„Landesstelle für Südtirol“: Nordtirols Widerstand gegen die italienische Repression

Als nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges eine brutale italienische Repression in Südtirol einsetzte, löste dies auch auf Nordtiroler Seite Widerstand aus. Jene Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, welche Anfang Mai 1945 die Macht in Innsbruck übernommen und den ersten Nachkriegs-Landeshauptmann Dr. Karl Gruber erfolgreich installiert hatten, waren nicht gewillt, tatenlos zuzusehen. Es galt vor allem gegenüber der österreichischen Bundesregierung, aber auch gegenüber den Alliierten zu dokumentieren, was in Südtirol geschah. Damit konnte auch die Notwendigkeit der Loslösung Südtirols von Italien begründet werden. Sie begannen, von Nordtirol aus aktiv in die politische Entwicklung einzugreifen.
Im Mai 1945 wurde „auf Grund eines Beschlusses der Tiroler Landesregierung als selbstständige Abteilung der Landeshauptmannschaft“ die „Landesstelle für Südtirol“ errichtet, hieß es in einem Bericht des Innsbrucker Polizeidirektors an die Französische Militärregierung vom 10. Mai 1945. „Mit der Leitung ist Univ.-Prof. Dr. Reut-Nicolussi betraut, seine Vertreter sind Dr. Hans Graf Trapp und Bezirkshauptmann a.D. Mumelter.“
Der aus Südtirol stammende und vor den Faschisten nach Nordtirol geflohene Völkerrechtler und Universitätsprofessor Dr. Eduard Reut-Nicolussi hatte schon vor dem Umbruch des Jahres 1945 dem antinazistischen Widerstandskreis um Fritz Molden, Dr. Karl Gruber, Dr. Ludwig Steiner, Wolfgang Pfaundler und Dr. Helmut Heuberger angehört, war kurzzeitig Mitglied der Nordtiroler Landesregierung unter Dr. Karl Gruber und übernahm nun die neugegründete Landesstelle. Er war katholisch-vaterländisch orientiert und Mitglied mehrerer CV-Verbindungen.
Der organisatorische Aufbau
Die Direktion (Abteilung I) unterstand Ernst Mumelter, dem letzten deutschen Bezirkshauptmann von Bozen. Mumelter wurde 1925 von den Faschisten verfolgt und hat sich sodann in Innsbruck niedergelassen. Dort leitete er bis 1938 die „Arbeitsstelle für Südtirol“ und verfasste unter dem Pseudonym „Hans Fingeller“ weit verbreitete Aufklärungsbroschüren über die Schreckensherrschaft der Faschisten in Südtirol. Nach dem Anschluss Österreichs wurde seine Arbeitsstelle aufgelöst und er leitete nun unter Dr. Reut-Nicolussi die Direktion der Landesstelle.
Für Presse und Propaganda (Abteilung II) war Dr. Hans Kness zuständig, der aus dem katholischen Verlagswesen kann und nun auch das ÖVP-Organ „Tiroler Nachrichten“ leiten sollte.
Eine eigene Betreuungsstelle für Optanten (Abteilung III) unterstand dem Südtirol-Experten Josef Deflorian. Darüberhinaus gab es auch eine wissenschaftliche Abteilung unter Dr. Herbert Thalhammer.
Die Kosten der neuen Schaltstelle der Nordtiroler Südtirolaktivitäten seien von der Tiroler Landesregierung getragen worden, die Gelder aber knapp gewesen. Der Nordtiroler Diplomat und ÖVP-Politiker Dr. Ludwig Steiner erinnert sich: „Die meisten Mitarbeiter waren zunächst ehrenamtlich dabei, auch ich, aber bald wurde es notwendig, hauptberufliche Experten einzustellen.“
Die Aufgabenstellung der „Landesstelle für Südtirol“
Die offizielle Tätigkeit der Landesstelle war eine wissenschaftlich-politische. Die Landesstelle befasste sich mit völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen in Bezug auf Südtirol. Dr. Ludwig Steiner berichtete darüber:
„In dieser Landesstelle wurde die Grundlagen der politischen, geschichtlichen und wirtschaftlichen Argumentationen zur Untermauerung der österreichischen Forderung nach Rückkehr Südtirols zu Österreich für die bevorstehenden internationalen Verhandlungen ausgearbeitet. Alle wichtigen Memoranden zur Südtirol-Frage wurden hier formuliert.“
Daneben gab es aber auch eine verdeckte, nachrichtendienstliche, propagandistische und agitatorische Tätigkeit, die nicht jedermann bekannt werden sollte. In der Landesstelle wurde nämlich auch Propagandamaterial für Südtirol hergestellt, welches heimlich nach Südtirol gebracht wurde. Von hier aus wurden auch Kundgebungen in ganz Tirol sowie anderen österreichischen Bundesländern vorbereitet und gesteuert.
In einem internen Bericht „Aufgaben der Landesstelle für Südtirol“ vom 25. Mai 1945 wurde festgehalten:
Darüber hinaus sollte sich die Landesstelle für „die Rückführung von ca. 80.000 umgesiedelten Südtirolern in ihre Heimat“ einsetzen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war dem internen Bericht zufolge jedoch „die allfällige Vorbereitung einer Volksabstimmung in Südtirol“.
So manche Tätigkeit der Landesstelle bedurfte strikter Geheimhaltung. Aus gutem Grunde war daher der Zutritt zu dem Büro von Dr. Reut-Nicolussi eingeschränkt und „an ein Codewort gebunden“, wie Michael Gehler in seiner herausragenden Biografie des „Streiters für die Freiheit und Einheit Tirols“ berichtet. Dr. Reut-Nicolussi arbeitete darüber hinaus in der Landesstelle ehrenamtlich, aber nicht weniger hingebungsvoll für die Sache Südtirols.
Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.
Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2
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