von su 28.03.2021 08:08 Uhr

Dramatische Corona-Situation: Zwei Südtiroler Chefköche erzählen

In diesen Tagen läuft der Versuch seitens der Politik und der Gastronomie eine Öffnung der Betriebe nach Ostern herbeizuführen. Nach der langen Durststrecke und den Totalausfällen trifft es nicht allein die Unternehmer. Auch die Mitarbeiter wissen nicht mehr, wie es weiter gehen soll. UT24 hat mit zwei Betroffenen gesprochen.

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Die Situation für uns Angestellte ist echt langsam dramatisch, sagt Hubert Niederbrunner – Chefkoch im Hotel Heini in Sand in Taufers Die finanzielle Lage sei schlimm! „Ich bin seit Anfang Oktober arbeitslos – hätte eigentlich Mitte Dezember wieder mit der Wintersaison starten sollen.

Kann und will Zustand nicht akzeptieren

Doch mit einem Totalausfall der Wintersaison hätte wohl niemand gerechnet!“ Nun habe Niederbrunner seit Mitte Jänner kein Anrecht mehr auf Arbeitslosengeld, weil ihm die zustehenden Tage ausgelaufen sind.

Die fatale Folge ist, dass der Chefkoch somit nicht mal mehr renten- und unfallversichert ist! „Ich kann und will diesen Zustand nicht akzeptieren, da ich immer passioniert und motiviert meinen Beruf als Koch ausgelebt habe! Wir sind unverschuldet in diese miese Situation geraten, wollen arbeiten, bekommen aber seit Monaten keine Perspektive und auch nur einen Hauch von einem konkreten Neustart! Ich bin es leid, ständig vertröstet zu werden, noch etwas Geduld und Wartezeit aufzubringen!“

INPS hat keine Zeit

Viele Male habe Niederbrunner versucht mit dem INPS in Kontakt zu treten. Man brauche bereits Glück überhaupt durchzukommen, sagt Niederbrunner. Dann habe man fünf Minuten und die Uhr tickt: Bis die Daten, wie Personaldaten usw. erfasst sind ist die zur Verfügung stehende Zeit am Telefon auch wieder um! „Man steht also wieder ohne Antwort da“, beschreibt Niederbrunner seine Erfahrungen mit dem INPS.

Hubert Niederbrunner – Chefkoch im Hotel Heini in Sand in Taufers. (Bild: Privat)

Wenn Lockdowns, dann für alle

„Wir leben in einer noch nie so dagewesenen Pandemie. Niemand hätte dieses Ausmaß so erahnt! Doch ich begreife nicht, warum die Gastronomie und der Tourismus, eine bedeutende, wenn nicht die bedeutendste Triebfeder der heimischen Wirtschaft so links liegen gelassen werden“.

Während Handwerk und Baugewerbe und noch wenige andere Sektoren arbeiten dürften. Und das zu teilweise sehr bedenklichen Corona-Bedingungen, so Niederbrunner. „Wenn wir bedenken, dass für diese Branchen essen „to go“ auf die Baustelle oder in die Firma gebracht wird, haben sie dann nicht auch Anrecht auf eine ordentliche Verpflegung in einem Restaurant oder Mensa zu angepassten Bedingungen? Für mich sind viele Ist-Zustände so unbegreiflich und irreal!“

Wenn Lockdowns, dann für alle Branchen, um gesellschaftlichen Zwiespalt und Neid zu vermeiden, bringt Niederbrunner seine Meinung auf den Punkt.

Gastronomie hat sich auf Neustart vorbereitet

Die Gastronomie habe sich vergangenen Sommer so auf die Situation angepasst, investiert und so einen Neustart geschaffen…, so Niederbrunner weiter. „Nun wird wieder alles zunichte gemacht! die Aussicht auf eine Wiedereröffnung und somit auf Arbeit werde „step by step“ nach hinten verschoben. „So kann es nicht weitergehen; die guten Fachkräfte kehren unserer Branche den Rücken und versuchen in anderen Wirtschaftszweigen ein Einkommen zu erzielen“. Kann es das sein, fragt sich Niederbrunner.

„Sollte irgendwann das Geschrei nach Fachkräftemangel groß sein, dann weiß ich den Grund dafür“, resümiert der Chefkoch. Niederbrunner verlangt nach Perspektiven, denn von leeren Versprechungen und hoffnungsvollen Dekreten und Ideen, die dann doch nicht umgesetzt werden, können die Familien nicht ernährt werden.

„Gebt uns Perspektiven und die Chancen zu arbeiten, was die einzelnen Betriebe draus machen, liegt dann in ihren Händen“, fasst Niederbrunner zusammen.

Wo soll ich anfangen

„Wo soll ich anfangen“, fragt Uwe Bungert, Chefkoch im Hotel Tuberis Natur & Spa Resort, Taufers im Münstertal.

„Meine Lebensgefährtin Heidi Hafner und ich arbeiten beide im gleichen Hotel. Sie als Chef Patissier und ich als Chefkoch. Daher trifft die Situation uns doppelt hart“.

Uwe Bungert, Chefkoch im Hotel Tuberis Natur & Spa Resort, Taufers im Münstertal. (Bild: Privat)

Ich überlege ernsthaft in die Schweiz zu gehen

Dem Chefkoch gehe es einen Tag besser und andere Tage schlechter, denn jetzt entscheiden andere Menschen über sein Leben. Es ist nicht nur die Arbeit, die fehle, es sind mittlerweile Existenzängste.

„Mein Lebensstandard, den ich mir erarbeitet habe (ich arbeite seitdem ich 16 Jahre bin) ist extrem bedroht. Meine persönlichen Ausgaben, private Rente, Versicherung usw. sind mittlerweile auf meine Position in der Küche abgestimmt“.

Jetzt lebe Bungert vom Arbeitslosengeld das sei nicht sehr viel. „Und dann die Information, dass wieder alles geschlossen bleibt. Ich überlege ernsthaft in der Schweiz zu arbeiten um wieder ein geregeltes Leben zu führen“, so der Chefkoch.

Nein, wir haben keinen Urlaub

Am Anfang haben viele gesagt, so Bungert, die Gastronomie hat Urlaub! „Und auch heute kann ich mir das immer wieder anhören. Nein wir haben keinen Urlaub, wir dürfen nicht arbeiten!“ Kollegen von Bungert müssten um Unterstützung ansuchen weil sie kein Arbeitslosengeld mehr bekommen. Andere weil sie anfangen müssen ihre Kredite zu bedienen usw.

„Noch bin ich davon nicht betroffen, aber wir haben uns das alle hart erarbeitet. Ich bin enttäuscht von unserer Landesregierung aber am meisten von denjenigen die für die Gastronomie verantwortlich sind. Dazu zählt auch der HGV. Keiner erhebt sich, keiner tut was. Wieso?“ Was will man damit bezwecken, fragt sich Bungert.

„Die Gäste kommen, weil wir eine Top Gastronomie bieten, top Häuser haben und eine einzigartige Natur haben“. Alle haben hart dafür gearbeitet, ist Bungert überzeugt. Unsere Selbstvermarktung habe stellenweise einen großen gastronomischen Schwerpunkt. Nun ist damit nichts mehr, kritisiert Bungert.

Papi, warum gehst du nicht arbeiten

„Meine Tochter fragt mich, wann gehen wir wieder Eis essen, wann sie im Hotel wieder mal Pommes-frites essen darf, warum ich nicht arbeiten gehe? Warum ich immer öfter schlecht gelaunt bin?“

Nein unsere Kinder sind nicht dumm, weiß Bungert, „sie merken alles und sind eigentlich noch schlechter dran als wir in der Gastronomie“.

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