von gk 19.04.2024 11:55 Uhr

„Ich war kein Mensch mehr…“

Am 18. Juli 1961 wurde der Vahrner Schmied Franz Gamper von den Carabinieri verhaftet. Was er in den Kasernen von Brixen und Eppan über sich ergehen lassen musste, berichtet er in einem aus dem Gefängnis herausgeschmuggelten Brief.

Franz Gamper, hier rechts im Bild bei der Ãœberstellung zum Prozess nach Mailand (Bild: Helmut Golowitsch).

Mein Erlebnis beim Polizeiverhör:
Ich wurde im Zuge einer politischen Verhaftungswelle am 18.7. nachmittags verhaftet und in die Carabinierikaserne von Brixen gebracht, wo es gleich mit Verhöhren und Folterungen losging. Mußte mich mit den Händen in die Höhe an die Wand stellen, durfte sie zwar für kurze Zeit, wenn es nicht anders mehr ging, sinken lassen, dafür aber bekam ich Fausthiebe, hauptsächlich ins Gesicht. Dies dauerte bis zum Abend des nächsten Tages, anschließend wurde ich nach Eppan in die dortige Polizeikaserne gebracht.

Dort ging es gleich auf ein neues und auf die schrecklichere Weise weiter. Zuerst mußte ich mich wieder mit erhobenen Händen an die Wand stellen und anschliesend vor die Quarzlampe. Dapei bekam ich jedmögliche Drohungen und Schläge. Mit den Fäusten schlug man mich an jeder Körperstelle, mit einer Fierkant Eisenstange hauptsächlich auf die Ellpogen, Arme und Rücken, speziel wenn ich vor Mattigkeit nicht mer in der Lage war die Arme hochzuhalten.

Nicht genug damit, riß man mir die Hosen vom Leibe und unter Geschrei der 5 oder 6 Peiniger, darunter einer in Zivil schlugen sie mich mit Fäusten und Fußtritten zu Boden und in das Geschlechtsteil. Am Boden liegend faßten sie mich bei den Kopfhaaren und schleiften mich kreutz und quer durch den Raum, daß die Haare nur so wie bei einem Friseur herumlagen. Ein Carabiniere verspottete mich und sagte unter anderem, er würde alle umbringen, wenn er könnte. Das letzte, an was ich mich erinnern kann, war, ein weiterer furchtbarer Fußtritt in den Hodensack, dann erlöste mich die Ohnmacht von all dem Schrecken.

Das war nach meinen Berechnungen in den 1. Morgenstunden. Im laufe des nächsten Tages erwachte ich in eine Art Dämmerzustandes, am ganzen Körper voller Schmerzen, vom Durst geschwollene und brennende Zunge und Kehle, nur in der Lage aus dem rechten Auge etwas zu sehen, ansonst unfähig, auch nur eine Hand zu heben. Man erklärte mir, ich hätte einen Fahrradunfall gehabt, und ein Artzt in Militäruniform gab mir eine Injektion so wie einen Eisbeutel auf die stark geschwollenen Hoden. Auch bekam ich zum erstenmal irgend etwas zum trinken, konnte aber nur ein Minimum in den Magen behalten, hatte starke Kopfschmerzen und Schwindelgefühle.

Nachdem ich mich einigermaßen erholt hatte, wurde ich halb gestützt, halbt getragen in ein Kämmerlein gebracht. Es wurde mir gesagt, wenn ich nicht alles unterschreibe, was sie wollen, geht’s von vorne wieder los. Da unterschrieb ich, was, weiß ich nicht und werde es auch nie erfahren, den ich bin sicher, daß die Protokolle nie mehr zum Vorschein kommen werden, denn mein Haftbefehl nach zu urteilen, habe ich die unmöglichsten Sachen unterschrieben, das nur dazu dient, mich wenigstens in den Kerker zu bringen.

Von 20. Zum 21.7. des 7 Nachts wurde ich in Decken gehüllt nach Brixen in die Polizeikaserne zurückgefahren. Dort legte man mich in den Keller auf die Bretter und in laufe des Tages in den Gang auf eine Britsche.

Ich war kein Mensch mehr, nur von Schmerzen gepeinigtes Etwas, unfähig 3 Löffel voll zu essen, ohne mich zu übergeben, und der Urin ging von Blut durchsetzt ab. Ich bat um einen Artzt, bekam aber keinen.

Der Urin ging nach etwa 4 Tage wieder normal. Schwindelgefühle und starke Schmerzen im Kopf blieb aber und habe heute, nach 3 Monate noch dran zu leiden. Auch ist das Augenlicht und Gehör geschwächt.

Bin bereit, das hier geschriebene vor jeder höheren Persönlichkeit zu bestätigen und habe wenigstens über ein tutzend Zeugen die mich während der Folterungen oder nachher deren sichtbaren Merkmale gesehen haben.

Franz Gamper, geb. am 9.2.1932
Schmied Vahrn
(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Südtiroler Landesarchiv Bozen).

Franz Gamper wurde am 16. Juli 1964 in Mailand zu 7 Jahren und 4 Monaten Kerker verurteilt.

  • Folterbrief von Franz Gamper (Bild: Helmut Golowitsch).

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter-Tod-Erniedrigung. Südtirol 1961-1969. Edition Südtiroler Zeitgeschichte: Deutschland: Druckerei Brunner. 2009. ISBN: 978-3-941682-00-9

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