Josefi: Südtirols Ringen um verlorenes kulturelles Erbe

Einst ein gesetzlicher Feiertag, wurde der Josefstag im Jahr 1977 – zusammen mit anderen kirchlichen Feiertagen wie den Heiligen Drei Königen, Fronleichnam, Christi Himmelfahrt und Peter und Paul – in Italien abgeschafft, in einem Bemühen, die Wirtschaft durch die Reduzierung von Arbeitsausfällen zu stärken.
Diese Entscheidung hat jedoch nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen gehabt, sondern auch Fragen hinsichtlich der kulturellen und spirituellen Identität der Südtiroler Gemeinschaft aufgeworfen. Inmitten dieser Diskussion steht der Grieser Paul Berger, eine prominente Stimme, die sich für die Wiederherstellung dieser Feiertage als Anerkennung der tief verwurzelten kulturellen und religiösen Bedeutung im Land einsetzt. Berger argumentiert, dass diese Feiertage, anders als allgemeine staatliche Feierlichkeiten, essenziell für das kulturelle Gefüge Südtirols sind. Er plädiert zudem lautstark für die Schließung der Geschäfte am Sonntag, um die familiären und gesellschaftlichen Werte zu stärken.
Vor dem Hintergrund dieser Debatte und anlässlich des heutigen Josefstages sprechen wir mit Paul Berger über die Bedeutung dieser Feiertage, die Gründe für ihre Abschaffung und die Herausforderungen, die sich aus ihrem möglichen Wiederaufleben ergeben. Wir erforschen, was hinter den Kulissen politisch und gesellschaftlich gespielt wird und warum es bislang nicht gelungen ist, eine Lösung zu finden, die die kulturelle Identität Südtirols bewahrt.
Herr Berger, Sie setzen sich vehement für die Wiedereinführung des Josefstags und anderer abgeschaffter kirchlicher Feiertage ein. Könnten Sie zusammenfassen, warum Ihnen diese Angelegenheit so am Herzen liegt und welche Bedeutung diese Tage für die Gemeinschaft in Südtirol haben?
Mir liegt die Wiedereinführung deshalb sehr am Herzen, weil die Abschaffung dieser wichtigen Feiertage der Wirtschaft zu keiner Zeit etwas gebracht hat und es daher ein Fehler war. Es sind dies gesellschaftlich, kulturell und religiös sehr wichtige Tage. Es ist eben nicht dasselbe, ob Werktag oder Feiertag ist!
Der heilige Josef hat eine tiefe Verwurzelung in der Kultur und Tradition Südtirols. Wie sehen Sie die Auswirkungen seiner Abschaffung als gesetzlichen Feiertag auf die kulturelle Identität und das gesellschaftliche Leben im Land?
Durch die Abschaffung sind der Josefitag und auch die anderen gestrichenen Feiertage komplett aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Die bei uns in Südtirol zwangsläufige Praxis der Verschiebung auf den darauffolgenden Sonntag nimmt dem Fest die ganze Besonderheit und Außergewöhnlichkeit. Für viele ist es ebenso nur mehr ein “ normaler“ Sonntag! Nördlich des Brenners sind diese Feiertage erhalten geblieben. Geht es diesen Ländern wie Österreich, Deutschland oder in der Schweiz wirtschaftlich schlechter? Ich glaube nicht! Man spricht auch immer von der großen Europaregion Tirols. Davon kann keine Rede sein, wenn südlich des Brenners diese Feiertage nicht gelten. Zumindest die kirchlichen Feiertage sollte in der gesamten Euregio gehalten werden!
Es gab bereits mehrfache Versuche, den Josefstag im Landtag als gesetzlichen Feiertag wieder einzuführen. Woran, glauben Sie, scheitern diese Vorstöße immer wieder? Liegt es an der Landespolitik, oder spielen auch staatliche Einflüsse eine Rolle?
Im Südtiroler Landtag gab es schon jahrelange Versuche, den Josefitag wieder als gesetzlichen Feiertag in Südtirol zu verankern. Es wurden auch schon mehrmals verschiedene Gesetzesentwurfe mehrheitlich verabschiedet. Sie wurden aber nie umgesetzt. Die Zuständigkeit für die Feiertage liegt beim Staat. Auch deshalb ist es immer wieder gescheitert. Die Landesregierung hat aber meines Erachtens auch viel zu wenig Mut gezeigt. Man hätte ja den Versuch starten und per Landesgesetz den Josefitag einfach einführen können, ohne Rom zu fragen. Man hätte dann schauen können, was passiert wäre! Rom hätte da sicher nicht Rekurs gemacht. Es laufen auch Bestrebungen im Parlament in Rom die Feiertage staatsweit wieder einzuführen.
Was entgegnen Sie Kritikern, die argumentieren, dass zusätzliche Feiertage der Wirtschaft schaden könnten?
Ich betone immer wieder, dass die Abschaffung der Wirtschaft nie etwas gebracht hat. Im Gegenteil! Man darf Feiertage keinesfalls immer nur negativ bewerten und betrachten. Sie sind für die Wirtschaft immer auch positiv zu sehen, denke man nur an den Tourismus. Kurzurlaube und verlängerte Wochenenden werden immer beliebter. Ganz abgesehen davon, dass sie kulturell, religiös und gesellschaftlich sehr wichtige Tage sind! Nebenbei bemerkt werden alle abgeschafften Feiertage allen wieder als zusätzliche Urlaubstage kompensiert. Wenn schon, dann hätte man diese zusätzlichen Urlaubstage auch nicht einführen sollen. Warum hat sich da die Wirtschaft nicht schon viel früher aufgeregt und sich dagegen ausgesprochen? Wir brauchen keine zusätzlichen Urlaubstage, sondern wir brauchen unsere Feiertage, so hat es auch mal unser Bischof formuliert! Feiertage tun den Menschen gut und unterbrechen die Arbeitswoche. Die Leute kommen dann wieder ausgeglichener zur Arbeit zurück, sagte auch Unternehmerpräsident Heiner Oberrauch. Wegen ein, zwei Feiertage mehr im Kalender geht Südtirol und auch Italien ganz sicher nicht unter!
Neben den kirchlichen Feiertagen setzen Sie sich auch für die Schließung der Geschäfte am Sonntag ein. Inwiefern sind diese beiden Anliegen miteinander verbunden, und was sagt dies über Ihr Verständnis von Gemeinschaft und Wirtschaft aus?
Die Sonntagruhe ist ein hohes Gut, deren Preisgabe der ganzen Gesellschaft schweren Schaden zufügt! An Sonn- und Feiertagen brauchen wir sicher keine offenen Geschäfte und Einkaufzentren. Wir alle haben an sechs Tagen in der Woche von früh bis spät mehr als Zeit genug, um einzukaufen. In Österreich oder Deutschland sind die Geschäfte grundsätzlich und generell an allen Sonn- und Feiertagen geschlossen, selbst im Dezember. Und es klappt prima. Wir sollen daher wieder mehr darüber nachdenken, was notwendig ist am Sonntag zu machen und was eben nicht! Offene Geschäfte sind sicher nicht notwendig und vieles andere auch nicht. Auch in der Landwirtschaft oder auf Baustellen wäre vieles nicht notwendig, dies gerade am Sonntag zu tun!
Die Diskussion um die kirchlichen Feiertage berührt auch die Frage der Autonomie Südtirols innerhalb Italiens. Sehen Sie hier einen Weg, wie die lokale Eigenständigkeit genutzt werden könnte, um solche kulturell bedeutenden Entscheidungen eigenständig zu treffen?
Man sollte endlich den Mut dazu haben, es zu tun und umzusetzen! Wenn man etwas will, dann sollte man nicht 100 Leute fragen. Ich habe auch immer wieder den Eindruck, dass es für die Landesregierung nicht wichtig ist. Auch unsere Parlamentarier in Rom sollten sich mit viel mehr Überzeugung dafür einsetzten. Es ist eine rein politische Entscheidung. Anstatt jetzt über die 4 Tage-Woche zu diskutieren, sollte man vorher die abgeschafften Feiertage wieder einführen oder zumindest darüber nachdenken!
Abschließend würde mich interessieren: Was wären Ihrer Meinung nach die ersten konkreten Schritte, die unternommen werden müssten, um die Wiedereinführung der kirchlichen Feiertage als gesetzliche Feiertage zu realisieren? Gibt es bereits einen Plan oder eine Strategie, die Sie verfolgen?
Strategien, konkrete Schritte und Pläne gibt es schon jahrzehntelang und daher sehr viele. Sei es in Südtirol oder sei es in Rom. Unser Bischof Ivo Muser sei sehr dafür. Allerdings sollten die Menschen da dann auch zum Gottesdienst kommen und ihn nicht nur als freien Tag sehen. Dies kann man aber nicht gesetzlich verordnen. Es braucht aber die Rahmenbedingungen. Bisher ist es in Rom immer wieder gescheitert, weil es immer wieder die verschiedenen Regierungswechsel gab! Mit dem Fall der Regierung waren alle Anträge wieder hinfällig. Laut meiner Erfahrung stehen die Chancen jetzt mit der Regierung Meloni sehr gut. Auch der Vatikan bzw. die Bischofskonferenz sollten endlich mal konkret Stellung beziehen. Dies würde sehr helfen, den Stein endlich ins Rollen zu bringen. Bis jetzt geht der Ball weiterhin hin und her und niemand weiß so recht, wer dafür zuständig ist.
Ich habe bereits einige Minister, Bischöfe und Kardinäle persönlich getroffen. Auch für Finanzminister Giancarlo Giorgetti wäre es eine schöne Sache. Leider denken aber immer weniger Menschen so wie wir, meinte er. Für viele ist Kirche und Religion nicht mehr wichtig. Auch die Minister Salvini, Santanché, Mantovano, Fitto und Calderoli sowie selbst auch Ministerpräsidentin Giorgia Meloni konnte ich bereits persönlich treffen. Alle würden es unterstützten. Ebenso der Kardinalstaatssekretär des Vatikans Kardinal Parolin und der Präsident der italienischen Bischofskonferenz Kardinal Matteo Zuppi sind dafür. Niemand wolle aber den ersten Schritt setzen, war sein Kommentar.






