von su 16.01.2021 13:14 Uhr

Corona in Südtirol: „Acht Monatsgehälter im Ofen verbrennen“

Was in Südtirol scheinbar nochmal abgewendet werden kann, nämlich ein weiterer Lockdown, beträfe wohl wieder auch jene, welche nachweislich gar nicht für das aktuelle Infektionsgeschehen verantwortlich sind: Die Gastronomie. Gisela Schneider ist Mitinhaberin und Geschäftsführerin eines mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Gastronomiebetriebes mit angeschlossenem Hotel auf 1600 Meter im Sarntal. UT24 hat mit der Unternehmerin gesprochen.

Gisela Schneider ist Mitinhaberin und Geschäftsführerin von "Terra" The Magic Place im Sarntal. (Bild: Privat)

In den vergangenen Stunden zeichnete sich zunächst das bekannte Szenario ab. Südtirol sollte zur „Roten Zone“ erklärt werden und zwar, wie es schien, ohne konkrete Rechtfertigung. Die Landesregierung zeigte sich zunächst überrascht und hat nunmehr in Rom interveniert.

Ziel ist es, das Gesundheitsministerium davon zu überzeugen, dass sich der angepeilte Schritt vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen nicht rechtfertige. Der Hotelier und Gastwirteverband (HGV) bezeichnet die Haltung der Landesregierung als „mutigen Schritt“.

Nunmehr stehen die Zeichen der betroffenen Unternehmer wieder einmal auf Hoffnung – Rom möge das auch so sehen und Südtirol weiterhin als „Gelbe Zone“ eingestuft lassen.

„Aber nein ‚rot‘ gilt ohnehin nicht für alle“

Hoffnung als einzige sinngebende Motivation über viele Monate. Gisela Schneider sagt: „Aber nein „rot“ gilt dann ohnehin nicht für alle, sondern nur für die Üblichen: Hotels, Restaurants, Barbetriebe, Friseursalons usw. Für alle anderen gelten dann wieder Ausnahmeregelungen und sie dürfen wieder normal weiterarbeiten. Und Maske brauchen die auch keine dafür“.

Schneider gibt zu bedenken, dass die Hotellerie ganze acht Monate verloren hätte, würde es jetzt erneut zu einem Lockdown kommen. „Acht Monate totaler Umsatzausfall. Eine Ausfallszahlung gibt es nicht. Das dürfen wir ganz alleine finanzieren. Wer das schafft ist gut, wer nicht ist egal. Geld hat anscheinend weder der Staat noch das Land dafür. Stattdessen sieht der Recovery Fund einen Ausbau der Digitalisierung vor. Na ja, das sind dann diejenigen, die sich gerade ohnehin vor Arbeit kaum retten können“.

Wir können uns diesen Luxusgedanken nicht leisten

Die Sarner Unternehmerin bezieht in ihre gesamtheitliche Sicht auch die aktuelle Entwicklung hinsichtlich der angelaufenen Impfungen mit ein.

Viele, nein zu viele, würden sich zieren, resümiert Schneider und fragt „wie es sein kann, dass sich Ärzte impfen lassen, aber die Pflegemitarbeiter nicht?“ Welche Logik stehe da dahinter?

„Wie kann es passieren, dass Impfdosen weggeworfen werden müssen, weil vier Personen nicht zum Termin erscheinen?“, fragt sich Schneider nach der Ernsthaftigkeit des Südtiroler Impfgeschehens. Natürlich, urteilt Schneider, seien auch bei den Pflegemitarbeitern nicht alle so eingestellt. Und sie akzeptiere jede Meinung, auch wenn sie sich nicht mit ihrer deckt.

„Aber nur zum besseren Verständnis: Wir Hoteliers können uns diesen Luxusgedanken gar nicht leisten. Wir und unsere Mitarbeiter wären dankbar für die Impfungen, weil wir dann eine Chance bekommen, die Betriebe offen halten zu können. Und wem die Überlegung schwerfällt, der darf einfach mal acht Monatsgehälter im Ofen verbrennen. Dann fällt das Entscheiden um einiges leichter“.

Wir wissen nicht, wie die Übertragung wirklich läuft

Auf die Frage von UT24, ob denn die Tourismustreibenden zurecht immer als die ersten auf der Liste der Infektionstreiber stehen, antwortet Schneider: „Wenn wir eines sicher wissen, dann sind es nicht die Gastwirte, denn wir haben seit Ende Oktober geschlossen“. Die gesamte Wintersaison wäre versenkt worden, weil das Reisen verboten wurde und dennoch seien die Zahlen explodiert.

„Wir leben in einer Pandemie mit einem Virus, von dem wir eigentlich noch nicht mal wissen, wie die Übertragung wirklich läuft. Wir haben gelernt, dass Masken zwar helfen, aber dennoch gibt es bei den absoluten Profis, also in den Krankenhäusern, trotz korrekt getragener Schutzausrüstung, Schnell- und PCR-Tests immer noch Ausbrüche. Wir wissen, dass sich Heimbewohner infizieren, aber eben auch Pflegemitarbeiter. Dieses Virus ist leider noch immer ein unberechenbarer Feind“.

Virusgeschehen auf den Tourismus reduziert

Allerdings, so Schneider, habe die Politik, die Presse und Teile der Gesellschaft das Virusgeschehen über Monate auf den Tourismus reduziert. „Wir haben uns von Virologen in öffentlich-rechtlichen TV-Sendern viele unberechtigte Kritiken anhören müssen. Unsere Branche wurde immer wieder mit realitätsfremden Behauptungen durch den Dreck gezogen. Und man hat immer darauf geachtet, dass wir im Service die Masken ja richtig tragen. Man hatte das Gefühl, dass quasi nur wir, also die vom Service, die Virenträger sind. Und ich zähle zu den Menschen, die den Serviceberuf über alles lieben. Daher tut mir diese mangelnde Wertschätzung besonders weh“, so Schneider zu UT24.

Als in der zweiten Oktoberhälfte die Infektionszahlen in Südtirol gestiegen sind, wäre angeblich der Tourismus im Sommer schuld gewesen. Kein Mensch habe sich die Frage gestellt, ob Anfang September die Schulen geöffnet wurden und auch die Menschen wieder vermehrt zur Arbeit gingen. Und die Schulen haben großartige Hygienekonzepte ausgearbeitet. Aber die Busse wären erst jetzt Anfang Jänner entsprechend aufgestockt worden, kritisiert die Hotelierin.

Infektionszahlen bei geschlossenen Hotels explodiert

„Seit Ende Oktober sind die Hotels mit wenigen Ausnahmen geschlossen. Die Infektionszahlen sind im Dezember explodiert und wieder hat für die Politik nur der Tourismus die Schuld und verhindert unsere Arbeit mit nationalen und internationalen Grenzschließungen“, fasst Schneider zusammen. Die Politik träfe also Entscheidungen ohne ernsthaft nach den Ursachen zu suchen sondern nach dem Bauchgefühl, gibt sich die Unternehmerin überzeugt.

„Aus Angst vor den neuen Virusmutationen verhindert man durch Grenzschließungen den Tourismus und beschließt im gleichen Moment, dass Kreuzfahrten wieder stattfinden dürfen. Es tut mir leid, aber solche schwachsinnigen Entscheidungen kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen“, sagt Gisela Schneider zu UT24.

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  1. 16.01.2021

    Diejenigen, die diese “Regeln” erfinden sind hoffnungslos überfordert .
    Massentests ohne Sinn und Verstand sollen den Eindruck erwecken man habe alles unter Kontrolle . Mich würde interessieren wie viele von den positiv getesteten in Wirklichkeit nur Grippe haben . Diese soll ja angeblich heuer so gut wie ausgerottet sein .

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