Faschistisches Aufräumen unter den deutschen Tageszeitungen

Ein besonderer Dorn im Auge war den Faschisten die katholisch ausgerichtete Zeitung „Der Burggräfler“, welche unter der redaktionellen Leitung des Geistlichen Joseph Thaler zweimal wöchentlich im Meraner Laurin-Verlag erschien. Die Haltung dieses geistlichen Publizisten veranlasste das zweisprachig erscheinende Bozner Faschistenblatt „Il Piccolo Posto“ am 5. Jänner 1924 zu einem wüsten Hetzartikel.
In diesem Artikel wurden dem geistlichen Redakteur Thaler bereits im Titel „klerikal-alldeutsche Unverschämtheiten“ vorgeworfen. Weiter hieß es im Artikel durchaus drohend in schlechten Deutsch: „Wir geben für heute jenem schwarz-gelben Geistlichen Thaler den ernstlichen Rat sein Hirnkastl ein wenig in Ordnung zu bringen und nicht zu sehr auf den Eintritt des Faschismus in die Gesetzmäßigkeit zu vertrauen, denn wenn er den Kamm zu sehr steigen lässt, könnten auch jetzt noch überzeugende Mittel gefunden werden um auch jenen Dickschädel […] zurechtzusetzen. Hier in Meran, wenig ehrwürdiger Thaler, ist kein Platz mehr für Sie und bald werden Sie es begreifen müssen, nolens volens!“
Das war eine unverhüllte Drohung der Gewaltanwendung. Diese erübrigte sich aber in der Folge durch die behördliche Schließung der Zeitung Ende Oktober 1926.
Am 15. Jänner 1925 wurde die in der katholischen Verlagsanstalt Vogelweider in Bozen erscheinende Tageszeitung „Der Landsmann“ auf Weisung des Bozner Unterpräfekten Vittorelli beschlagnahmt. Dies geschah, weil die Zeitung über eine Parlamentsrede des Südtiroler Abgeordneten Baron Sternbach berichtet hatte und der Artikel nach Meinung des Unterpräfekten „tendenziöse Nachrichten“ enthalten habe, „welche geeignet sind, in der Bevölkerung ungerechtfertigte Besorgnisse zu erregen“.
Am 19. Jänner 1925 verfügte der Trientner Präfekt Guadagnini die förmliche Verwarnung der katholischen Tageszeitung und ihres verantwortlichen Redakteurs Peter Fuchsbrugger. Als Begründung wurde angeführt, dass die Zeitung „durch falsche, tendenziöse und übertriebene Nachrichten sowie durch giftige Kommentare […] die Verbrüderung der zwei Völkerschaften zu verhindern hartnäckig fortfährt“.
Am 22. Oktober 1925 enthob der Trientner Präfekt Guadagnini den verantwortlichen Redakteur Fuchsbrugger seines Amtes und am 26. Oktober 1925 erschien „Der Landsmann“ zum letzten Mal, am 21. Oktober die Tageszeitung „Bozner Nachrichten“ und am 27. Februar 1926 die „Meraner Zeitung“ zum letzten Mal.
1925 und 1926 wurden weitere Periodika eingestellt, wie die von der katholischen „Verlagsanstalt Vogelweider“ herausgegebene Wochenzeitung „Brixner Chronik“ und die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung „Der Burggräfler“ sowie einige andere Blätter.
Das mühsame Überleben einer unterdrückten Restpresse
Am 19. Februar 1925 wurde der von der katholischen Verlagsanstalt Vogelweider in Bozen herausgegebene „Volksbote“ durch den Unterpräfekten Vittorelli beschlagnahmt, weil diese Zeitung, wie es in der Begründung hieß, die Absicht verfolge „in der Bevölkerung die Abneigung gegen das gegenwärtige politische Regime zu erregen“. Mit der gleichen Begründung wurden am 20. Februar 1925 der „Volksbote“ und dessen verantwortlicher Schriftleiter Kanonikus Michael Gamper verwarnt. Nach einer zweiten Verwarnung konnte Kanonikus Gamper nicht mehr als Verantwortlicher zeichnen und der „Volksbote“ wurde Ende Oktober 1926 eingestellt.
Unter Zensurkontrolle wieder zugelassen
Nach Interventionen der Kurien von Trient und Brixen beim Heiligen Stuhl in Rom und bei Regierungschef Mussolini konnte allerdings erreicht werden, dass er am 30. Dezember 1926 wieder erscheinen konnte. Auch das ebenfalls von der katholischen Verlagsanstalt Vogelweider in Bozen herausgegebene illustrierte Familienblatt „Dolomiten“ wurde wieder zugelassen. Beide Zeitungen standen jedoch unter strenger staatlicher Zensurkontrolle und konnten keine kritische Berichterstattung ausüben. Die übrigen eingestellten deutschen Zeitungen blieben verboten.
Der obige Auszug stammt aus dem Buch „An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939“ von Helmut Golowitsch.
Golowitsch, Helmut: An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2022. ISBN: 978-88-97053-95-8






