Südtirol: Die traditionelle Familie im Fokus

UT24 beleuchtet die Rolle der Familie in Südtirol durch persönliche Geschichten, professionelle Einsichten der Familienberatungsstelle und aktuelle Herausforderungen. Die Familie bleibt der Grundstein unserer Gesellschaft; sie ist der Ort, an dem Kinder als Zukunft unserer Gemeinschaft aufwachsen und traditionelle Werte vermittelt werden.
Historische Bedeutung der Familie in Südtirol
Die Familie hat in der Geschichte Südtirols stets eine zentrale Rolle gespielt. Das Land war lange Zeit landwirtschaftlich geprägt, und die meisten Menschen lebten in ländlichen Gebieten. Familienbetriebe, insbesondere in der Landwirtschaft, waren die Norm und Mehrgenerationenhaushalte weit verbreitet. Diese Strukturen förderten den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familie.
Traditionelle Werte wie Respekt, Verantwortung und Gemeinschaftssinn wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Die katholische Kirche hatte ebenfalls einen starken Einfluss auf die Familienstrukturen und -werte in Südtirol, was sich in der hohen Wertschätzung von Ehe und Familie widerspiegelte.
Der Alltag und die Herausforderungen von Familien in Südtirol
Um ein besseres Verständnis für die gegenwärtige Lebensrealität von Familien in Südtirol zu bekommen, hat UT24 mit einer 32-jährigen Mutter gesprochen, die anonym bleiben möchte. Ihre Erfahrungen geben einen tiefen Einblick in die alltäglichen Herausforderungen, denen viele Familien in Südtirol gegenüberstehen.
Mutter, 32 Jahre: „In Südtirol fühlt man sich als Mutter von der Politik oft vernachlässigt. Nach dem Ende meiner Mutterschaft habe ich gekündigt – in diesem Fall ist es möglich, trotz Selbstkündigung um Arbeitslosenunterstützung anzusuchen. Ansonsten hätte ich Familie und Beruf nicht unter einen Hut bekommen. Später, als meine Tochter älter war, suchte ich verzweifelt nach einem Kita-Platz, fand aber keinen in der Nähe, also bin ich zu Hause bei meiner Tochter geblieben. Ich fände es gerecht, wenn Mütter die Wahlfreiheit hätten zwischen Beruf und Kindererziehung zu wählen und das Land für die fehlenden Rentenzeiten einzahlt.“
Diese Aussage verdeutlicht, dass viele Mütter in Südtirol mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kämpfen und sich eine bessere Unterstützung wünschen. Die traditionelle Rolle der Mutter als primäre Bezugsperson der Kinder kollidiert oft mit modernen beruflichen Anforderungen, was zu erheblichen Belastungen führt.
Professionelle Einsichten: Familienberater
Um eine objektive Sichtweise auf die Probleme der Familien in der heutigen Zeit zu erhalten, hat UT24 mit dem Direktor der Familienberatung fabe, Dr. Stefan Eikemann, ein Gespräch geführt.
Dr. Eikemann erklärte, dass ein wesentlicher Punkt, warum Familien die Beratungsstelle aufsuchen, die Überforderung der Eltern sei. „Die Eltern sind überfordert, weil immer stärker die Notwendigkeit besteht, dass beide Elternteile vollzeitig oder zumindest fast vollzeitig arbeiten. Zusätzlich überfordert viele Eltern die hochgeschraubte gesellschaftliche Erwartung an Kinder und Erziehung.“ Ein weiteres großes Thema seien die Jugendlichen, die immer größere Schwierigkeiten in der Schule haben und Anpassungsschwierigkeiten zeigen. Diese Faktoren würden natürlich auch zum Familienstress beitragen. „Covid war in dieser Hinsicht sicherlich ein Brandbeschleuniger, aber nicht die Ursache. Auch der gesamte Care-Bereich überfordert viele Familien, sei es die Pflege älterer Familienmitglieder oder das Aufziehen Neugeborener. Dieser Bereich benötigt viel Zeit, aber diese Zeit ist bei den meisten Familien nicht vorhanden.“
Dr. Eikemann betont: „Für Kleinkinder ist die Zeit vielfach nicht da und bei Kindern braucht man einfach Zeit, Dinge geschehen lassen zu können. Man kann ein Kind nicht durchtakten. Ein Kind lernt, indem man Dinge geschehen lässt, das Kind Dinge ausprobieren lässt, zufällige Dinge kommen lässt. Aber die Zeit, Dinge geschehen zu lassen und nicht durchzutakten, ist gar nicht mehr da. Letztendlich leiden die kleinen Kinder darunter und wir sehen es dann auch in einem zweiten Moment in unserer klinischen Situation bei den Jugendlichen.“
Auf die Situation der 32-jährigen Mutter angesprochen, ob die Wahlfreiheit der Mütter und die rententechnische Weiterversicherung zu Lasten des Landes diese Probleme minimieren könnte, antwortete Dr. Eikemann: „Wahlfreiheit ist immer gut. Aber ohne jemanden in die eine oder andere Richtung zu drängen. Wir sind als Beratungsstelle weltbildmäßig ungebunden und ich persönlich stehe da voll dahinter. Familien sollen so leben, wie sie es sich am besten vorstellen. Es gibt viele Gründe dafür, warum Kinder in Kindertagesstätten ihre Erfahrungen machen sollen, aber auch viele, warum Kinder zuhause bei der Mutter oder dem Vater bleiben. Viele Fachleute sagen, solange wir in den Einrichtungen einen Kinderzieherschlüssel haben, wie heute, würden sie – vom Kind aus gesehen – empfehlen, die Kinder zu Hause zu betreuen. Die Wissenschaft sagt, der Schlüssel bei Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren sollte 1 zu 2, maximal 1 zu 3 sein. In Südtirol haben wir 1 zu 5. Deshalb ist zu Hause zu erziehen sicherlich eine Möglichkeit, die vorhin erwähnte Zeit für die Kinder zu haben, aber man muss es sich halt auch leisten können. Wir wären sicherlich nicht die Ersten, die sagen, wir machen für x Jahre eine Rentenfortzahlung für erziehende Personen. Insofern sehe ich das als Notwendigkeit, die absolut da ist.“
Dr. Eikemann schlägt zudem eine interessante Lösung vor, die bisher kaum diskutiert wurde: „Ich denke, man könnte auch sagen, obligatorische Vollzeit für Erziehende ist 30 Stunden – mit entsprechendem finanziellen Ausgleich, wie auch immer konstruiert. Wenn man die Geschlechterfrage einbringt, für beide Elternteile 30 Stunden, dann generiert man im Durchschnitt 20 Stunden mehr Zeit beim Kind. Das sind natürlich jetzt Fantasien, auch wenn sie Sinn machen würden.“ Auf die Frage, wie der finanzielle Ausgleich finanziert werden sollte, entgegnete der fabe-Direktor, dass dies von der Solidargemeinschaft übernommen werden könnte.
Dr. Eikemann bemerkt zudem, dass die Fälle, mit denen die Beratungsstelle konfrontiert wird, immer komplexer werden. „Bei Kindern sehen wir Entwicklungen schwieriger Art, und in der Jugend treten oft große Probleme auf. Nicht nur Familien, sondern auch Schulen, Sozialdienste, Psychiatrie und Gerichte überweisen viele Fälle an die Beratungsstelle. Diese Fälle sind in der Regel sehr komplex und benötigen lange Beratungszeit. Die Nachfrage ist enorm gestiegen. Mehr Geld wäre natürlich wünschenswert, aber dieses fehlt nicht nur uns, sondern an allen Ecken.“
Die Bedeutung der traditionellen Familie
Die Diskussion mit Dr. Eikemann verdeutlicht, dass die traditionellen Familienstrukturen und Werte eine wichtige Rolle dabei spielen, den Herausforderungen des modernen Lebens zu begegnen. Die traditionelle Familie spielt in Südtirol nach wie vor eine zentrale Rolle. Sie ist nicht nur der Ort, an dem Kinder aufwachsen, sondern auch der Kern der sozialen und kulturellen Wertevermittlung. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie ist von unschätzbarem Wert und trägt maßgeblich zur Stabilität der Gesellschaft bei.
Kinder sind die Zukunft unserer Gemeinschaft. Sie wachsen in Familien auf, die ihnen nicht nur Schutz und Geborgenheit bieten, sondern auch die Werte und Traditionen weitergeben, die unsere Gesellschaft ausmachen. Der familiäre Zusammenhalt stärkt nicht nur die einzelnen Mitglieder, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes.
Zukünftige Perspektiven
Um die Familie als Grundstein der Gesellschaft zu erhalten und zu stärken, bedarf es gezielter politischer Maßnahmen und gesellschaftlicher Anerkennung. Es ist unerlässlich, dass Mütter die Wahlfreiheit haben, zwischen Beruf und Kindererziehung zu wählen, ohne dabei Nachteile zu erfahren. Eine gerechte Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenberechnung wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Darüber hinaus sollten Betreuungsangebote ausgebaut und flexibler gestaltet werden, um den Bedürfnissen der Familien gerecht zu werden. Präventive Maßnahmen und eine engere Zusammenarbeit zwischen sozialen Diensten und Familien können dazu beitragen, die Herausforderungen des Familienlebens besser zu bewältigen.
Die Familie ist der Grundstein der Gesellschaft
Die Familie bleibt der Grundstein der Gesellschaft in Südtirol. Trotz der modernen Herausforderungen und Veränderungen bleibt die traditionelle Familie ein unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Gefüges. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie, die Vermittlung von Werten und die Erziehung der Kinder als zukünftige Mitglieder der Gesellschaft sind von unschätzbarem Wert. Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft und der Politik, die Familien zu unterstützen und zu stärken, damit sie auch in Zukunft ihre zentrale Rolle erfolgreich ausfüllen können.






