von gk 21.04.2024 12:00 Uhr

„Für eine Diktatur braucht es keine Spezialgesetze“

Eine besondere Rolle im Nachkriegsitalien spielte der DC-Innenminister Mario Scelba, welcher das Banditenunwesen, aber auch die Unabhängigkeitsbewegung in Sizilien mit Feuer und Schwert ausrottete, in Oberitalien kommunistische Aufstandsversuche blutig niederschlug und dabei altbewährte faschistische Folterknechte mit ihren erprobten Methoden einsetzte.

Mario Scelba mit Alcide Degasperi (Bild: Wikimedia Commons).

Am 1. September 1948 erklärte der Innenminister Scelba in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ seine eigene Auffassung von Rechtsstaatlichkeit. Er sagte:

„Als ich Innenminister wurde, war mir sofort klar, dass es für die Errichtung der Diktatur in Italien nicht notwendig ist, Spezialgesetze zu erlassen. Es genügt, dass man die bestehenden Gesetze in einer geeigneten Form interpretiert.“

Damit meinte er wohl das nach wie vor in Geltung befindliche faschistische Strafgesetzbuch. Scelba betrieb konsequent die Refaschistierung des Staates und seiner Strukturen als Gegenpol zu den kommunistischen, umstürzlerischen Kräften. Die ehemaligen faschistischen Beamten waren die verlässlichsten Antikommunisten der unmittelbaren Nachkriegszeit. Eine besondere Bedeutung kam den Bereichsleitern im Innenministerium und den Statthaltern Roms in den Provinzen mit weitreichenden Kontrollbefugnissen und der Verantwortung für die öffentliche Sicherheit zu – den Präfekten.

Noch im Jahre 1960 waren 62 von 64 italienischen Präfekten ersten Grades und alle 241 Vizepräfekten Faschisten gewesen. Alle 135 Quästoren (dem Innenministerium unterstehende Polizeipräsidenten in den Provinzen) und ihre 139 Stellvertreter waren ebenfalls ehemalige Faschisten. Von 603 Oberkommissaren und 1039 sonstigen Kommissaren hatten lediglich 34 in Verbindung mit dem faschistischen Widerstand gestanden.

 

  • Der damalige Innenminister Mario Scelba (Bild: Wikimedia Commons).

Drei Altfaschisten brachten es im Polizeiapparat ganz an die Spitze

Tommaso Pavone war knapp nach der Machtergreifung der Faschisten in den Dienst des Innenministeriums getreten und machte Karriere bis auf den Posten des Präfekten von Trient. Im Jahre 1952 wurden er „Capo della Polizia di Stato“ mit der Funktion eines Generaldirektors für öffentliche Sicherheit.

Giovanni Carcaterra hatte seine Karriere 1924 im faschistischen Innenministerium begonnen und gehörte später zum engsten Mitarbeiterstab Mussolinis. Er wurde 1945 zum Präfekten ernannt und folgte am 22. Mai 1954 Pavone auf den Amtsstuhl des obersten Polizeichefs.

Auch Angelo Vicari hatte 1931 die gleiche Laufbahn in Mussolinis Innenministerium begonnen und auch er avancierte zum direkten Mitarbeiter des „Duce“. Er hatte nach dem Krieg als Präfekt in Palermo leitenden Anteil an der Liquidierung der „Banda di Giuliano“. Er löste übrigens am 10. Oktober 1960 Carcaterra als obersten Polizeichef ab und blieb in dieser Position bis zum Jahre 1973.

Diese ehemaligen Faschisten förderten und deckten alle Ungeheuerlichkeiten staatlichen Terrors, die sich in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in Südtirol ereignen sollten.

 

  • Giovanni Leone (li) und Angelo Vicari (re), (Bild: Wikimedia Commons).

Eine besondere Rolle spielte der General der Carabinieri, Giuseppe Pieche, welcher während des Faschismus von Mussolini mit heiklen Geheimdienstaufgaben betraut gewesen war. Scelba betraute ihn nun mit der Aufgabe, die Karteiführung des ehemaligen faschistischen Geheimdienstes OVRA über politische Gegner wiederherzustellen und weiter zu führen. Außerdem hatte er mit einer Geheimabteilung des Innenministeriums die Gründung neofaschistischer Terrorgruppen zu unterstützen, welche auch provokatorische Terroraktionen ausführen sollten, die man der politischen Linken in die Schuhe zu schieben gedachte.

 

Fortsetzung folgt…

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter-Tod-Erniedrigung. Südtirol 1961-1969. Edition Südtiroler Zeitgeschichte: Deutschland: Druckerei Brunner. 2009. ISBN: 978-3-941682-00-9

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