von hm 30.03.2021 07:07 Uhr

Der Sueskanal – Lebenstraum eines Tiroler Ingenieurs

Seit einigen Tagen ist der Sueskanal wegen eines havarierten Containerschiffs (UT24 berichtete) in den Schlagzeilen. Das Nadelöhr zwischen Rotem und Mittelmeer verkürzt die Schifffahrtsrouten zwischen Europa und Asien seit 1869 um Wochen und gilt als Eckpfeiler des globalen Handels. Der Entwurf zu diesem Jahrhundertprojekt stammte ursprünglich von einem Tiroler Ingenieur.

Visionär Alois Negrelli plante als erster den Kanal von Sues. (Montage: UT24)

Nicolaus Alois Maria Vincenz von Negrelli wurde 1799 im Welschtiroler Fiera di Primiero als Sohn eines einheimischen Grundbesitzers und einer aus Deutschland stammenden Mutter geboren.

Als Negrelli zehn Jahre alt war, musste die Familie ihren Besitz verkaufen, weil sein Vater nach der Teilnahme und Gefangenschaft im Tiroler Freiheitskampf verarmte. Seine Schwester Giuseppina gilt heute noch als Welschtiroler Volksheldin im Kampf gegen die französische Koalition.

Ein Stipendium ermöglichte dem jungen Alois Negrelli jedoch den Besuch von Schule und Studium. Zunächst arbeitete er als Praktikant für die kaiserliche Baudirektion für Tirol und Vorarlberg, wobei er Erfahrungen bei der Regulierung von Flüssen und im Straßenbau sammelte.

Internationale Eisenbahnprojekte

Negrelli zeigte eine Begeisterung für die Eisenbahn. Im Zuge dessen beteiligte er sich zunächst an Bahnprojekten in der Schweiz. 1842 übernahm Negrelli die technische Leitung für die österreichische Nordbahn und plante den Streckenabschnitt Olmütz–Brünn im heutigen Tschechien.

In den Folgejahren gelangen ihm mehrere spektakuläre Bahnprojekte wie das Zugviadukt durch die Lagune von Venedig und die Eisenbahnbrücke über die Moldau in Prag. 1856 wurde Negrelli schließlich Generalinspektor der österreichischen Eisenbahnen.

Die Idee des Sueskanals

Es war bereits in den 1830ern, als er zum ersten Mal von der Landenge von Sues zwischen Asien und Afrika hörte. Die Idee eines schiffbaren Kanals, der Rotes und Mittelmeer verbindet, sollte ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen.

Vor 2.600 Jahren verwirklichten die alten Ägypter ein ähnliches Projekt: Pharao Necho II. hatte einen Kanal von einem Mündungsarm des Nil zum Roten Meer begonnen, der in der persischen Dynastie vollendet wurde. Nach Ende der oströmischen Herrschaft im Mittelalter verfiel dieser jedoch wieder.

Aufbruch nach Ägypten

Im Sommer 1846 entsandte Negrelli drei Ingenieure in die Gegend von Sues. Ihre Messungen benützte er als Grundlage für sein Kanalprojekt. In Paris bildete sich eine internationale Gesellschaft, die sich mit den technischen Problemen des Durchstichs unter Negrellis Beisitz beschäftigte.

Zu dieser Zeit fing der ehemalige französische Diplomat Ferdinand de Lesseps an, sich mit dem Kanalprojekt zu befassen. Negrelli war 1857 vom ägyptischen Vizekönig unterdessen zum Generalinspektor aller Kanalbauten im Land ernannt worden.

Der Tiroler starb überraschend 1858. De Lesseps erhielt die Konzession für den Bau des Kanals, mit dem ein Jahr später begonnen wurde. Die Unterlagen dafür hatte er sich von Negrellis Witwe aus dessen Nachlass beschafft.

De Lesseps vermied künftig Diskussionen über die Baupläne, so dass der Name Alois Negrelli bald in Vergessenheit geriet. Schadensersatzforderung seiner Tochter machten erst Jahre später die Bedeutung des Tirolers einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.

Von der Eröffnung bis heute

Mit dem Einsatz zigtausender Arbeiter wurde unter Leitung von de Lesseps der Kanal 1869 fertiggestellt. Seine feierliche Eröffnung in Anwesenheit internationaler Ehrengäste fand im November des Jahres statt.

Der Sueskanal war in den folgenden Jahrzehnten mit militärischer Unterstützung fest in der Hand des britisch-französischen Konsortiums, das Ägypten zusehends in britische Abhängigkeit trieb. 1952 bemächtigte sich Ägypten des Kanals und verstaatlichte ihn. 1956 versuchten Frankreich und Großbritannien, den Kanal militärisch zurückzuerobern. Der Feldzug verkam jedoch zum politischen Fiasko.

  • Am Montag konnte der Kanal wieder freigegeben werden. (APA/AFP)

Durch den 193 Kilometer langen Kanal wurden allein 2019 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens befördert. War er früher für den Indienhandel wesentlich, dient die Wasserstraße heute unter anderem dazu, um Möbel, Elektrogeräte und Konsumgüter aus China nach Europa zu liefern. Damit gilt er als eine der wichtigsten Einnahmequellen Ägyptens.

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