von Alexander Wurzer 06.04.2024 08:30 Uhr

Zukünftige Sozialbetreuer: Tirol handelt, Südtirol zaudert

Die Bereiche Gesundheits- und Sozialbetreuung stehen europaweit vor einem Paradigmenwechsel. Angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels und demografischer Herausforderungen erkennen innovative Länder die Notwendigkeit, die Ausbildung in diesen essenziellen Berufen attraktiver zu gestalten.

Bild von Shameer Pk auf Pixabay

Tirol hat in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle eingenommen, indem es einen großzügigen Ausbildungsbeitrag für Sozialbetreuungsberufe eingeführt hat. Diese Maßnahme hebt nicht nur den Wert dieser Berufe hervor, sondern setzt auch ein deutliches Zeichen in Richtung Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung. Südtirol hingegen zögert noch, vergleichbare Schritte zu unternehmen, was die Frage aufwirft, ob es dem Beispiel Tirols folgen wird.

Tirols wegweisende Entscheidung

Im September 2022 hat Tirol eine bahnbrechende Initiative ergriffen: Alle Auszubildenden in den Pflegeberufen – von der Pflegeassistenz über die Pflegefachassistenz bis hin zum Bachelorstudium für Gesundheit und Krankenpflege – erhalten einen monatlichen Ausbildungsbeitrag von 600 Euro. Diese finanzielle Unterstützung, ein Teil des Bundespflegepakets, zielt darauf ab, mehr Menschen für eine Ausbildung in diesen kritischen Berufen zu gewinnen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Die Erweiterung auf Sozialbetreuungsberufe

Ein Jahr später, im September 2023, erweiterte Tirol diese Initiative und schloss auch Auszubildende in Sozialbetreuungsberufen mit ein. Diese Gruppe umfasst jene, die in der Altenarbeit, Behindertenarbeit, Familienarbeit und Behindertenbegleitung tätig sind. Diese Ausweitung des Ausbildungsbeitrags auf 600 Euro pro Monat ist ein klares Bekenntnis zur Bedeutung und Wertschätzung der Sozialbetreuung. Es erkennt an, dass diese Berufe eine wesentliche Säule unserer Gesellschaft bilden und unterstützt die Auszubildenden in ihrem Bestreben, sich professionell in diesen Feldern zu engagieren.

Zudem unterstützt das Land Tirol die Implacementstiftung Pflegestiftung Tirol, die seit 2002 arbeitslosen und arbeitsuchenden Personen die Chance bietet, eine Ausbildung im Pflege- und Sozialbetreuungsbereich zu absolvieren. Auszubildende erhalten über die Pflegestiftung Tirol insgesamt 1.450 Euro pro Monat.

Südtirols zaghafte Schritte

Angesichts der innovativen Schritte Tirols zur umfassenden Förderung von Sozialbetreuungsberufen zeigt sich Südtirols Antwort verhalten. Die Einführung eines Taschengeldes für Krankenpflege-Studierende im Oktober 2023, welches die Studierenden mit jenen in Tirol finanziell gleichstellt, markiert zwar einen Versuch, Tirols Vorstoß nachzueifern, lässt jedoch eine vergleichbare Unterstützung für Sozialbetreuungsberufe vermissen.

Ein jüngst angekündigter Schritt, der ein höheres Praktikaentgelt für Schüler der Berufsfachschule für Pflege und Soziales „Hannah Arendt“ sowie für die Vollzeitkurse der italienischen Berufsschule „Emmanuel Lévinas“ vorsieht, scheint auf den ersten Blick eine positive Entwicklung. Doch bei genauer Betrachtung offenbart sich die Grenze dieser Anpassung: Es werden insgesamt nur 350.000 Euro bereitgestellt. Aktuell liegen die Praktikaentgelte bei 2,066 Euro pro Stunde für Minderjährige und bei 3,099 Euro pro Stunde für Volljährige. Diese Sätze, die seit 2003 nicht mehr erhöht wurden, zeigen deutlich, dass umfangreichere Maßnahmen erforderlich sind, denn Volljährige müssten fast 200 Praktikastunden monatlich leisten, um ein Ausbildungsentgelt zu erreichen, das mit dem der Tiroler Auszubildenden vergleichbar ist.

Diese Situation wirft ernsthafte Fragen hinsichtlich Südtirols Engagement für den Sozialbetreuungssektor auf. Die offensichtliche Vernachlässigung dieser essentiellen Berufsgruppe in den finanziellen Förderprogrammen könnte nicht nur demotivierend wirken, sondern auch den Fachkräftemangel in diesen Bereichen weiter verschärfen. Angesichts dieser Entwicklungen muss Südtirols zögerliche Haltung als dringender Weckruf verstanden werden: Es bedarf einer umfassenden und gleichwertigen Unterstützungspolitik, die alle Bereiche der Betreuung fördert und somit langfristig sowohl den Bedarf an Fachkräften deckt als auch die Attraktivität dieser Berufsfelder steigert.

Berufe von unschätzbarem Wert

Die Erweiterung der finanziellen Unterstützung auf Sozialbetreuungsberufe in Tirol ist ein Vorbild für die Notwendigkeit, alle Bereiche der Pflege und Betreuung zu fördern. Diese Berufe sind von unschätzbarem Wert für die Gesellschaft, da sie die Betreuung und Unterstützung der am meisten gefährdeten Mitglieder übernehmen. Indem Tirol diese Rolle anerkennt und unterstützt, stellt es die Weichen für eine Zukunft, in der qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl vorhanden ist, um den steigenden Bedarf zu decken.

Südtirol muss nachziehen

Die Initiative Tirols, alle Auszubildenden in den Pflege- und Sozialbetreuungsberufen finanziell zu unterstützen, ist ein wegweisender Schritt, der die Attraktivität dieser essentiellen Berufe steigert und dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Es ist an der Zeit, dass auch Südtirol diese Herausforderung annimmt und vergleichbare Maßnahmen ergreift. Die Unterstützung von Auszubildenden in Sozialbetreuungsberufen sollte als Investition in die Zukunft der gesamten Gesellschaft betrachtet werden, nicht nur als eine finanzielle Entlastung für die Studierenden. Indem beide Länder zusammenarbeiten und voneinander lernen, können sie eine führende Rolle in der Schaffung einer nachhaltigen und menschenzentrierten Pflege- und Betreuungslandschaft übernehmen.

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