von gk 28.04.2023 18:30 Uhr

Wie aus Faschisten „Antifaschisten“ wurden

Nachdem die deutschen und italienischen Truppen in Nordafrika kapituliert hatten, die Alliierten am 10. Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren und sich die dort stationierten italienischen Truppen reihenweise ergeben hatten, fand in Rom eine wundersame und plötzliche Mutation des faschistischen Großrats statt.

Bis zur erfolgreichen Landung der Alliierten war der italienische König Vittorio Emanuele III. noch ein Verbündeter der Diktatoren Hitler und Mussolini gewesen und hatte sich gerne mit ihnen in der Öffentlichkeit gezeigt (Bild: Effekt Verlag).

„Die Mitglieder des faschistischen Großrates, des „Gran Consiglio del Fascismo“, waren mehrheitlich zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich in Antifaschisten verwandeln sollten. Am 24. Juli 1943 wurde daher der „Duce“ Benito Mussolini in einer Sitzung des Großrats auf Antrag seines alten Freundes und Mitbegründers der faschistischen Bewegung, Dino Grandi, entmachtet. 19 faschistische Granden hatten für die Absetzung Mussolinis gestimmt, nur 7 hatten sich dagegen ausgesprochen, 2 hatten sich der Stimme enthalten. Am folgende Tag wurde Mussolini dann im Auftrag des italienischen Königs verhaftet, welcher über Nacht nun ebenfalls ein Gegner des Faschismus geworden war. Der König machte gegenüber den Westalliierten damit wieder gut, dass er Mussolini 1922 zum Ministerpräsident berufen, dessen Freundschaft mit Hitler geteilt und damit seinen königlichen Beitrag dazu geleistet hatte, Europa in die Katastrophe zu führen.

  • Der faschistische Massenmörder und "Marschall von Italien" Pietro Badoglio wurde von König Vittorio Emanuele III. zum "antifaschistischen" neuen Regierungschef bestellt (Bild: Effekt Verlag).

Am 26. Juli 1943 wurde Marschall Pietro Bardoglio, bislang Mitglied des „Partito Nazionale Fascista“ (PNF), der „Nationalen Faschistischen Partei“, von dem König mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Badoglio war als Generalgouverneur in Libyen und als militärischer Befehlshaber in Abessinien durch den Einsatz von Giftgas und die Durchführung massenhafter Deportationen in Todeslager führend am Völkermord beteiligt gewesen. […] Dem Massensterben fielen historischen Berichten zufolge rund 40.000 Menschen zum Opfer. In den von Einheimischen „gesäuberten“ Gebieten ließen sich bis 1939 dann an die 100.000 italienische Siedler nieder. In Anerkennung dieser Verdienste für die italienische Kolonalpolitik erhob König Vittorio Emanuele III. den Schlächter Badoglio zum erblichen „Herzog von Addis Abeba“ und sich selbst zum „König von Abessinien“. Nun, 1943, war der zum „Antifaschisten“ Gewandelte zum Ministerpräsidenten Italiens aufgestiegen und sollte bald ein wichtiger Verbündeter der Westmächte werden. Badoglio sollte daher weder im „demokratischen“ Nachkriegsitalien noch vor einem internationalen Gerichtshof jemals für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.

  • Über die schreckliche Anwendung des Giftgases in Äthiopien macte sich das faschistische Regime in Karikaturen für Kinder noch lustig (Bild: Effekt Verlag).
  • Eines der vielen schrecklichen Todeslager für die vertriebenen Beduinen - einschließlich Frauen und Kinder - in der libyschen Wüste (Bild: Effekt Verlag).
  • Mit Terrormethoden war die italienische Kolonialmacht in den unterworfenen Gebieten gegen die einheimische Bevölkerung vorgegangen und hatte sich dabei auch angeheuerter Kolonialtruppen bedient. Dieses Geschehen ist bist heute weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein Italiens verdrängt (Bild: Effekt Verlag).

Die gesamte „postfaschistische“ oder „antifaschistische“ Regierung Badoglio war ähnlich gestrickt wie ihr Chef. Sie setzte sich aus 6 Generälen, zwei Präfekten, 6 Funktionären und 2 Staatsräten des ehemaligen faschistischen Regimes zusammen. Der Innenminister Umberto Ricci war beispielsweise seit 1926 eingeschriebenes Mitglied des PNF sowie faschistischer Senator und Präfekt gewesen. Der neue Außenminister Raffaele Guariglia hatte bereits 1926 unter Mussolini das Amt des „Direttore generale per gli affari politici“ („Generaldirektor für politische Angelegenheiten“) im Außenministerium innegehabt. Der neue Kriegsminister Antonio Sorice war ein enger Mitarbeiter Mussolinis und zuletzt Staatssekretär im Kriegsministerium gewesen.

  • Im November 1938 hatte der italienische Ministerrat die "Gesetze zur Verteidigung der Rasse" abgesegnet, mit denen die Juden in Italien rechtlos gemacht wurden. Der nunmehrige "antifaschistische" Justizminister Gaetano Azzariti hatte an ihrer Ausarbeitung mitgewirkt (Bild: Effekt Verlag).

Der neue Justizminister Gaetano Azzariti hatte an der Ausarbeitung der anti-semitischen italienischen Rassengesetze mitgearbeitet und dann als Präsident des „Tribunale della Razza“, des „Rassentribunals“, fungiert. Dieses infame Tribunal betrieb die „Säuberung“ Italiens von Juden und entschied darüber, ob ein Staatsbürger der „hebräischen Rasse“ zuzurechnen und somit ein Kandidat für die Deportation nach Auschwitz sei. Im Jahre 1957 sollte der „Rasserichter“ Azzariti dann zum Vizepräsidenten des italienischen Verfassungsgerichtshof avancieren.“

Fortsetzung folgt…

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite