Schule in Südtirol während des 2. Weltkrieges

Ab Herbst 1943 wurden in Südtirol – nachdem zunächst 1923/24 die deutsche Schule verboten wurde (hier zum Bericht darüber) und später während der Option Deutschkurse für die Optantenkinder eingeführt wurden (hier zum Bericht darüber) – alle für eine Volksschule üblichen Fächer auf Deutsch unterrichtet: Deutsch, Schreiben, Rechnen, Heimatkunde, Geschichte, Erdkunde, Naturkunde, Musik, Zeichnen, Leibeserziehung und Werken. Beim Religionsunterricht entschied man sich für die bereits in den früheren Jahren übliche Praxis des Pfarrschulunterrichts, nachdem der Oberste Kommissar für die Operationszone Alpenvorland die Einführung eines konfessionellen Unterrichts in den Schulen nur unter der Bedingung der Einstellung der „Pfarrschule“ erlauben wollte. Allerdings musste der „Pfarrschulunterricht“ zeitlich so eingeteilt werden, dass sowohl der Schulunterricht als auch der Dienst der Deutschen Mädelschaft und der Deutschen Jungenschaft berücksichtigt wurden.
In der Operationszone Alpenvorland nahm Franz Hofer auf das religiöse Empfinden der Bevölkerung mehr Rücksicht als im Gau Tirol-Vorarlberg, und so durfte sogar das Schulgebet verrichtet werden. Allerdings erfuhr es eine starke ideologische Deformierung:
„Schütze, Herr, mit starker Hand,
Führer, Volk und Vaterland.
Lass auf unsres Führers Pfade,
leuchten deine Huld und Gnade,
und so lass uns stark und rein
deine deutschen Kinder sein.“
Außerdem hatten die Schüler bei Schulbeginn und Schulende mit „Heil Hitler“ zu grüßen. Ebenso wurden oft Kriegsinvaliden in die Schulen eingeladen, um über den Krieg, „das Leben des deutschen Landsers“ und „die Aufgaben und Ziele des deutschen Volkes“ zu berichten und damit eine Indoktrination im Sinne des nationalsozialistischen Regimes zu erreichen. Seit dem ersten Winter des Russlandfeldzuges 1941 wurde auch in Südtirol das Winterhilfswerk aktiv, dem die Bevölkerung eifrig spendete. In den Schulen erfolgte der Aufruf: „Wer spendet etwas für unsere Soldaten?“ Die Kinder traten dann einzeln vor und warfen ihre Spenden in eine Büchse. Die Kinder der „Dableiber“ blieben auf ihren Plätzen. Durch diese unterschiedliche Haltung, die den grundlegenderen Gegensatz auf der Ebene der Schulkinder deutlich werden ließ, setzte sich auch unter den Kindern der Konflikt fort. So erinnert sich der Augustiner Chorherr Martin Peintner:
Anfang 1944 wurden neue Schulbücher eingeführt. Die bisher benützten „Lesebücher für die deutsche Volksschule der Provinz Bozen“ wurden nun durch die im Gau Tirol-Vorarlberg üblichen deutschen Lehr- und Lesebücher, wie etwa die „Alpenländische Fibel“ ersetzt. Oswald Sailer schreibt dazu:
„[…] Die oft kritisierte nationalsozialistische Berieselung der Jugend kann sich vorwiegend nur auf die Lesebücher der Oberstufe beziehen, in denen von 300 Lesetexten (293) neun ausschließlich auf Hitler und den Nationalsozialismus abgestimmt sind, während sich 13 mit der germanischen Urzeit befassen. Alle anderen 250 Lesestücke dieses Buches könnte ohne Weiteres auch in den heute im Gebrauch stehenden Lesebüchern verwendet werden. Bei den Rechenbüchern darf die Ausstattung mit Bildern […] nicht überraschen: Kriegerische Beispiele und soldatische Aufmachung, Uniformen von Partei und Soldaten sind in den Rechnungen angeführt: Das entsprach dem Geist jener verhängnisvollen letzten Kriegsjahre.“
Neben dem Besuch der Pflichtschule ordnete der oberste Kommssar im September 1944 auch die Berufsschulpflicht mit dem zweijährigen Besuch einer landwirtschaftlichen, und dem dreijährigen Besuch einer gewerblichen, kaufmännischen oder hauswirtschaftlichen Berufsschule an.
Am 2. Dezember 1943 wurde in der „Knabenvolksschule“ in Meran die erste Abendschule für Jugendliche, die in ihrer Pflichtschulzeit nur in italienischer Sprache unterrichtet worden waren, eröffnet. Der Besuch dieser Abendschule – der Unterricht erfolgte zweimal wöchentlich – war für 15- bis 16-jährige verpflichtend; den übrigen Jugendlichen stand er frei.
Weiters wurde der Aufbau des höheren Schulwesens vorangetrieben. So wurde eine naturwissenschaftlich ausgerichtete Oberschule für Buben in Brixen, im aufgelassenen bischöflichen Priesterseminar „Vinzentinum“ errichtet, die später nach Wolkenstein verlegt wurde, eine Oberschule für Mädchen in St. Christina mit dem Schwerpunkt Sprachen, zwei Hauptschulen in Meran und eine Haupt- und Mittelschule für Buben in der aufgelassenen Mittelschule der Kapuziner in Salern in Vahrn bei Brixen.
Außerdem entstand im November 1943 eine landwirtschaftliche Schule in Dietenheim. Je eine Oberschule, die ausschließlich für die Kinder reichs-deutscher Eltern bestimmt war, gab es im aufgehobenen bischöflichen Knabenseminar „Johanneum“ in Dorf Tirol bei Meran und in Milland bei Brixen.
Noch im September 1943 waren die kirchlichen Privatschulen, denen bereits von den Faschisten das Öffentlichkeitsrecht aberkannt worden war, geschlossen worden, so die beiden bischöflichen Seminare „Vinzentinum“ in Brixen und das „Johanneum“ in Dorf Tirol, das Franziskanergymnasium und das italienische Institut der „Marcelline“ in Bozen, das Gymnasium der Kapuziner in Salern, die katholischen Schülerheime der Englischen Fräulein und der Benediktiner in Meran. „Die Gebäude wurden beschlagnahmt, als Lazarette für die Deutsche Wehrmacht oder aber für die neuen Oberschulen verwendet.“ Damit sollte der kirchliche Einfluss auf die Ausbildung der Jugend eingeschränkt werden.
Schule und Wehrdienst
Da im April 1944 auch die 17-jährigen zum Kriegsdienst einberufen wurden und ein Oberschulbesuch nicht vor einer Einberufung schützte, mussten Oberschüler auch vor ihrer Abschlussprüfung einrücken. Wer in der achten Klasse der Oberschule einberufen wurde, hatte Anrecht auf eine Sonderprüfung zur Feststellung der Reife. Ab 30. Juli 1944 wurden sie mit dem Vermerk „Dem Schüler wird aufgrund seiner nachgewiesenen Einberufung zum Wehrdienst die Reife vorzeitig anerkannt“ zum Kriegsdienst entlassen. Wurden Schüler bereits in der siebten Klasse einberufen, so erhielten sie ein Zeugnis, das unter der Bedingung einer erfolgreichen Ablegung eines Vorsemesters an der Universität zum Hochschulstudium berechtigte.
Als am 2. Mai 1945 die Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien in Kraft trat und die Verhandlungen über das weitere Schicksal Südtirols mit den Alliierten begannen, konnte eine Beibehaltung der deutschen Schulen vereinbart werden. Am 5. Mai teilte der pädagogische Leiter und Volksschulinspektor Heinz Deluggi den Kreisschulämtern mit, dass der Unterricht an den deutschen Schulen weitergeführt werde. Deluggi wurde von den Alliierten als Vertreter der deutschen Schule anerkannt, bis er am 30. Mai 1945 vom Priester Josef Ferrari abgelöst wurde. In den folgenden Verhandlungen um den Fortbestand eines muttersprachlichen Unterrichts konnten sich die Südtiroler dank der bestehenden deutschen Schule gegen Forderungen nach einer von den Italienern geforderten gemischtsprachigen Schule durchsetzen. So standen für die deutsche Volksschule im Oktober 1945 insgesamt 49 planmäßige Volksschullehrer, die zum Teil ihre Planstellen in anderen italienischen Provinzen hatten, 200 Berufsschullehrer, zum Teil mit noch anerkannter deutscher Reifeprüfung, und 804 Hilfslehrer, die zum größten Teil mehrjährige Berufserfahrung in den deutschen Sprachkursen der Optionszeit und in der deutschen Schule der Operationszone Alpenvorland hatten, zur Verfügung.
Der Auszug stammt aus dem Buch „Die Deutschen brauchen keine Schulen“ herausgegeben von Dr. Margareth Lun.
Margareth Lun (Hrsg.): „Die Deutschen brauchen keine Schulen“: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! 2020. ISBN: 9788897053699.






