SVP am Scheideweg

Gründungszweck und Statut
Das Statut der SVP ist klar: Die Partei hat sich dem Schutz der ethnischen Minderheiten in Südtirol verschrieben, sowohl auf innerstaatlicher als auch auf internationaler Ebene. Zudem strebt sie den kontinuierlichen Ausbau der Autonomie Südtirols an und bekräftigt die Unverzichtbarkeit des Selbstbestimmungsrechtes der Südtiroler. Diese Grundsätze sind untrennbar mit der Identität der Partei verbunden und haben ihr über Jahrzehnte hinweg das Vertrauen der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung gesichert.
Der Wahlsieg in Leifers
Der überraschende Wahlsieg von Giovanni Seppi SVP in Leifers hat jedoch schlafende Hunde geweckt. Giovanni Seppi, der maßgeblich durch Stimmen der italienischen Bevölkerung zum Bürgermeister gewählt wurde, sieht darin eine Chance, die Partei auch auf Landesebene für Italiener zu öffnen. Sein öffentlicher Vorstoß in diese Richtung hat jedoch nicht nur Zustimmung gefunden. Der Landtagsabgeordnete und Landessekretär der SVP, Harald Stauder, stellte umgehend klar, dass es mit ihm keine Öffnung der SVP gegenüber den Italienern geben werde.
Nicht nachvollziehbare Grundsatzentscheidungen
Die jüngsten Entscheidungen der SVP lassen jedoch vermuten, dass die Partei bereits begonnen hat, ihre ethnischen Prinzipien über Bord zu werfen. Dabei geht es weniger um personelle Entscheidungen als um Grundsatzentscheidungen. Ein deutliches Beispiel ist die Regierungsallianz mit den Fratelli d’Italia (FdI), einer Partei mit nationalistischen Tendenzen. Diese Allianz stellt die traditionellen Werte der SVP in Frage. Als der Landtag kürzlich mehrheitlich für den Antrag der Süd-Tiroler Freiheit zur Abschaffung des Regierungskommissariats stimmte, reagierte der FdI-Landesrat Marc Galateo prompt mit einer klaren Ablehnung dieser demokratischen Abstimmung: „Weniger italienischer Staat in Südtirol? Keine Angst: Solange wir von den Fratelli d’Italia hier sind, werden die lächerlichen anti-italienischen Provokationen der Sezessionisten so bleiben und nicht beachtet werden“. Die SVP verzichtete auf öffentliche Rüffel und enthielt sich sogar bei der Abstimmung zur geplanten Verfassungsreform im Senat, die dem Ministerpräsidenten eine noch nie dagewesene Macht und einen Mehrheitsbonus verschafft. Diese Enthaltung löste scharfe Kritik aus, da zukünftige Regierungen nicht mehr auf die SVP als Zünglein an der Waage angewiesen sein werden und Debatten um autonome Zuständigkeiten erschwert werden könnten.
Das Dilemma der SVP
Die SVP steht vor einem Dilemma: Einerseits will sie ihren Machtanspruch nicht aufgeben, andererseits riskiert sie, ihre Grundsätze zu verlieren. Als Regierungspartei ist es sicherlich schwierig, die richtige Balance zu finden und notwendige Kompromisse einzugehen. Dennoch muss es unverhandelbare Bedingungen geben, die nicht zur Debatte stehen dürfen. Ansonsten riskiert die SVP, ihren Vertretungsanspruch für Minderheiten zu verlieren. Sie könnte eine erfolgreiche lokale Partei bleiben, doch den Anspruch, die Sammelpartei der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler zu sein, verliert sie mit dieser Linie langfristig.
Welchen Weg wählt die SVP?
Die SVP muss sich entscheiden, welchen Weg sie in Zukunft gehen will. Die Öffnung für italienische Mitglieder könnte kurzfristig politische Vorteile bringen, birgt jedoch die Gefahr, die Identität und die Grundwerte der Partei zu verwässern. Die kommenden Entscheidungen werden nicht nur die Zukunft der Partei, sondern auch die der gesamten deutsch- und ladinischsprachigen Gemeinschaft in Südtirol maßgeblich beeinflussen. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen in der SVP den Mut und die Weitsicht haben, die Balance zwischen Machtanspruch und Grundsatztreue zu finden und zu wahren.






