republik Genua die Insel Korsika an Frankreich abtrat, welches seither die Insel – gegen den Willen der Korsen -besetzt.
Die Forderungen nach Unabhängigkeit haben die Insel geprägt und erinnern in vielerlei Hinsicht an die Bestrebungen Südtirols, das ebenfalls eine bewegte Geschichte des Kampfes um politische Freiheit vorweisen kann.
Die Unabhängigkeitsbewegung Korsikas
Die korsische Unabhängigkeitsbewegung ist tief verwurzelt in der Geschichte und Kultur der Insel. Seit den 1960er Jahren hat sich der Kampf für mehr Autonomie und Unabhängigkeit kontinuierlich intensiviert. Ein zentraler Akteur in diesem Kampf war die Front de Libération Nationale Corse (FLNC). Diese Organisation führte von den 1970er Jahren bis in die 2000er Jahre eine bewaffnete Kampagne gegen französische Institutionen und Einrichtungen auf Korsika, um die Unabhängigkeit der Insel zu erzwingen. Die FLNC griff dabei mitunter auch zu drastischen Mitteln, darunter Bombenanschläge und Sabotageaktionen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Obwohl die Gruppe 2014 einen Waffenstillstand verkündete, bleibt die Forderung nach Unabhängigkeit ein zentrales Thema in der korsischen Politik.
Banner auf einer Eisenbahnbrücke – Bild: UT24/mmh
Gewalt kehrt zurück
Nach fast 20 Jahren Haft wurde Yvan Colonna, der wohl bekannteste politische Häftling Korsikas, im März 2023 in einem südfranzösischen Gefängnis von einem Mithäftling so schwer verletzt, dass er kurz danach starb.
Sein Porträt ist x-fach auf korsischen Häusern und den Gebäuden der Universität Corte abgebildet. Viele hier verehren Colonna, obwohl er als Mörder verurteilt wurde. Seine Anhänger glauben an Colonnas Unschuld, der französische Staat wird als Attentäter bezeichnet.
In den korsischen Städten kocht seitdem die Wut hoch. Die Proteste auf den Straßen schlugen zum Teil in Gewalt um. Vor allem junge Menschen rufen den Slogan: „Der französische Staat sei ein Mörder.“
Im Herbst 2023 kam es zu zahlreichen Bombenanschlägen. Die klandestine Separatisten-Gruppe FLNC, die Korsische Nationale Befreiungsfront, reklamierte diese Anschläge für sich. In ihrem Bekennerschreiben schreiben sie: „Es gibt keine gemeinsame Zukunft mit Frankreich.“
Seit letztem Jahr gehen die Korsen wieder auf die Straße und es kommt mintunter zu Unruhen – Bild: Screenshot ARD/Tagesschau
Parallelen zu Südtirol
Die Situation in Korsika weist bemerkenswerte Parallelen zur Geschichte Südtirols auf. Auch Südtirol, ein Land mit einer eigenen kulturellen und sprachlichen Identität, hat in den 1960er Jahren einen intensiven Kampf zur Loslösung des italienischen Staates geführt. Der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) verübte in dieser Zeit zahlreiche Anschläge auf italienische Einrichtungen, um die Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung zu verteidigen und eine Autonomie oder gar die Rückkehr zu Österreich zu erwirken.
Heute genießt Südtirol weitreichende Autonomierechte innerhalb Italiens, doch die Erinnerungen an den Freiheitskampf sind immer noch gegenwertig. Die Frage der Unabhängigkeit bzw. Wiedervereinigung mit dem Vaterland Österreich ist nach wie vor ein sensibles Thema, das regelmäßig auf politische Agenden zurückkehrt.
Die Problematik der Ortsnamengebung
Ein weiteres gemeinsames Problem beider Regionen ist die Frage der Ortsnamengebung. Auf Korsika kämpfen viele für die Wiederherstellung traditioneller korsischer Ortsnamen, die im Laufe der Zeit französisiert wurden. Diese Namen sind ein wichtiger Teil der korsischen Identität und Kultur, und ihre Wiederherstellung wird als ein Schritt hin zu mehr Anerkennung und Respekt für die lokale Kultur betrachtet.
Auch in Südtirol ist die Frage der Ortsnamen ein zentrales Anliegen. Viele Ortsnamen wurden während der italienischen Faschistenherrschaft italienisiert, was bis heute zu Spannungen führt, da die einzig amtlich gültigen Namen, nach wie vor faschistische Kreationen sind. Die Rückkehr zu den traditionellen deutschen und ladinischen Ortsnamen wird als wichtiger Teil des kulturellen Erbes und der regionalen Identität betrachtet.
Ortsnamenlösung auf korsisch: Man findet kaum einen Wegweiser oder Schild auf der Insel, auf dem nicht der französische Ortsname überpinselt oder mit Schrot durchlöchert ist. Für viele Korsen ist ihre Sprache ein Teil ihrer Identität – Bild: UT24/mmh
Ein gemeinsamer Weg zur Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Korsika und Südtirol sind Ausdruck des Wunsches nach Anerkennung, Selbstbestimmung und Erhalt der kulturellen Identität. Beide Regionen teilen das Schicksal, innerhalb eines größeren Staates, um ihre Rechte und ihre Identität kämpfen zu müssen. Die Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegungen in diesen Regionen ist ein Zeichen für das Recht auf Selbstbestimmung und den Respekt vor kultureller Vielfalt.
In einer globalisierten Welt, in der nationale Identitäten oft unter Druck geraten, sind die Kämpfe der Korsen und Südtiroler ein wichtiges Signal für den Wert der regionalen Kultur und Autonomie. Es ist an der Zeit, dass sowohl Korsika als auch Südtirol die volle Anerkennung und die Möglichkeit zur Selbstbestimmung erhalten, die sie seit langem fordern.
Die Parallelen zwischen den beiden Regionen zeigen, dass der Kampf um Unabhängigkeit und Anerkennung universelle Themen sind, die über geografische und kulturelle Grenzen hinweg relevant bleiben. Es liegt an uns, diese Bestrebungen zu unterstützen und den Dialog für eine gerechte und respektvolle Lösung zu fördern.
„Franzosen raus“ – Aufschrift am Gebäude der Universität Corte – Bild: UT24/mmh






