von gk 11.02.2023 11:28 Uhr

„Ein befriedigender Abschluß der Südtirol-Frage steht noch immer aus“

Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) erwähnte die Südtirol-Problematik in seiner „Erklärung der Bundesregierung“ anlässlich der Regierungsübernahme seiner ÖVP-Alleinregierung am 20. April 1966 dreimal: Ein „befriedigender Abschluß“ der Verhandlungen stehe noch aus und Österreich habe „Verpflichtungen“ bezüglich des Pariser Abkommens zu erfüllen.

Angelobung der ÖVP-Alleinregierung Klaus II durch Bundespräsident Franz Jonas am 19. April 1966. Mitglieder der neuen Bundesregierung mit Bundeskanzler Josef Klaus (zweiter v.l.) und Grete Rehor, der ersten österreichischen Ministerin. (Bild ID: 4135773; Copyright: ÖNB/Fritz Kern).

EWG-Verhandlungen als Druckmittel

In seiner Aufzählung der Punkte des Regierungsprogramms folgte nach dem Punkt 1, dem „Abschluß der zügig fortzuführenden Verhandlungen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ als Punkt 2 bereits die „ehestmögliche Weiterführung mit der italienischen Regierung zwecks endgültiger Bereinigung der Südtirol-Frage“. Bemerkenswerterweise benutzte Italien den von Klaus erwähnten Punkt 1, die EWG-Verhandlungen, um Österreich zum „Höhepunkt“ der Südtirol-Krise 1967 mittels seines EWG-Vetos unter beträchtlichen außenpolitischen Druck zu setzen.

  • Dr. Josef Klaus, 1964 (Bild: Wikimedia Commons, Basch Fritz / ANEFO / 2.24.01.04)

„Bundeskanzler Dr. Klaus: Mit aufrichtigem Bedauern muß die österreichische Bundesregierung feststellen, daß ein befriedigender Abschluß der Verhandlungen mit Italien über die Lösung der Südtirol-Frage immer noch aussteht. Österreich bemüht sich, gestützt auf die Beschlüsse der Vereinten Nationen und im Vertrauen auf Zusicherungen der zuständigen italienischen Regierungsorgane, seit nunmehr fast fünf Jahren um eine Beilegung des Streitfalles auf bilateraler Ebene. Ich möchte betonen, daß bei den Verhandlungen sowie bei persönlichen Begegnungen und Gesprächen von Staatsmännern Italiens und Österreichs viel guter Wille geäußert wurde. Den Worten sollten nun endlich Taten folgen. Die Zeit drängt, und ein weiterer Aufschub ist im Interesse der betroffenen Bevölkerung immer schwerer verantwortbar. […]

Aufruf an Italien

Im Bewußtsein dieser Verpflichtung [Anm.: Schutz der Südtiroler Volksgruppe] wird die österreichische Bundesregierung in ihren Anstrengungen, sei es auf bilateraler, sei es auf internationaler Ebene, nicht erlahmen. Ich möchte diesen Teil der Regierungserklärung nicht abschließen, ohne nochmals an die italienische Regierung zu appellieren: Der Schritt, der noch zu tun ist, ist nur mehr klein. Seine Auswirkungen aber wären groß und segensreich für unsere beiden Völker. […]“

4. Sitzung des Nationalrates: Freitag, 22. April 1966

Die der Regierungserklärung folgende Debatte dieser Erklärung führte zu zahlreichen Wortmeldungen zur Südtirol-Frage, vorwiegend zur Weiterführung von Verhandlungen mit Italien, wobei die Rede des früheren Außenministers Kreisky (SPÖ) besonders prägnant war.

Dr. Hermann Withalm (ÖVP): Der Generalsekretär der ÖVP und spätere Vizekanzler äußerte sich kurz über die „endliche und endgültige Lösung des Südtirol-Problems“.

Friedrich Peter (FPÖ): Der Bundesparteiobmann der FPÖ ging über die Fortsetzung der Verhandlungen hinaus und verlangte eine neuerliche Vorbringung der Südtirol-Frage vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Mag. Dr. Emil van Tongel (FPÖ): Der Freiheitliche bekräftigte die Forderung der FPÖ nach einer neuerlichen UNO-Vorbringung.

  • Stenographisches Protokoll, 4. Sitzung NR XI. GP (gescanntes Original)

Dr. Bruno Kreisky (SPÖ): Der ehemalige Außenminister ging in einer für ihn eher ungewohnten Offenheit hart mit dem Pariser Abkommen ins Gericht und forderte von seinem Nachfolger im Außenministerium dasselbe, was er stets vertreten habe: eine „im internationalen Leben gültige Verankerung“. Dazu erwähnte Kreisky erstmals im Nationalrat seine Verhandlungen mit Giuseppe Saragat im Jahr 1964 sowie parteiinterne Probleme der SVP, den Parteiausschluss „des einzigen Sozialisten in der Südtiroler Volkspartei“.

Dr. Karl Kummer (ÖVP): Der Abgeordnete und „leitende Sekretär der Arbeiterkammer Wien“ kritisierte seinen Vorredner Kreisky, äußerte sich zu dem von Kreisky geäußerten Parteiausschluss der SVP – es handelte sich um den Bozner Arzt Egmont Jenny, den Kreisky protegierte – und ging vor allem mit den in Südtirol agierenden Gewerkschaften, die ausschließlich für Italiener einträten, hart ins Gericht. Kummer kritisierte aber auch die aktuelle italienische Regierung unter Aldo Moro.

  • Dr. Bruno Kreisky (Foto: Effekt GmbH)

Gustav Zeilinger (FPÖ): Die Rede des Freiheitlichen und die Kritik am seinerzeitigen Außenminister des Pariser Abkommens und neuen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Dr. Karl Gruber (ÖVP), bieten eine Einsicht in die österreichische parteipolitische Innenpolitik des Jahres 1966.

Franz Kranebitter (ÖVP): Der Osttiroler Abgeordnete sprach versöhnliche Worte zur österreichischen Innenpolitik, da viele Sozialisten aufgrund der ÖVP-Alleinregierung in eine überaus aggressive Haltung verfallen waren, ging aber auch mit italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro ins Gericht, der – wie seine Vorgänger – am 9. März 1966 erklärt hatte, Italien habe das Pariser Abkommen „vollkommen und loyal erfüllt“. Eine Meinung, die Aldo Moro wenige Jahre später augenscheinlich etwas revidierte.

  • Foto: Effekt

Der obige Auszug stammt aus dem 2. Band des Werkes „Herzenssache Südtirol …“ über das Thema Südtirol in den Nationalratssitzungen der Zweiten Republik Österreich von 1945 bis 2020, herausgegeben als Publikation für das „Haus der Tiroler Geschichte“ von Hubert Speckner, erschienen 2022 im Verlag Gra&Wis in Wien und Effekt! Buch in Neumarkt, Südtirol.

Speckner, Hubert (Hg.): Herzenssache Südtirol… Südtirol in den Nationalratssitzungen der Zweiten Republik Österreich. 1945 bis 2020, Band 1: 1945 bis 1966, Wien: Gra&Wis, Neumarkt, Südtirol: Effekt! Buch. 2022.
ISBN: 978-88-97053-94-1

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