Ein Auftrag über die Jahrhunderte

Herr Fischnaller, Sie sind jetzt seit 2015 Propst im berühmten Kloster Neustift. Was waren die besonders spannenden Momente in Ihrer Amtszeit, Dinge an die Sie gerne zurückdenken?
Spannende Momente gibt es tagtäglich. Jeder Tag bringt was Neues, so wie das Leben und der Alltag – bunt und abwechslungsreich.
Was sind die modernen Herausforderungen an die Ordensgemeinschaften, speziell an die Augustiner-Chorherren in Neustift?
Es gibt die religiösen und die wirtschaftlichen Herausforderungen. Die religiöse ist sicher, junge Menschen für das Ordensleben zu begeistern. Die wirtschaftliche ist, als Betrieb am Ball zu bleiben, innovativ und offen für Neues zu sein.
Neustift wirkt heute vor allem wegen seiner architektonischen und kulinarischen Genüsse als Besuchermagnet in Nah und Fern. Wie wirkt sich das auf Ihre Gemeinschaft aus? Sind Sie oft von den weltlichen Dingen überfordert oder ziehen Sie auch Vorteile daraus?
Kloster Neustift ist eine religiöse, kulturelle und bildungspolitische Institution, aber auch ein Wirtschaftsunternehmen, das zwölf Betriebe vereint. Kloster Neustift ist also ein „lebendiges Kloster“. Die Herausforderung besteht darin, nicht den Überblick für das gesamte Unternehmen zu verlieren und die richtige Balance zu finden. Bei der Leitung der Wirtschaftsbetriebe werde ich vom Stiftsverwalter und den rund 100 Mitarbeitern unterstützt. Die Klausur ist Rückzugsort, um Kraft zu tanken und aus der Stille zu schöpfen. Alleine wäre man zu dieser Aufgabe nicht fähig.
Immer wieder flammen Debatten über die althergebrachten Standpunkte der Kirche auf. Die Ordensregel des hl. Augustinus, nach der Sie heute leben, stammt aus der Spätantike. Wie aktuell sind seine Lehren für unsere Zeit?
Gerade in der heutigen Zeit sind die Ordensregeln des hl. Augustinus sehr aktuell. Sie sind kurz, prägnant und geben Orientierung. Sie sind spirituelle Richtschnur unseres Ordenslebens und darüber hinaus: „Vor allem, liebe Brüder, liebt Gott und den nächsten; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind. Folgendes schreiben wir euch im Kloster vor: Das erste Ziel eures gemeinschaftlichen Lebens ist es, in Eintracht zusammen zu wohnen und ein Herz und eine Seele zu sein auf Gott hin.“
Augustinus wird als Autor ja heute noch von Lateinschülern, Geschichtsinteressierten, aber auch von Laien zur Inspiration gelesen. Haben Sie ein Lieblingsbuch vom Kirchenvater Augustinus?
Die „Confessiones“, die autobiographischen Betrachtungen des Kirchenlehrers Augustinus, sind meine Inspiration.
Sie kommen gerade von der Pröpstekonferenz im Stift Sankt Florian in Oberösterreich zurück. Wie verläuft die Zusammenarbeit zwischen den österreichischen Abteien der Augustiner-Chorherren?
Neustift ist seit 1907 mit fünf weiteren Stiften zur Kongregation der Österreichischen Augustiner Chorherren zusammengeschlossen. Die Kongregation dient als Austausch- und Kontrollforum sowie als gemeinsame Interessensvertretung nach außen. Wir kommunizieren sehr viel und der Austausch ist sehr rege – über Besuche, E-Mails, Fachtagungen, Kongresse usw. Diese Vernetzung ist für uns sehr wichtig, in religiöser, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Nach Sankt Florian und Klosterneuburg bei Wien ist Neustift heute das drittgrößte Chorherrenstift in der österreichischen Kongregation. Wenn Sie in die Zukunft blicken, welchen Erwartungen und Hoffnungen blicken Sie entgegen?
Seit der Klostergründung 1142 wurde das Stift von Generation zu Generation weitergegeben. Jeder Propst hat sich bemüht, das Stift so zu übergeben, dass sein Nachfolger gut starten und auf dem weiterbauen kann, wofür die anderen den Grund gelegt haben. Das ist auch mein Bemühen.
Herzlichen Dank, dass Sie sich für uns die Zeit genommen haben! Wir von UT24 wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in Ihrem Schaffen!






