„Mein Einsatz für Südtirol endet sicher nicht“ – Interview

Herr Neubauer, Sie sitzen seit 2006 für die Freiheitliche Partei Österreichs im Hohen Haus in Wien. Bei der anstehenden Wahl am Sonntag werden Sie jedoch nicht mehr antreten. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Werner Neubauer: Ich denke, dass man irgendwann im Leben auch revue passieren lassen muss, was weitere Ziele sein könnten. Auch bin ich mit meinen 63 Jahren bereits knapp 31 Jahre für die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft unterwegs. Und da hat natürlich die Familie auch teilweise darunter gelitten sowie alles mitgetragen. Mit drei Kindern und vier Enkelkindern muss man sich ja auch irgendwann einmal überlegen, wie es im Leben weitergehen soll. Wäre ich noch einmal angetreten, so wäre ich voraussichtlich bis 68 im Hohen Haus geblieben.
Meine eigentlichen Ziele waren aber immer, mit 65 in Pension zu gehen sowie mein Studium zu beenden. Dann habe ich noch vor, eventuell 2-3 Bücher zum Thema Südtirol zu veröffentlichen. In Anbetracht dieser Vorhaben wurde dann meine innere Stimme laut, die sagte, dass ich dies machen möchte. Nämlich meine Lebensplanung dahingehend zu ändern, dass ich insgesamt aus der Politik aussteige, um mich diesen Dingen dann tatsächlich zuwenden zu können.
In Ihren letzten Parlamentswochen vor der Wahl ist es Ihnen aber noch gelungen, einen wichtigen Schritt zu setzen. So hat sich der Nationalrat unlängst für die Verleihung der doppelten Staatsbürgerschaft an die Südtiroler ausgesprochen. Wie sehr wird dieser Entschließungsantrag auch tatsächlich Auswirkungen auf die Arbeit der neuen Bundesregierung haben?
Die Situation ist natürlich so gewesen, dass ich mich bei den Regierungsverhandlungen 2017 mit aller Kraft für die Verankerung der doppelten Staatsbürgerschaft im Regierungsabkommen eingesetzt habe. Ich habe das damals ja auch bei meiner Rede am Brenner versprochen, dass die FPÖ dieses Thema zur Koalitionsfrage machen wird. Das hat man uns anfangs nicht so recht geglaubt. Tatsächlich ist es aber so gekommen. Und das Erstaunen war anschließend sehr groß, als im Regierungsprogramm dieser Passus auch tatsächlich enthalten war.
Letztendlich war es dann so, dass die SPÖ und die NEOS in der vergangenen Woche einen Antrag zur Vergabe der Staatsbürgerschaft an die Nachkommen der Holocaust-Opfer eingebracht haben. Und obwohl die Regierung geplatzt war, war für mich aber entscheidend, dass wir uns weiterhin daran halten, was dort drin stand. Das war dann natürlich auch eine Nagelprobe für die ÖVP, ob sie jetzt für oder gegen ihr eigenes Regierungsprogramm stimmt. Und nachdem dieser Antrag jetzt im Nationalrat auch eine Mehrheit gefunden hat, gehe ich davon aus, dass, wenn die Freiheitliche Partei wieder in eine Regierungsverantwortung kommt, dieser Passus erneut in ein Regierungsübereinkommen zu kommen hat. Was wiederum bedeutet, dass bis Ende des Jahres die Staatsbürgerschaft umgesetzt werden muss. Denn anders ist dieser Antrag bzw. diese Zustimmung, die jetzt durch die ÖVP erfolgt ist, natürlich nicht zu sehen. Denn ich kann nicht im September dafür stimmen, die Staatsbürgerschaft zeitnah umzusetzen und im Nachgang dann das genaue Gegenteil machen. Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass der Antrag eine Weichenstellung für eine zukünftige doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler ist.
Sie waren in Ihrer Funktion als FPÖ-Südtirolsprecher ja ebenfalls Mitglied des Südtirol-Unterausschusses. Inwiefern konnten Sie auch dort Akzente in der Südtirol-Politik Wiens setzen?
Das Problem, das man natürlich als Mitglied des Südtirol-Unterausschusses hat, ist gegeben, wenn du dort Opposition bist. Dann kannst du zwar viele Anliegen einbringen, aber die Durchsetzung selber ist natürlich nur möglich, wenn du tatsächlich in einer Regierungsverantwortung bist. Somit besteht deine Hauptaufgabe in erster Linie darin, die Regierenden mit dem Besetzen von Themen vor sich herzutreiben – was mehrmals gut gelungen ist.
Wenn Sie auf das Erreichte zurückblicken. Was macht Sie besonders stolz?
Wie bereits angesprochen, haben wir seit 2007 als erste und einzige Partei stets die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler gefordert und sind auch konsequent dabei geblieben. Denn es war uns immer wichtig, eine umsetzbare Möglichkeit aufs Tapet zu bringen, die realpolitisch machbar ist. Alles Andere wäre nicht ehrlich gewesen.
Ein weiteres Ziel war es, eine direkte Zugverbindung von Wien nach Bozen zu bekommen. Und ich denke, wir sind auch hier auf einem guten Weg. Denn, wie ich gehört habe, sind die Gespräche mit der Europäischen Union sowie zwischen Wien und Rom hierzu bereits durchgeführt. So soll es schon im nächsten Jahr zu einer Verbindung, ohne Umstieg in Innsbruck, kommen. Das ist mit großer Sicherheit ein Erfolg, der hinter den Kulissen ausverhandelt und diskutiert wurde.
Ebenfalls massiv Einfluss genommen habe ich in der Frage der geplanten Verfassungsänderung in Italien. Hier wollte man die Südtirol-Autonomie sowie die daraus resultierenden Kompetenzen des Landes einschränken. Dann ist es aber durch unseren Einsatz sowie einem Hearing in Wien, das ich organisiert habe, zu einem kompletten Umkehrschwung seitens Italiens gekommen. Und Südtirol konnte somit an der Katastrophe vorbeigeschrammt werden.
Gleiches gilt auch in der Frage der Begnadigung der noch verbleibenden Südtirol-Aktivisten. Auch hier sind wir auf einem guten Weg und haben einen Schriftverkehr mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Darin hat er uns mitgeteilt, dass er sich mit Sergio Mattarella verständigen wird, um aus humanitären Gründen einer Begnadigung zuzustimmen. Ich rechne also damit, dass auch dies demnächst noch kommen wird.
Wie sehr interessiert sich die österreichische Bevölkerung für Südtirol? Hat sich hier, gerade durch den Doppelpass, etwas verändert?
Also ich habe seit 2007, als ich das erste Mal die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler gefordert habe, jährlich etwa 30 Vorträge in ganz Österreich zu diesem Thema gehalten. Nachdem ich anfangs hierzu noch mitleidig belächelt und sogar beschimpft wurde, sind immer mehr Menschen zu diesen Vorträgen gekommen. Parallel dazu hat sich auch der Zuspruch zu diesem Thema massiv erhöht, gerade in Tirol.
Anfangs haben die Leute nämlich immer noch gesagt, dass sie dagegen gewesen seien, weil ohnehin keine Chance mehr bestünde. Aber je mehr dieses Thema in den vergangenen Wochen besprochen wurde, desto größer ist auch die Hoffnung insgesamt geworden, dass diese Staatsbürgerschaft auch tatsächlich kommt. Dies hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass die Solidarität mit Südtirol insgesamt größer geworden ist.
Am Sonntag wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. Was wünschen Sie sich insgesamt für die Zukunft, auch wenn Sie nicht mehr im Nationalrat vertreten sein werden?
Meine politische Tätigkeit wird zwar enden, mein Einsatz für Südtirol aber sicher nicht. Ich arbeite gerade an meiner Masterarbeit, die ebenso eng mit dem Südtirol-Thema verknüpft ist. Ebenso habe ich nach wie vor eine enge Bindung zu meiner lieben Schützenkompanie Gries-Bozen. Deshalb wird der Kontakt zu Südtirol sicherlich nicht abbrechen. Ich habe in den letzten Jahren sehr viele Freunde in Südtirol gewonnen, die ich keinesfalls nicht missen mag und bei jeder Gelegenheit auch besuchen werden.
Ich kann nur hoffen, dass das Thema Südtirol – auch wenn ich aus der Politik aktiv ausscheide – in Zukunft der Freiheitlichen Partei genauso ein Herzensanliegen sein möge, wie das mir jetzt über die letzten Jahre gewesen ist. Aber ich denke, dass die Frage um Südtirol für die FPÖ eine ist, die wirklich vom Herzen getragen wird und inhaltlich eine so fortgesetzt werden wird. Genauso kann ich versprechen, dass ich sämtliche Entwicklungen rund um die doppelte Staatsbürgerschaft genauestens beobachten werde – damit diese auch umgesetzt wird. Weil ich damit auch verbinde, dass die enge Bindung Südtirols zum Vaterland Österreich dadurch massiv gestärkt werden kann.
Und wer weiß, was die Geschichte alles noch bringt. Vielleicht tut sich ja ein historisches Fenster auf, das es uns ermöglicht, über die Staatsbürgerschaft hinaus zu denken. Aber das wird uns dann die Geschichte zeigen.






