von fe 23.10.2018 16:26 Uhr

SSB: „LH Günther Platter denkbar schlechter Wahlanalytiker“

„Ein denkbar schlechter Wahlanalytiker scheint der Landeshauptmann des Bundeslandes Tirol Günther Platter zu sein“, meint der Südtiroler Schützenbund in einer Aussendung. Er bezieht sich dabei auf von der Tiroler Tageszeitung wiedergegebene Aussagen, wonach Platter nun plötzlich gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft sei.

Der Landeskommandant Elmar Thaler. Foto ©: Südtiroler Schützenbund

„Wer die Frage der Doppelten Staatsbürgerschaft unmittelbar mit dem Wahlausgang in Südtirol verknüpft, denkt entweder zu kurz und geht medialen Opportunisten auf den Leim“, so der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Elmar Thaler. So gut wie alle Parteien, die bisher im Südtiroler Landtag vertreten waren, haben bei der letzten Wahl verloren − ganz unabhängig davon, ob sie Befürworter oder vehemente Gegner des Doppelpasses waren. Einige dieser Gegner des Doppelpasses − unter ihnen der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter − sind mittlerweile nicht einmal mehr Mitglied des Südtiroler Landtags.

Gewonnen hat hingegen das Team Köllensperger − dessen Vorsitzender genau einer jener Landtagsabgeordneten war, die sich im November 2017 in einem Schreiben an die Chefs der ÖVP und der FPÖ gewandt hatten, mit der Bitte, die Doppelte Staatsbürgerschaft für die Südtiroler in das künftige Koalitionsabkommen der Schwarz-Blauen Regierung in Österreich aufzunehmen. „Mag sein, dass der Wahlsieger jetzt, nach der Wahl, der Frage der Doppelten Staatsbürgerschaft nur mehr marginales Interesse einräumt − es bleibt aber ein Herzensanliegen vieler heimatverbundener Südtiroler“, sagt Thaler.

Landeshauptmann Platter verprellt mit seinem Vorstoß viele Österreich- und Tirol-freundliche Kräfte in Südtirol. „Das ist sehr schade und hätten wir von ihm nicht erwartet“, so Landeskommandant Thaler. Noch im Jahr 2014 hatte Günther Platter bei der Gedenkrede in Meran angekündigt, dass man mit ihm einen sehr verlässlichen Partner in Sachen Doppelter Staatsbürgerschaft haben werde. Wie man sieht, ist die Überzeugung von Politikern je nach tagesaktuellen Ereignissen vergänglich und austauschbar – ein Umstand, den sich die Wählerschaft, wie in Südtirol vorgeführt, stets vor Augen halten sollte.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

  1. Martino
    27.10.2018

    @PAULA – Vielen Dank für Ihren hochinteressanten Beitrag!

  2. Paula
    23.10.2018

    Doppelpässe

    Ich komme gerade von von einem 14 tägigen Urlaub aus Südtirol zurück und lese Ihren Artikel.

    Der Doppelpass für Südtiroler ist mehr als ein feindseliger, ein kurioser Akt, über dessen Sinnhaftigkeit wir uns befragen“ sagte der italienischen Botschafter in Wien.
    Seit der Annexion des südlichen Landesteils Tirols und der durch das Friedensdiktat von Saint-Germain-en-Laye 1919 völkerrechtswiedrige Einverleibung (s.Wilson IX. Eine Berechtigung der Grenzen Italiens sollte gemäß den klar erkennbaren Nationalitätenlinien bewirkt werden.) dieser mittels 1915 vollzogenen Seitenwechsels erlangten Kriegsbeute gilt für Rom an die vom einstigen Ministerpräsidenten Antonio Salandra (1853-1931) geprägte national(istisch)e Maxime vom „heiligen Eigennutz“ („sacro egoismo“).

    Italien hat übrigens das 1975 getroffene Europaratsabkommen zur „Verringerung von Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit“ eigens aufgekündigt und mit dem Gesetz Nr. 91 (1992) nicht nur sein (aus dem Jahre 1912 stammendes) Staatsbürgerschaftsgesetz entsprechend geändert, sondern mit Gesetz Nr. 124 (2006) den im slowenischen Küstenland sowie in Kroatien (Istrien, Fiume, Dalmatien) ansässigen ethnischen Italienern die Möglichkeit des Erwerbs seiner Staatsbürgerschaft eröffnet. Davon wiederum machten 37.000 Personen Gebrauch.

    Italien hat allen Auslandsitalienern auch das aktive und passive Wahlrecht sowie feste Parlamentssitze (12 Vertreter in der Abgeordnetenkammer und 6 Vertreter im Senat) zugestanden. Kein anderer Staat, um dessen primäre Staatsbürger es dabei ja ging, ist um sein Einverständnis ersucht worden; Italien hat in seinem nationalen Interesse die Voraussetzungen und  kraft eigener Souveränität die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen.
    Österreich hingegen soll nicht Gleichartiges für den deutsch-österreichischen und ladinisch-österreichischen Bevölkerungsteil Südtirols tun dürfen, deren Vorfahren Staatsbürger Österreichs waren wie die Istrianer, Fiumener und Dalmatiner (respektive die Nachfahren der nach Brasilien, Argentinien bzw. in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Italiener) Staatsbürger Italiens? Soll also gelten, worauf die italienische Haltung – so etwa in der Selbstbestimmungsfrage, die es 1945/46 hinsichtlich Südtirols gegenüber Österreich verweigerte, 1954 aber für Triest und das Hinterland gegenüber Jugoslawien beanspruchte – hindeutet, nämlich die altrömische Maxime „Quod licet Iovi non licet bovi“ („Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“)?.

    Keineswegs. Niemand, auch Rom nicht, kann Wien untersagen, im eigenen nationalen Interesse zu handeln und kraft eigener Souveränität  die rechtliche Grundlage für die im Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ (vom 19. Dezember 2017) vorgesehene Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu schaffen, welche für „die Angehörigen der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol, für die Österreich auf der Grundlage des Pariser Vertrages und der nachfolgenden späteren Praxis die Schutzfunktion ausübt“, gelten soll. Besagter Personenkreis bliebe, sofern von den 528.379 Südtirolern (Wohnbevölkerung im 1. Quartal 2018 laut Landesstatistik-Institut ASTA) alle gemäß dieser Definition Anspruchsberechtigten (62,3 % deutschösterreichischer Ethnizität = 329.180 Personen; 4,1% ladinischösterreichischer Ethnizität = 21.663 Personen) tatsächlich den österreichischen Pass beantragten und annähmen, weit unter der Zahl der gut 1,2 Millionen Auslandsitaliener, denen Rom aufgrund seines Staatsbürgerschaftsrecht den italienischen Pass zuerkannte.

    Sofern Wien darin eine historisch-politische Verpflichtung sähe, müsste es – nach italienischem Vorbild; siehe Ethno-Italiener in Slowenien und Kroatien – eigentlich weitere Personengruppen zum Kreis der Anspruchsberechtigten zulassen. So wurden im Trentino erste Stimmen laut, die das Recht, wie es den Südtirolern zuteilwerden soll, auch für jene Trentiner einfordern, die „in der k.u.k.-Monarchie wurzeln“. Die Trentiner Autonomistenpartei PATT mahnte, Österreichs Regierung möge beim Thema Doppelpass „die im Trentino lebenden Nachkommen ehemaliger Bürger der k.u.k.-Monarchie nicht vergessen. Auch unsere Vorfahren waren Bürger von Österreich-Ungarn. Auch unsere Großväter sind im Ersten Weltkrieg zu Tausenden in den Reihen des Heeres Kaiser Franz Josefs gestorben“, schrieben PATT-Vorsitzender Federico Masera und sein Vize Simone Marchiori in ihrer Verlautbarung.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite