„Cold Case“ Pfitscherjochhütte

„Die offizielle Version des Herganges lautete folgendermaßen: Der Finanzer Bruno Bolognesi löste beim Betreten des Finanzerstützpunktes am Pfitscherjoch einen an der Eingangstür befestigten Zündmechanismus aus, der 50kg Sprengstoff zur Detonation brachte. Bei der Detonation wurde der Stützpunkt zerstört und Bolognesi getötet. Südtirolaktivisten aus dem Ahrntal wurden und werden bis heute beschuldigt, diesen Anschlag verübt zu haben. Vor der Hütte an jener Stelle, an der Bruno Bolognesi sein Leben ausgehaucht hat, steht heute ein Denkmal. (Über den Hergang des Vorfalles gibt es bereits einen Buchauszug auf UT24).
Eine genaue Untersuchung des Falles zeigt allerdings, dass sich die Geschichte nicht so abgespielt haben kann, wie offiziell dargestellt. Der Historiker des österreichischen Bundesheeres, Dr. Hubert Speckner, fand bei seinen Recherchen Fotos und eine Lageskizze, nach denen sich der Fall völlig anders darstellt. Ein Lokalaugenschein im Pfitscherjoch-Haus und eine Befragung von Zeitzeugen ergaben folgendes Bild: Die Pfitscherjochhütte wurde in den 1960ern nur zum Teil als Finanzerstützpunkt verwendet. Und zwar betraf das in erster Linie den gemauerten Teil der Hütte. Der aus Holz bestehende Teil wurde weiterhin als Gaststätte verwendet. Der Eingang befand sich zwischen den beiden Gebäudeteilen. Nun hat sich die angebliche Detonation aber nicht im Finanzerstützpunkt, sondern in der entgegengesetzten, nördlichen Ecke des Gebäudes (der Gaststätte) ereignet. Das zeigen die Bilder recht eindeutig.
Dort ist auch im Plan der „vermutliche Ort der Explosion“ eingezeichnet. Allerdings ergibt sich hier gleich das erste Problem: An dieser Stelle hat es laut Zeitzeugen damals keine Tür gegeben. Auch im Lageplan ist an dieser Stelle lediglich ein Fenster eingezeichnet. Die Eingangstür befand sich ca. 11m von der Stelle der Explosion entfernt. Der Ort der Explosion war somit nicht ein Vorraum, wie man ihn hinter der Eingangstür einer Berghütte erwarten würde, sondern die Küche der Gaststätte. Im Plan eingezeichnet ist eine Stelle unmittelbar neben dem Ofen. An dieser Stelle sind angeblich 50kg Sprengstoff detoniert. Also hinter dem Küchenfenster in 11m Distanz zur Eingangstür. Es stellt sich natürlich die Frage, wo Bolognesi zum Zeitpunkt der Detonation war. Beim Küchenfenster oder bei der Eingangstüre? Die Behauptung, Bolognesi habe durch das Öffnen der Eingangstüre einen „Zugzünder“ (Abreißzünder) aktiviert und damit 50kg Sprengstoff gezündet, kann daher nicht stimmen.
Die Bilder, die die Zerstörungen am Gebäude dokumentieren, lassen keinen Hinweis auf die Detonation von 50kg Sprengstoff erkennen. Vielmehr scheint es sich bei dem Ereignis um eine Gasexplosion oder Verpuffung oder Ähnliches gehandelt zu haben. Die Holzwände wurden ausgebaucht und verschoben, das Dach ist zwischen die Wände nach unten gefallen. […]
Bei genauerer Betrachtung des Fotos des Opfers zeigen sich nicht jene Verletzungen, die man von einer Detonation von 50kg Sprengstoff in unmittelbarer Nähe erwarten würde. Vielmehr zeigen sich am gut erkennbaren Gesicht kaum Spuren von Verletzungen. Auch die Uniformjacke scheint nicht oder nicht stark beschädigt. Allerdings zeigt das Foto auch etwas, was wie der nackte Oberschenkel des Opfers aussieht. Wenn man all diese Dinge in Betracht zieht, bleibt eigentlich nur mehr eine einzige Schlussfolgerung übrig:
Es handelte sich keinesfalls um ein Attentat, bei dem 50kg Sprengstoff hinter der Eingangstür durch das Öffnen der Türe gezündet wurden. Der Ort der Explosion war vielmehr die Küche und der Grund dafür ein schadhafter Ofen. Laut Zeitzeugen wurde auf der Hütte ein Gasofen benutzt und aus diesem dürfte wohl Gas ausgeströmt sein. Der Finanzer Bruno Bolognesi befand sich zum Zeitpunkt der Explosion nicht vor der Eingangstüre zum Gebäude, sondern offensichtlich auf dem Klosett, welches sich unmittelbar angrenzend an die Küche befand. Möglicherweise hat er durch das Anzünden einer Zigarette die Explosion sogar selbst ausgelöst. Jedenfalls handelte es sich bei diesem Ereignis nicht um ein Attentat, bei dem bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen wurde, sondern um einen tragischen Unfall. Man hat diesen tragischen Unfall anschließend bewusst politisch missbraucht und einen Anschlag reklamiert, den es so einfach nicht gegeben haben kann.“
(Aus dem Exkurs des Sachverständigen für Sprengwesen, Max Ruspeckhofer)
Auch für den Fachexperten und beeideten unabhängigen Sachverständigen Prof. Dr. Ing. Harald Hasler ist aufgrund der festgestellten technischen Tatsachen bei der fundierten fachmännischen kriminaltechnischen Sachverständigenbeurteilung und Prüfung zum Thema Explosionsereignis unter den Angaben, Explosionsauswirkungen mit Schadensbilddarstellung sowie der aktenkundigen detaillierten Beschreibung des Vorfalles, zweifelsfrei klar, dass sich der aktenkundig beschriebene Vorfall am 23. Mai 1966 am Pfitscherjoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so NICHT ereignet haben kann. Alle Indizien sprechen eindeutig für eine Gasexplosion. Sachverhaltsdarstellungen, Fachbeurteilungen und entscheidende Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Akten sind für den Sachverständigen Hasler in keinster Weise nachvollziehbar, mangelhaft und unterliegen keinen fachlich fundierten und objektiv ermittelten gerichtsverwertbaren Erkenntnissen.“
Eine vertiefte, detaillierte Betrachtung der Untersuchung und der Bewertung der einzelnen Sachverhalte wird durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten vom Sachverständigen Ing. Dr. Hasler im Buch vorgelegt.
Der obige Auszug stammt aus dem Kapitel „Explosion im Pfitscherjoch-Haus“ des Buches „Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte“ von Hubert Speckner (u.a.).
Speckner, Hubert (Hg.): Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte. Die drei „merkwüridgen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! Buch. 2022.
ISBN: 979-12-5532-004-3






