M5S und Sprachgruppenzugehörigkeit: Spiel mit dem Feuer?

Das Modell der Sprachgruppen und des ethnischen Proporzes ist ein über Jahre hinweg sorgfältig entwickeltes System, das darauf abzielt, die Rechte aller in Südtirol lebenden Gemeinschaften zu schützen. Es hat sich als äußerst robust erwiesen. Die Schaffung einer vierten „gemischtsprachigen“ Gruppe würde diesen Proporz direkt untergraben, und es besteht die Gefahr, dass es vor allem einer Gruppe zugutekäme: den Italienern.
Die Idee einer „gemischtsprachigen“ Gruppe mag aus der Perspektive eines Einzelnen vernünftig erscheinen, ist jedoch höchst problematisch, wenn man die kollektiven Auswirkungen bedenkt. Durch die Einführung einer solchen Gruppe könnten Italiener, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, sich als „gemischtsprachig“ identifizieren und damit das System ausnutzen. Dies würde die bestehende Balance der Machtstrukturen zugunsten der italienischen Gemeinschaft kippen und könnte langfristig zu sozialen Spannungen führen.
Ein Schlag gegen die Minderheiten
Das Südtiroler Modell hat vor allem die Absicht, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Die Einführung einer vierten Sprachgruppe würde diese Minderheitenrechte verwässern und das Fundament des Südtiroler Modells destabilisieren.
Irreführung von Nicolini
Besonders dreist ist die Behauptung Nicolinis, dass Modernisierungsversuche, etwa durch den Autonomiekonvent, gescheitert seien. Denn er übersieht dabei einen wichtigen Punkt: Im Autonomiekonvent gab es eine weitreichende Übereinstimmung zur Beibehaltung des Proporzes. Dies deutet weniger auf ein Scheitern der Bemühungen hin als vielmehr darauf, dass die zentralen Elemente der Südtiroler Autonomie — wie eben der Proporz — mehrheitlich als notwendig für die Wahrung des sozialen Gleichgewichts erachtet werden. In diesem Kontext ist nicht von einem Scheitern der Modernisierungsbemühungen zu sprechen, sondern von einer Bestätigung der bestehenden Strukturen.
Vorsicht vor unüberlegten Änderungen
Es ist bemerkenswert, dass Politiker italienischer Herkunft, wie Diego Nicolini, mit Vorschlägen zur Änderung eines so sensiblen Systems wie des ethnischen Proporzes hervortreten. Für sie mag die Lockerung oder Erweiterung dieser Regelungen eine bequeme Möglichkeit darstellen, politische Unterstützung innerhalb ihrer eigenen Volksgruppe zu sammeln. Für die sprachlichen Minderheiten hingegen steht weit mehr auf dem Spiel: nämlich der Schutz ihrer kulturellen und sprachlichen Identität, der über Jahrzehnte hinweg erkämpft wurde. Für sie sind die bestehenden Regelungen nicht einfach politische Manöver, sondern essenzielle Mechanismen, die ihre Teilhabe an der Gesellschaft sichern. Jeder Versuch, diese sorgfältig ausbalancierten Strukturen aufzuweichen, ist daher für die Minderheitengruppen inakzeptabel und birgt das Risiko ernsthafter sozialer und politischer Rückschritte.






