Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien auf Glatteis
Nach dem britischen EU-Austritt Ende Jänner müht sich die EU derzeit an zwei Fronten: Zum einen soll bis Ende Oktober ein Handelsabkommen stehen, um die Wirtschaftsbeziehungen von 2021 an zu regeln. Zum anderen empört sich Brüssel darüber, dass sich London mit einem “Binnenmarktgesetz” über das vereinbarte Austrittsabkommen hinwegsetzen will. Sefcovic hatte eine Frist bis Ende September – also Mittwoch – gesetzt, die umstrittenen Klauseln zurückzunehmen.
Bei einer Sitzung des sogenannten Gemeinsamen Ausschusses habe der britische Staatsminister Michael Gove keinen Hinweis gegeben, dass Großbritannien dazu bereit sei, sagte Sefcovic. Der Kommissionsvize nannte die Pläne einen “Vertrauensbruch”. Dennoch sollen die Verhandlungen über das nächste Abkommen wie geplant weiter laufen. Die vorerst letzte Runde ist für Dienstag bis Freitag angesetzt.
Gove selbst bestätigte: “Diese Klauseln werden im Gesetz bleiben”. Das sei notwendig als “Sicherheitsnetz” und werde vom Parlament unterstützt. Das britische Unterhaus soll am Dienstag erneut über das Gesetz abstimmen.
Das geplante Handelsabkommen ist für EU-Unternehmen von größter Bedeutung. Ende des Jahres verlässt Großbritannien nach einer Übergangsphase auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Ohne Vertrag drohen Zölle und weitere große Handelshemmnisse.
Der Unternehmerverband Business Europe schlug deshalb Alarm. “Wir schlafwandeln in den Abgrund”, warnte Generaldirektor Markus Beyrer. “Der Übergang von einer vollständigen Marktintegration zu einem No-Deal-Szenario hätte verheerende Folgen für Unternehmen, die schon jetzt mit den Auswirkungen von Covid-19 kämpfen.” Beyrer rief beide Seiten zum Kompromiss auf.
“Über den künftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien ziehen dunkle Gewitterwolken auf”, sagten die ÖVP-Europaabgeordneten Angelika Winzig und Lukas Mandl. Der britische Premier Boris Johnson habe das Vertrauen stark beschädigt. “Wenn Johnson das Vertrauen nicht wiederherstellt, haben weitere Verhandlungen keinen Sinn.”
SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder erklärte: “Von ehrlichem Verhandlungswillen sind wir immer noch meilenweit entfernt, stattdessen führt Johnson mit seinem verantwortungslosen Kurs das Land weiter an den Rand des Abgrunds. Johnson sollte endlich erkennen, dass ein Scheitern der Verhandlungen beiden Seiten schadet, aber insbesondere den britischen Beschäftigten und der aufgrund der Coronakrise ohnehin schwachen Wirtschaft.”