von Alexander Wurzer 03.08.2024 11:00 Uhr

Airbnb in Südtirol: Zwischen Wirtschaftsboom und Wohnungsnot

In Südtirol hat Airbnb einen beispiellosen Aufschwung erlebt, der weitreichende Auswirkungen auf die lokale Wohnsituation und den traditionellen Tourismussektor hat. Zwischen 2018 und 2022 verdoppelte sich die Anzahl der auf der Plattform angebotenen Unterkünfte von 2.267 auf 5.465, wie Daten des ASTAT vom Oktober 2023 belegen. Mit 321.954 Buchungen und fast 1,82 Millionen Übernachtungen allein im Jahr 2022 stellt sich zunehmend die Frage, inwiefern diese boomende Vermietungspraxis die Wohnungsnot verschärft und die Preise in die Höhe treibt.

Bild von Peggy auf Pixabay

Dramatischer Einfluss auf die Wohnsituation

Die Verfügbarkeit von Wohnraum für die einheimische Bevölkerung wird durch Airbnb zunehmend eingeschränkt. Während Urlauber von kurzfristigen Aufenthalten profitieren, sehen sich Einheimische mit einem schrumpfenden Angebot an Mietwohnungen und steigenden Preisen konfrontiert. Dieses Phänomen ist nicht nur in Südtirol, sondern auch in Metropolen wie Barcelona und New York zu beobachten, wo bereits Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen wurden.

Die wirtschaftliche Verlockung für Vermieter

In touristisch beliebten Ortschaften wie Niederdorf im Pustertal zeigt sich die starke Anziehungskraft der Kurzzeitvermietung besonders klar. Eine 40 Quadratmeter große Wohnung wird dort für 354 Euro pro Nacht angeboten. Bei einer Vollvermietung im Monat können Vermieter Einnahmen von über 10.000 Euro erzielen. Diese hohe Rentabilität führt dazu, dass immer mehr Wohnungen dem traditionellen Mietmarkt entzogen und stattdessen auf Airbnb angeboten werden. Diese Entwicklung verschärft die Wohnkrise weiter, da weniger Wohnraum für die lokale Bevölkerung verfügbar ist und die Mietpreise steigen.

Die Reaktion der lokalen Akteure

Wie reagieren die traditionellen Akteure des Tourismussektors auf diese Entwicklung? UT24 hat den Direktor des Hoteliers- und Gastwirteverbandes (HGV), Raffael Mooswalder, dazu befragt.

  • HGV-Direktor Raffael Mooswalder (Quelle: Facebook/Raffael Mooswalder)

Wie bewerten Sie die Auswirkungen von Airbnb auf den lokalen Wohnungsmarkt in Südtirol?

Grundsätzlich befürwortet der HGV einen Mix aus verschiedenen Unterkunftsmöglichkeiten, d.h. dass es neben gastgewerblichen Betrieben wie etwa Hotels oder Pensionen auch nicht-gewerbliche Unterbringungsformen wie etwa Privatzimmervermietungen oder Urlaub auf den Bauernhof gibt. Diese generieren zwar unweigerlich Konkurrenzdruck auf die gastgewerblichen Betriebe, aber das eigentliche Problem ist ein anderes. In den letzten Jahren ist die Zahl der Zweitwohnungen und der Wohnungen, die touristisch genutzt werden, stark angestiegen. Laut Astat werden in Südtirol rund 59 Prozent aller Wohnungen als Hauptwohnung eingestuft und 10,4 Prozent als vermietete Wohnungen. Es folgen Zweitwohnungen oder ungenutzte Wohnungen mit 10,2 Prozent und Wohnungen für touristische Zwecke mit 7 Prozent (über 20.000 Wohnungen). Den Einheimischen geht also viel Wohnraum verloren. Diese Entwicklung generiert unweigerlich Druck auf den ohnehin bereits knappen Wohnungsmarkt, was sich wiederum in den Wohnungspreisen niederschlägt. Nicht zuletzt entsteht für die gastgewerblichen Betriebe unlautere Konkurrenz.

Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um eine faire Balance zwischen Tourismus und verfügbarem Wohnraum zu gewährleisten?

Tourismus ist nicht gleich Tourismus. Das eine ist die gewerbliche Beherbergung, das andere die touristische Vermietung privaten Wohnraums. Die Zahlen zeigen einen Boom in der touristischen Kurzzeitvermietung, während die Zahl der gastgewerblichen Beherbergungsbetriebe über die Jahre stagniert. Es ist daher notwendig, die Vermietung privaten Wohnraums zu regulieren und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den touristischen Unterkunftsarten zu schaffen. Ein Hebel dazu sind die Steuern wie etwa die GIS. Ein anderer Hebel würde über die gesetzlichen Auflagen führen. Es ist nämlich nicht erklärbar, warum für einen kleinen gastgewerblichen Beherbergungsbetrieb strengere oder bürokratischere Auflagen gelten sollen, wie für die touristische Vermietung privaten Wohnraums. Essenziell ist jedenfalls auch, dass dieses Phänomen der Vermietungen künftig besser kontrolliert werden muss. Die neue nationale Datenbank inkl. Identifikationskodex für alle, die Unterkünfte bzw. Wohnungen zu touristischen Zwecken anbieten, der sog. CIN, kann hier Abhilfe schaffen. Der Identifikationskodex CIN muss künftig am Betriebsgebäude der Beherbergungsbetriebe sowie an den Gebäuden, in denen sich die touristisch genutzten Unterkünfte befinden, angebracht werden. Zudem muss er von Buchungsportalen und Immobilienvermittlern in deren Anzeigen angegeben werden. Damit sollen besonders Wohnungen, die für kurze Zeiträume vermietet werden, klar und eindeutig zu identifizieren sein und die Vermietungsform besser kontrolliert werden können.

Welche direkten Auswirkungen sehen Sie durch Airbnb auf den traditionellen Hotel- und Gastgewerbesektor in Südtirol?

Vor allem durch die Corona-Pandemie hat die touristische Vermietung privaten Wohnraums zugenommen. Es gab eine Veränderung der Nachfrage, vor allem aber eine Veränderung des Angebots. Diese Art der Beherbergung hat sich, besonders aufgrund der ungleichen Voraussetzungen in der Tätigkeitsausübung, zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Für das traditionelle Hotel- und Gastgewerbe ist damit unweigerlich unlautere Konkurrenz entstanden. Man darf auch nicht vergessen, dass Gäste, die kurzzeitig in Privatwohnungen unterkommen, gleichermaßen zum touristischen Aufkommen im Land beitragen. Hinzu kommt der Druck auf den heimischen Wohnungsmarkt. Daher muss, ich wiederhole, die touristische Vermietung privaten Wohnraums reguliert und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den touristischen Unterkunftsarten geschaffen werden.

Sehen Sie in den strengen Regelungen anderer Städte wie Barcelona oder New York ein Vorbild für Südtirol?

Verschiedene Städte und Destinationen weltweit haben Maßnahmen gesetzt, um diesem Phänomen zu begegnen. Südtirol hat mit dem Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) einen guten, meiner Meinung nach besseren Weg als beispielsweise Barcelona, gewählt. Das LTEK und der damit einhergehende Regulierungsmechanismus umfasst alle Arten der touristischen Beherbergung. Es ist nur möglich, Gäste zu beherbergen, wenn die entsprechenden Betten vorgewiesen werden können. Essenziell ist, dass die Vorschussbetten bzw. die freiwerdenden Betten aus dem Bettenkontingent nicht Privatpersonen mit freien Wohnungen zugewiesen werden, sondern bereits bestehenden Beherbergungsbetrieben. Die Verantwortung liegt bei den einzelnen Gemeinden. Denn: Wenn ich 6 Betten einem Hotel zuweise, dann wird der Betrieb, sofern er noch erweitern darf, die 3 Zimmer irgendwo im Gebäude schaffen. 6 Betten zu Kurzzeitmiete bedeuten hingegen, dass etwa 3 Wohnungen wegfallen, die wiederum der Bevölkerung fehlen. Nicht zu vergessen ist auch der genannte nationale Identifikationskodexes (CIN), der seitens des italienischen Staates kürzlich geschaffen wurde und auch in Südtirol greifen wird. Derzeit werden die Daten zusammengetragen.

Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung müssen Priorität haben

Die Antworten von Herrn Mooswalder verdeutlichen die Komplexität der Herausforderungen, mit denen Südtirol im Zuge des Airbnb-Booms konfrontiert ist. Es wird immer deutlicher, dass politische Maßnahmen erforderlich sind, um die negativen Auswirkungen dieser globalen Plattform auf die lokale Gemeinschaft zu minimieren. Der Wohnungsmarkt und die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung dürfen nicht unter den wirtschaftlichen Interessen einer globalen Vermietungsplattform leiden.

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